Tichys Einblick
Koalitionskrach

Pech für die Grünen – Scholz sitzt den Streit in der Ampel aus

Die Grünen tagen in Weimar und „Häuptling“ Habeck teilt gegen die Koalitionspartner aus. Anton Hofreiter sieht den Gegner nunmehr im Kanzleramt. Es ist ein Melodram für eine Partei. Denn der Kanzler ignoriert den Krach einfach.

IMAGO / Metodi Popow

Olaf Scholz sitzt die Ampel aus. Damit schlägt der Bundeskanzler mehr nach seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel als seinem politischen Ziehvater Gerhard Schröder. Kein „Basta“, sondern Schweigen. In 16 Jahren Regierungszeit hatte kein Koalitionspartner gegen die damalige Kanzlerin Merkel so frech gemeckert wie nun Vizekanzler Robert Habeck gegen seine Kollegen in der Bundesregierung. Sicher: Merkel hat auch nie mit den Grünen koaliert.

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Dennoch bleibt der Indianeraufstand von Häuptling Habeck kein singuläres Ereignis. Bisher hatte es – aus grüner Perspektive – immer wieder latente „Störmanöver“ der Liberalen gegeben. Der Streit um die Fortführung der Atomkraft war eines davon. Am Ende beugte sich die FDP dem Kanzler wie ein Bundeswirtschaftsminister einem Wüstenprinzen aus Tausendundeiner Nacht. Das Bedürfnis, sich zu revanchieren, oder seinem Ärger zumindest Luft zu machen, saß sicher tief.

Auf der Weimarer Klausurtagung der Grünen explodierte dieses Bedürfnis nun. Habeck muss grüne Maximalforderungen erfüllen, die man im eigenen Biotop als Weltrettung und einzig möglichen Weg sieht. Doch die Grünen haben keine Mehrheit in Deutschland. Mit 15 Prozent sind sie sogar eine Partei zweiter Klasse. Der Kanzler heißt Scholz, nicht Baerbock; der Finanzminister Lindner, nicht Schick. Die Grünen wollen dagegen Gesetze durchdrücken, als verfügten sie über eine absolute Mehrheit.

Es brauchte deswegen eine linke Koalition, um Habecks Indianern die Schranken aufzuzeigen. Die Union hätte sich bereitwillig jedem Trend untergeordnet. Und nun wird nicht nur die FDP, sondern vor allem die SPD zum Problem der Grünen. Denn es nützt den Sozialdemokraten nichts, wenn sie vielleicht 90 Prozent der Genderwissenschaftler für sich gewinnt, aber nur ein Prozent der Kassiererinnen in Deutschland. Im Bundestagswahlkampf hatte die Partei mit Themen wie Pflege, Rente und Bürgergeld das Bild evoziert, dass sie wieder zu sich selbst gefunden hätte. Das war deutlich erfolgreicher, als dem grünalternativen Bürgertum nachzujagen.

Dass der Feind neuerdings links steht, ist auch langfristigen parteipolitischen Erwägungen geschuldet. Die SPD muss im Bund stärker sein als das grüne Pendant. Sonst ist sie die Kanzlerschaft auf unbekannte Zeit los. In Berlin koaliert sie aus ähnlichen Erwägungen mit der CDU statt den Grünen. Der grüne Geist, der als hipper Trend daherkam, um sich beliebt zu machen, hat sich als grünes Gift entpuppt: Es zerstört die Parteien von innen, beraubt sie ihrer jeweiligen Seelen, degradiert sie zum billigen Grünen-Klon, der dasselbe Programm anbietet, aber niemals so wie das Original wird. Den Sozialdemokraten dämmert, dass sie sich auf ein Trojanisches Pferd eingelassen haben.

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Auch das ist ein Grund für Habecks Empörung. Denn die Grünen verlieren vielleicht nicht in den Medien, dafür in der Parteienlandschaft ihren Status als „Everybody’s darling“. Sie waren als Mehrheitsbeschaffer gelitten. Als Anwärter aufs Kanzleramt dagegen nie. Jetzt stellt man sich ihnen in den Weg, nachdem man ihnen früher den roten Teppich ausrollte. Die Grünen glauben nicht nur, dass sie auf der richtigen Seite der Geschichte stehen; es wird ihnen jeden Tag von der Medienöffentlichkeit bescheinigt. Dass man ihre Weltverbesserungstipps nicht mehr hören will, kommt einem Verrat gleich. Deswegen ist der Häuptling dazu bereit, das Kriegsbeil auszugraben. Mehr als ein melodramatischer Ehekrach mag dabei freilich nicht herauskommen.

Die neue Fremdheit zwischen Grün und Rot beruht auf Gegenseitigkeit. „Das Problem ist nicht die FDP, sondern das Kanzleramt!“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter. Früher hat ihn die Fraktion dafür zurückgepfiffen. Heute kann Hofreiter mit zustimmendem Nicken rechnen. Man habe sich viel zu lange auf die FDP konzentriert, statt Druck auf Scholz auszuüben. Das Narrativ, dass der Koalitionskrach zwischen FDP und Grünen sei, bekommt damit Brüche. Man ist mit der Gesamtsituation unzufrieden – und für die ist Scholz als Richtlinienverantwortlicher der Bundespolitik verantwortlich.

Das ist eine Ansage. Man will den Kanzler an die Leine nehmen. Etwa beim Verbrenner-Aus. Die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann lobt zwar während der Klausurtagung das „Team Ampel“; macht aber zugleich deutlich, dass man zu keinen Konzessionen beim Heizungsaustausch bereit ist. Das sind Pfunde, die Habeck von Weimar nach Berlin tragen muss, wo am Sonntag der Koalitionsausschuss tagt, der den „Reformstau“ lösen soll. SPD und FDP erwarten ihn dort schon. Vielleicht merken die Grünen dann, dass 15 nicht 51 Prozent sind.

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