Tichys Einblick
Impf- und Hosenstoff, Klopapier, Verstand

Knappheit im Überfluss

Ja, es sind harte Monate der Knappheit! Keine Strategie, keine Vision, keine Pläne für einen Ausstieg aus dem Wahnsinn, nichts. Alles total knapp. Man kann nur beten (und wählen), dass die Uhr für die Knappheitsexperten bald knapp wird.

Screenprint: ARD/maischberger

Es war wieder mal Lockdown-Time, also Zeit zum Ein- und Aussperren des Volkes. Ich weiß nicht, der wievielte Shutdown. Aber diesen vergisst man nicht so schnell: Da erhob nämlich ein Minister namens Scheuer, mehr bekannt durch das Versenken eines Füllhorns von Euros in dreistelliger Millionenhöhe denn als Fachmann für Knappheit, seine huldvolle Stimme. Bei BILD gab er eine Klopapier-Garantie ab. Genau am 19. Oktober 2020. Er garantiere im Namen der Bundesregierung, dass das Toilettenpapier diesmal nicht knapp würde. Dem schloss sich eiligst und hoch kompetent auch Landwirtschaftsministerin Klöckner an. Nur der Jens Spahn wollte da nicht mitspielen. „Es gibt jetzt, glaube ich, kein Grundrecht auf Küchenrollen,“ nörgelte er. Also ein handfester Streit auf dem Unionsflügel der Bundesregierung um das Überlebens-Wichtigste einer Nation.

Doch jetzt, nach dem soundsovielten Lockdown, hat der Jens nochmal nachgelegt. Es gäbe echte Lieferengpässe und das Produkt wäre knapp ….. Nein, nicht das lebenswichtige Klopapier oder die Küchenrollen. Es handle sich lediglich um läppisches Impfserum. Hier hatte ja die Chefin schon vorgelegt: „Im großen Ganzen ist nichts schiefgelaufen“ – nicht mit dem Klopapier und erst recht nicht mit eben jenem läppischen Serum. Allerdings ermahnte sie „die Bürgerinnen und Bürger, noch eine Weile durchzuhalten.“ Also nicht knapp zu sein mit Geduld. Durchhalten! Irgendwie klingt mir das nach Autobahn und Führerschein. Doch mit historischen Vergleichen sollte man sich bekanntlich knapp halten. Dann doch lieber der Spiegel-Titel: Spahn schwört Bevölkerung (klingt harmloser als Volk) auf „harte Wochen der Knappheit“ ein.

Man dachte ja immer, die Knappheit sei langsam vorbei. Doch aus Tagen werden Wochen, inzwischen sind es Monate, ja sogar ein Jahresplan soll kommen. Doch niemand hat (bisher) die Absicht, einen Fünf- oder gar Sieben-Jahresplan zu bauen, noch gehts knapper. Doch wann kommt der Tag, wo die Knappheit knapp wird? Der legendäre „Zippert zappt“ in der WELT prophezeit heute bereits „harte Wochen der Knappheitsknappheit.“

Es stimmt: noch nie war soviel Knappheit in unserer Wohlstandsgesellschaft. Regierungsberater sind knapp, denn man hört nur immer dieselben, die am Hofe gelitten sind. Politische Führung ist auch knapp, denn das Traum-Trio Uschi, Angela und Markus versemmeln ja alles, was es nur zu versemmeln gibt. Dabei fällt die besondere Knappheit an Verantwortung und Schuldbewusstsein auf. Dafür hat man ja einen Sündenbock wie vor Jahrtausenden im Alten Testament: das böse, unwillige, unwürdige Volk. Kinder, die mal raus zum Rodeln oder zum Fußball wollen oder Glühweintrinkende und Currywurst-Esser_*in/nen —- doch da wird es nie knapp an Uniformierten, die im Stasi-Stil durchgreifen, weil es an allem knapp ist, nur nicht an Denunzierenden. Also Leuten, die permanent den Blockwart spielen. Ja, es sind „harte Wochen der Knappheit“, zum Beispiel an Soldaten, die unsere Alten endlich beschützen, um die sich weder Jens noch Julia, Angela oder Ursula, auch nicht der Markus und seine tolle Ex-Vorsitzenden-Kollegin AKK je kümmerten. Es ging ihnen nur ans Herz, und das nicht zu knapp.

Am knappsten scheint es um Stoff bestellt zu sein. Also nicht den Wein im Kanzleramt, sondern um den eines Ministers, der doch vorgibt, für das Wachstum (und das nicht zu knapp!) der Wirtschaft einzutreten. Irgendwas ist knapp, wenn er in Talkshows auftritt. Vorgänger Guttenberg wäre eine solche Beinfreiheit jedenfalls nie passiert. Kann auch sein, dass er auf dem Stuhl einfach sitzen bleibt, bis die nächste Show beginnt. Hosen-Stoff läuft eben ein, wird also knapper. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Auch an Papier für Zeitungen, an Sendezeit fürs Fernsehen. Man hat nur noch die Nahsicht auf den Hochaltar obrigkeitlicher Gefälligkeit, keinen Platz für Investigation, keine Zeit für kritische Fragen.

Alles lästig in Zeiten der Knappheitsknappheit. Zum Beispiel, als ein honorigen Mann wie Hermann-Otto Solms (FDP, als die FDP noch FDP war und nicht knapp über der Fünf-Prozent-Marke) gestern beklagte, dass er als 80jähriger von Pontius zu Pilatus gelaufen sei, um irgendwo etwas vom knappen Impfstoff zu ergattern und bei ntv zu der bitteren Einsicht kommt: „Sie können sich ausrechnen, wie viel (Menschen) aufgrund der Nachlässigkeit der Bundesregierung gestorben sind.“ Der Ehrenvorsitzende der FDP, der langjährige Bundestagsvizepräsident, der aktuelle Alterspräsident! Nicht die böse AfD, nicht geistig knapp ausgestattete Querdenker und Verschwörungsexperten, nicht das „Gesindel”, das der Verfassungsschutz meint, überprüfen zu müssen, nicht diese Elemente, die knapp bei Verstand sind … Nein, einer der verdienten Politiker unseres Landes! Und KEINE Breaking-News oder Titelseite, KEINE! Für diese härteste aller harten Kritiken, und das mal nicht zu knapp, waren Papier und Sendezeit zu knapp. Lag da nicht ein Hauch von „Frau Merkel, Ihre Opfer“ in der Luft? Muss man da nicht aufmerken? Gibt es eigentlich noch einen Bundespräsidenten, oder ist dessen Zeit zu knapp, weil er ja Kerzen aufstellen muss?!

Ja, es sind harte Monate der Knappheit! Keine Strategie, keine Vision, keine Pläne für einen Ausstieg aus dem Wahnsinn, nichts. Alles total knapp. Man kann nur beten (und wählen), dass die Uhr für die Knappheitsexperten bald knapp wird. Sonst glaubt man ja bald selbst, man sei knapp bei Verstand. So wie bei den Geisterfahrern: Ich oder die anderen.


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