In einer Demokratie, so heißt es, wählt das Volk seine Vertreter, die dann zum Wohle des Volkes regieren. Entsprechend sind gewählte Volksvertreter, Politiker genannt, nicht nur mit einer großen Anzahl von Privilegien, aber auch mit viel Verantwortung ausgestattet. Im Staat herrscht die Gewaltenteilung, sie ist Teil jenes Prinzips, für das es im Englischen den griffigen Ausdruck der „Checks and Balances“ gibt, also der gegenseitigen Kontrolle und Balance der staatlichen Gewalten. Diese Gewaltenteilung, wie auch die Wähl- und (theoretische) Abwählbarkeit der Politiker, soll die Bürger des Staates vor Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, Korruption, Interessenverflechtung und vielem mehr schützen.
Die ungenügende Rechenschaftspflicht unter Berufspolitikern ist schon seit vielen Jahren ein Makel auf dem Antlitz unserer Demokratie, doch von Zeit zu Zeit gibt es doch noch Fälle, wie unlängst bei der EU-Parlaments-Vizepräsidentin Kaili, in denen allzu verantwortungslose Handlungen von Politikern dann doch noch Konsequenzen nach sich ziehen. Zumindest außerhalb Deutschlands.
Das alles ist jedoch nichts im Vergleich zu einer neuen Kaste politischer Akteure, die von niemandem gewählt wurden und die nur aufgrund ihres Geburtsrechts und entsprechender Beziehungen – neudeutsch „Netzwerke“ genannt – in entsprechende Positionen gelangten. Es wäre dabei mehr als töricht zu glauben, es handle sich dabei um das Resultat eines meritokratischen Auswahlprozesses. Wie wir bald schon sehen werden: Bessere Menschen bleiben lieber unter sich.
Die Vorbildwirkung der Öffentlich-Rechtlichen
Es gab eine Zeit, in der die Meldung, welcher Promi nun eine neue Flamme hat, höchstens für die Neue Post und die Bunte von Interesse gewesen wäre. Doch heutzutage, wo uns die Unterhaltungsbranche selbst täglich dazu erzieht, ausnahmslos alles als politisch zu betrachten, lohnt es sich dann doch, auch einen Blick auf die Beziehungen der „Personen des öffentlichen Lebens“ zu werfen, zumal Bobo-Journalisten und Polit-Aktivisten mittlerweile schon längst Schlagersängern und TV-Sternchen den Rang abgelaufen haben.
Während Letztere sich jedoch meist mit einer der Politik untergeordneten Rolle als Sprachrohr bestimmter Anliegen zufriedengaben, sind die Aktivisten und Journalisten der neuesten Generation nur mit einem Platz an der Sonne zufrieden. Sie präsentieren sich gerne als überparteilich, wenngleich sie inhaltlich fast ausnahmslos aus grünen Agenden zu zitieren scheinen. Sie tummeln sich vorzugsweise in NGOs und in den öffentlich-rechtlichen Medien, beides Felder, in denen nicht tatsächliche Leistung, sondern das Selbstverständnis moralischer Überlegenheit und ein dazugehöriger Autoritätsanspruch entscheidend sind.
Nun wurde bekannt, dass der designierte „Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth mit Luisa Neubauer „zusammen“ ist. Wie lange das bereits der Fall ist, sollte zunächst einmal Privatsache sein, doch angesichts dessen, dass Klamroth selbst lautstark verkündete, „das Publikum habe einen Anspruch darauf, das zu wissen“, stellt sich zu Recht die Frage, seit wann diese Verbindung bereits besteht. Klamroth behauptete im selben Atemzug, „journalistische Unabhängigkeit“ wäre sein „Grundsatz“. Und natürlich beruhigte er auch, dass es sich „von selbst versteht“, dass seine Partnerin nicht Gast seiner Sendung sein wird.
Wie einen Staubfleck putzte sich Klamroth somit etwaige Vorwürfe der Befangenheit von seinem imaginären Jackett. Eine mit viel Selbstvertrauen vorgetragene Behauptung der eigenen journalistischen Integrität muss dafür genügen. Hat es ja auch bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit. Als sich Kritik daran regte, dass die damalige RTL- und nunmehrige Welt-Reporterin Franca Lehfeldt mit Christian Lindner liiert war und damit bei der Berichterstattung zum Bundestagswahlkampf befangen sein könnte, konterte eine RTL-Sprecherin mit der Erklärung, Franca Lehfeldt, die nebenbei Tochter eines Hamburger Kaufmanns ist und innerhalb von nur vier Jahren von der Volontärin zur Polit-Chefredakteurin aufstieg, sei eine „exzellente und professionelle Journalistin, die Beruf und Privates trennen kann“. Wer würde es wagen, dem zu widersprechen?
Sicherlich niemand vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, denn dort ist ja bekanntlich journalistische Exzellenz und Unabhängigkeit beheimatet. Nirgendwo wird das deutlicher als beim rbb, bei dem lange Jahre der Ehemann der Berliner Spitzenkandidatin der Grünen, Oliver Jarasch, die Zügel der politischen Berichterstattung inne hatte. Nachdem es bereits im Vorjahr Kritik an dieser Konstellation gab, veröffentlichte der rbb im Vorfeld der zu wiederholenden Berlinwahl eine Stellungnahme, in der explizit die Nichteinflussnahme von Jarasch betont wurde. Im Übrigen war man sich auch beim rbb nicht zu schade zu betonen, dass Jaraschs „parteipolitische Unabhängigkeit und journalistische Integrität“ für den Sender „außer Frage” stünden. Wem das im Hause der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger, deren Ehemann, einem ehemaligen Spiegel-Journalisten, Berateraufträge im dick 5-stelligen Bereich vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates des rbb Wolf-Dieter Wolf zugeschanzt wurden, nicht genügt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Oder doch? Immerhin deutete noch vor einem Jahr der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Peter Maurer von der Uni Trier für den Deutschlandfunk das Phänomen und kam zur differenzierten Einsicht, dass Franca Lehfeldts Beziehung zu Christian Lindner einen „Interessenkonflikt“ darstellen würde, dass die Privatsender wie RTL, Sat1 und Pro7 „weniger Hemmungen“ hätten, „Nähe oder politische Präferenzen zu zeigen“, und dass es hingegen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk „schon gut etablierte und seriöse Standards gibt, an denen sich die Privaten orientieren sollten“. Zumindest sei das „sein Eindruck“. Man erkennt: Staatliche Finanzierung ist nicht nur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch im universitären Raum der bestmögliche Garant für objektivierbare Standards.
Weltklasseleute unter sich
Für diese höheren Weihen hat sich nun auch Louis Klamroth empfohlen, wie eine kurze Recherche seines bisherigen journalistischen Œuvres offenbart. Der ehemalige Kinderstar vom „Wunder von Bern“, der damals an der Seite seines Schauspielervaters Peter Lohmeyer bekannt wurde, erhielt nach Beendigung seines Politikwissenschaftsstudiums im Jahr 2015 bereits 2016 seine eigene Talkshow beim deutschsprachigen CNN-Ableger n-tv, „Klamroths Konter“. Nur zwei Jahre später erhielt er dafür den Förderpreis des deutschen Fernsehpreises. Wer auf Youtube Zeuge dieser journalistischen Sternstunden werden möchte, bekommt bei der Suche nach Klamroths Konter als erstes ein Gefälligkeitsinterview von Klamroth bei Jan Böhmermanns Magazin Royale vorgesetzt, in dem der Hofdemagoge Böhmermann Klamroth unter anderem als „Weltklassemensch“ vorstellt.
Das zweite Video, das einem vom ebenso journalistisch neutralen Algorithmus vorgeschlagen wird, ist ein Ausschnitt aus Klamroths Konter, bei dem Luisa Neubauers Cousine, Mitaktivistin und Zigarettenerbin Carla Reemtsma, zu Gast ist und sich die kritische Frage gefallen lassen muss, warum sie denn das Gespräch mit dem Vorsitzenden der Automobilindustrie abgesagt hatte, wo doch Luisa Neubauer die Gelegenheit wahrgenommen hatte, bei der RWE-Hauptversammlung zu sprechen? Dies wäre, so Klamroth, doch „eine Chance“ gewesen.
Bei all diesen Auftritten stellt sich angesichts Klamroths Behauptung, das „Publikum hätte ein Recht“, von seiner Beziehung zu wissen, die Frage, ob er zu diesem Zeitpunkt bereits mit Luisa Neubauer zusammen war. Wie viel Einfluss hatte sie auf seine Prägung? Als bekannteste Klimaaktivistin Deutschlands ist Neubauer nichts weniger als eine Lobbyistin grüner Politik, eine Tatsache die sich nur leidlich hinter dem vermeintlich harmlosen Etikett der „NGO“ verbirgt. Wie kann ein Journalist, der fast alle Positionen radikaler Aktivisten 1:1 teilt, von sich behaupten, „kritisch und unabhängig“ zu sein? Nun, indem er es einfach tut.
Die nahtlose Übernahme alter Strukturen durch neue Eliten
Nichts von alledem ist in irgendeiner Form überraschend, ja man muss sogar davon ausgehen, dass viele der Journalisten und Aktivisten tatsächlich daran glauben, ihre Forderungen wären „überparteilich“ und entsprächen „höchsten journalistischen Standards“. Wenn in der eigenen Wahrnehmung das Spektrum zulässiger Meinungen derart verengt ist, ist es ein Leichtes, in der eigenen Tätigkeit das Abbild überparteilicher Vielfalt zu verorten. Schließlich geht es nach eigenem Selbstverständnis dabei ja nie um Meinungen, sondern um Offensichtlichkeiten. Und wo immer sich die Klamroths, Reemtsmas, Böhmermanns, Neubauers und Hinrichs miteinander austauschen, wird klar, dass der Grundkonsens dieser Generation privilegierter Meinungsmacher derart tief verankert ist, dass die Präsenz dieser Grundhaltung nicht einmal als politische Einflussnahme verstanden wird, sondern als alternativlose Interpretation der Welt erfahren wird.
Es hat in der Linken lange Tradition, über feudale Strukturen und Vetternwirtschaft in vordemokratischen Zeiten zu wettern. Was sie dabei geflissentlich übersehen, ist, dass sie nichts anderes tun, als die aristokratischen Eliten durch bürgerliche Eliten zu ersetzen, die in Folge ebenso unter sich bleiben, wie die Aristokraten vergangener Epochen. Diese Gegenwartseliten mühen sich dabei nicht einmal den Anschein demokratischer Legitimität oder eines Leistungsprinzips zu wahren, sie begeben sich direkt in Positionen, in denen sie entweder als Teil der 4. Macht Meinungspolitik betreiben, oder als aktivistische Kommissare gleich einen Platz oberhalb des Parteienapparats für sich beanspruchen.
Aktivisten und Politiker werden vom Journalismus legitimiert, der Journalismus legitimiert sich selbst mit der leeren Behauptung, „kritisch und unabhängig“ zu sein, einer Worthülse, über deren Gebrauch niemand jemals Rechenschaft ablegen muss. Der einzige Unterschied zu den Aristokraten vergangener Epochen liegt darin, dass sich der Machtanspruch der Aristokratie aus ihrem Landbesitz ergab, während unsere spätkulturellen großbürgerlichen Eliten ihre Relevanz aus Geld und Ruhm beziehen. Ob das solch eine Verbesserung ist? Wer weiß, aber irgendwo findet sich sicherlich ein Kommunikationswissenschaftler, der bereit ist, die Unabhängigkeit seiner ebenso von Steuergeld finanzierten Kollegen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wissenschaftlich zu untermauern. So viel wehrhafte Demokratie muss man sich einfach gönnen.