Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, nachdem ich mir die Festveranstaltung zum Kirchentag mit dem „ehemaligen Sozialarbeiter“ Barack Obama (er soll kürzlich 400.000 Dollar für einen Vortrag erhalten haben) angeschaut habe. Das Groß-Event vor dem Brandenburger Tor mit dem Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und unter Gejohle und Gekreische junger Leute wie auf einem Popkonzert.
„Kirchentage vorzubereiten macht viel Arbeit, aber auch viel Spaß“ wird die Veranstaltung eingeleitet. Man freut sich, dass Obama Deutschland „ganz gut findet, und wir werden das natürlich wieder zurückspiegeln – wir finden ihn auch gut, sonst hätten wir ihn ja auch nicht eingeladen“. Der Präsident a.D. gesteht seine Liebe zu Berlin und lobt „one of my favourite partners throughout my Presidency, Chancellor Angela ‚Mökel‘, who has done outstanding work“.
Um mich nicht im Dschungel der Aussagen zu verlieren, möchte ich im Folgenden nur auf eine Frage, die der Student für „Computer Science“ Benedict Wichtelhuber auf dem Podium stellen durfte, eingehen: „Mich beschäftigt der Einsatz von Drohnen im Krieg. In Ihrer Amtszeit, Herr Präsident und Frau Bundeskanzlerin, hat diese Technologie einen neuen Aufschwung genommen. Zwischen 2009 und 2015 starben ca. 2.600 Terroristen durch Drohnen. Gleichzeitig starben aber auch bis zu 116 Zivilisten. Manche sprechen sogar von bis zu 900 Toten. Wie gehen Sie als Mensch und Friedensnobelpreisträger mit diesen ungewollten Opfern um?“
Hier Obamas Antwort. Zuerst in Kurzform auf Deutsch. Und dann – da ich wörtliche Aussagen immer sehr aufschlussreich finde – im Original auf Englisch.
Obamas Antwort in Zusammenfassung auf Deutsch
Die größte Herausforderung für einen Präsidenten der USA sei es, beginnt Obama seine Antwort, sein Land und seine Bürger vor dem zu schützen, was in Manchester und vorher schon in Berlin, Paris oder Nizza geschehen sei – und zwar im Einklang mit den Werten des Westens. Es ginge nicht an, sich auf dasselbe barbarische Niveau mit denen zu stellen, die bekämpft werden müssten. Der Kampf gegen terroristische und extremistische Ideologien sei nicht der Krieg eines Staates gegen einen anderen, denn in diesen Gebieten operierten Terroristen verdeckt im Schatten. Er habe deshalb in seiner Amtszeit versucht, diejenigen, die unschuldige Menschen töteten, in Übereinstimmung mit den Werten und Rechtsvorstellungen seines Landes zu bekämpfen. Natürlich gab es da auch Opfer – Irrtümer wolle er nicht ausschließen. Doch es habe oft keine andere Möglichkeit gegeben. Drohnen hätten die Opferzahlen im Vergleich zu von Schiffen oder Flugzeugen abgeschossenen Tomahawk-Marschflugkörpern deutlich gesenkt. Nicht Drohnen seien das Problem, behauptet Obama. Das Problem sei der Krieg, der immer schmutzig sei (Beifall). Er gibt zu, dass der, der die Drohnen lenkt, das mit einem Videospiel verwechseln könnte. Doch während seiner gesamten Amtszeit habe er sich dafür eingesetzt, dass man die Menschlichkeit nicht aus den Augen verliere – in der Überzeugung, sich für ein gerechtes Ziel einzusetzen. „Ich möchte alle Kritiker daran erinnern“, mahnt er, „dass die Terroristen bereit sind, genau hier und jetzt eine Bombe detonieren zu lassen. […] Ich möchte euch und eure Kameraden vor sinnloser Gewalt beschützen, meine Töchter und alle Menschen auf der Erde.“ (Beifall)
Obamas Antwort wortwörtlich auf Englisch
„Well, one of the biggest challenges as President of the United States is: how do you protect your country and your citizens from the kinds of things that we just saw in Manchester, England, just a few days ago, or the things that we saw in Berlin or in Paris or in Nice, and how do you do it in a way that is consistent with your values and your ideals. Because if we degrade ourselves by thinking in the same savage ways with disregard for human life as those who we fight – then we’ve lost a piece of ourselves. And that’s not always easy because the nature of the battle of terrorist-ideologies and extremist-ideologies is not a State against a State. You have individuals who are living in communities. You have people operating in the shadows. And so what I tried to do throughout my Presidency is create a legal structure and architecture that would be consistent with our values, with law, with our principles and our humanity, but was also firm in defeating those who would kill innocent people. And in some cases I know for a fact that actions that I took might have resulted in civilian casualties, often times as a consequence of error. […] Those systems that were put in place resulted in very significant reductions in the kinds of tragic civilian casualties that we saw earlier on in this process. The one thing I would say for those who are concerned about this issue is, that when you look at drones versus other ways of fighting, it actually typically results in fewer human casualties and it actually tends to be more precise in targeting than the average launching of a Tomahawk missile. (Benedict Wichtelhuber nickt, obwohl das reine Behauptungen sind.) So the drones themselves are not per se the problem. The problem is war. (Klatschen, ohne sich zu fragen, wer diese Kriege denn angefangen hat.) Which is always tragic, always messy. […] What is dangerous about drones is because you can be removed from the theatre of war, leaders can become complacent and they can start thinking this is happening like a video game – as opposed to involving real people on the ground. […] And that means that – even we are justified (??) in taking this course, this is still something that we have to carry with us. I would caution people who are critics to remember though, that these are groups that would be willing to explode a bomb in this audience right now and we shouldn’t be too complacent in recognizing the need to fight against them. I want to protect you and your class-mates (Benedict nickt), my daughters and people around the world from senseless violence – and to do it in a way that wouldn’t encourage more violence over the long term.“ (großer Beifall)
Nachdem man Mühe hatte, den verschlungenen Sätzen mit höchst fragwürdigem Inhalt zu folgen, wird es jetzt bei Angela Merkel etwas volkstümlicher.
Angela Merkels Bekräftigung
„Wir stehen wirklich vor der Aufgabe, dass wir es mit Gegnern zu tun haben, die unsere ganze Art zu leben zerstören wollen. Und dass das, was im Kalten Krieg funktioniert hat, dass Abschreckung schlimm genug, aber im Grunde manchen Krieg verhindert hat, weil beide Seiten am Leben gehangen haben, das haben wir bei den terroristischen Gruppen nicht. Die sind bereit, ihr eigenes Leben zu opfern, um das Leben anderer Menschen zu zerstören, wie wir das jetzt in Manchester geseh’n haben – mit jungen Leuten, mit Familien, mit ganz normalen Menschen. Und was wir, auch wenn es neue Möglichkeiten gibt wie die Drohnen, trotzdem nicht vergessen dürfen: Krieg, militärische Auseinandersetzung muss immer das letzte Mittel sein. Alles andere muss vorher versucht werden. Und Krieg bleibt immer Krieg. (Beifall) Und ich glaub‘ die Gefahr, die Sie auch sehen, ist, wenn es plötzlich so anonymisiert wird, wird es dann vielleicht verantwortungslos genutzt. Und deshalb sind die Werte, die uns leiten – wie Barack Obama auch gesagt hat – natürlich umso wichtiger, dass nicht irgendjemand da was entscheiden kann. Weil’s ja keiner sieht vermeintlich, sondern dass noch einmal mehr aufgepasst werden muss. Und noch mal ’ne neue Institution eingezogen werden muss und diskutiert werden muss, ist das notwendig, ist das verantwortbar. Was kann ich – äh – wie kann ich das rechtfertigen. Und das ist, glaub‘ ich, ganz ganz wichtig – das heißt, egal wie die technische Möglichkeit ist, unsere Werte, nach denen wir auch schwierigste Entscheidungen treffen, um gegen andere Menschen vorzugehen militärisch, ist immer eine schwierige Entscheidung, die müssen uns weiter und vielleicht noch mehr leiten als früher.“ (Originalton!)
Relais-Station Ramstein
Der Aussteiger Brandon Bryant arbeitete sechs Jahre lang für das US-Militär als Drohnen-Pilot. Zum Abschied bekam er ein Zertifikat, in dem seine Erfolge aufgelistet sind: 6.000 Flugstunden, Hunderte geflogene Einsätze und 1.626 getötete Feinde. Das bleibt nicht in den Kleidern stecken.
Ob das im Einklang mit geltendem Recht geschehe – diese Frage wurde auf der Bundespressekonferenz vom 5.12.2016 von Journalisten gestellt und von Sawsan Chebli – zu der Zeit stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes – positiv beantwortet. Das anschließende unbeschreibliche Hin und Her über die Einzelheiten der Problematik der Rechtmäßigkeit muss man sich einmal auf dem Video ansehen, um einen Eindruck von der Schwammigkeit und Aggressivität der Antworten zu gewinnen. Die abschließende Aussage von Frau Chebli: „Die USA sagen, sie halten sich an die Völkerrechte, und das finden wir gut.“ – Journalist Tilo Jung: „Gibt es am Völkerrecht orientierte Regeln der USA? Kennen Sie diese Regeln, und welche sind das?“ – Antwort Chebli: „Die USA haben uns gesagt, dass sie sich bei ihrem Agieren an den von Ihnen angesprochenen Komplex, dass sie sich an das Völkerrecht halten. Das finden wir richtig und gut, und das nehmen wir genauso wahr. Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln.“
Auch auf der Veranstaltung des Kirchentags zweifelt niemand daran. Der Präsident a.D. antwortet auf seine Art auf die Frage des Studenten. Die Kanzlerin ist einverstanden. Ein Nachhaken ist nicht vorgesehen. Benedict nickt, das Publikum klatscht und johlt, und die Kirche segnet es ab. – Dann ist ja alles gut.