Tichys Einblick
Lisa Paus kann Pfusch

Kindergrundsicherung: Programm zur Schaffung von Bürokraten – ohne Zielerreichung

Die Kindergrundsicherung stößt nun selbst in den eigenen Reihen auf Kritik. Sie ist zugleich das wichtigste Projekt in der Amtszeit von Lisa Paus – und ein Bürokratiemonster. Das Sozialsystem, das jetzt schon kompliziert ist, würde noch komplizierter.

IMAGO / IPON

Lisa Paus, derzeit Familienministerin mit einem anscheinend größeren Herzen für ihre Gesinnungsförderung, als für die Förderung von Familien in Not und von Kindern in Armut, stellt in grandioser Weise unter Beweis, dass sie eine typisch grüne Politikerin von hohen Graden ist. Denn zu deren Kernkompetenzen zählen fachliche Inkompetenz, ideologische Verbohrtheit, wehleidige Reaktionen auf Kritik, die sofort als „rechtsextrem“ etikettiert und zur weiteren Behandlung Haldenwangs Regierungsschutz anempfohlen wird, und vor allem eine gehörige Portion Narzissmus. Um ihr fragwürdiges Gesetz zur Kindergrundsicherung durchzubekommen, hatte sie sogar zeitweilig ein anderes Gesetz blockiert.

Nun haben der Ministerin auch die Personalräte der Jobcenter bescheinigt, dass ihr Bürokratiemonster Unsummen verschlingt, die Situation für Familien und Kinder nicht verbessert, sondern teils verschlechtert und nur ein Programm zur Schaffung von Bürokraten ist. Allerdings gehen sie inzwischen mit ihrer Kritik das Risiko ein, unter Haldenwangs Beobachtungsbereich „Delegitimierung des Staates“ zu fallen. Bürokratieabbau bei Grünen bedeutet in Wahrheit, bürokratischer Ausbau des Staates unter Schaffung von immer mehr Kontrollen, die tief ins Privatleben hineinreichen, also dorthin, wo der Staat nichts zu suchen hat. Abgebaut werden einzig die Widerstandsrechte der Bürger gegen den immer übergriffiger werdenden Staat.

So schreiben jetzt diejenigen, die es wissen müssen und im Unterschied zur Ministerin auch wissen, die Personalräte der Jobcenter, in höchster Not an Olaf Scholz, dass der vorliegende Entwurf des Gesetzes zur Kindergrundsicherung „die hehren Ziele“ der Verbesserung der Situation armer Familien „jedoch auf absurdeste Weise“ konterkariere, denn – und jetzt kommen wir zur Abteilung Paus-Pfusch – die angestrebte Verwaltung der Sozialleistungen sei „in dieser Form schlicht realitätsfremd und nicht umsetzbar“. Sie fügen hinzu, dass Paus’ Bürokratiemonster „ausgerechnet für die bedürftigsten Bürger:innen verheerende soziale und finanzielle Folgen“ haben werde. Klingt das nicht schon ernst genug, kommen die Personalräte zu dem Schluss: „Der Sozialstaat wird langfristig irreparablen Schaden nehmen.“

Die Kritik fällt umso verheerender aus, weil sie von denjenigen, wie man auch am braven Gendern erkennen kann, kommt, deren politische Sympathien sich eher in rote und grüne Farben kleiden, und wenn in schwarz, dann nur, wenn das Schwarz bei näherem Betrachten sich als Dunkelgrün erweist, also Merkel-schwarz ist. Die Personalräte erklären sich sogar grundsätzlich einverstanden mit den Zielen der Kindergrundsicherung, die erstens Kinderarmut bekämpfen soll, dass zweitens Familien wesentlich einfacher Gelder bekommen. Das heißt: Sie sollen den Kinderzuschlag, der künftig Kinderzusatzbetrag heißen wird, nicht mehr beantragen und für den Antrag Bescheinigungen vorlegen müssen. Unterschiedliche Sozialleistungen sollen drittens in einer (neuen) Behörde gebündelt werden. Dass die Ziele bzw. die Blickrichtung zur Erreichung der Ziele fragwürdig bis falsch ist und übrigens auch einen der berühmten Pull-Faktoren für die Turbomigration in die deutschen Sozialsysteme darstellt, haben die Personalräte dabei nicht einmal im Blick.

Denn es kann nicht garantiert werden, dass das ausgezahlte Geld, besonders beim Kinderzusatzbetrag wirklich beim Kind bzw. den Belangen des Kindes ankommt und so seinen Zweck erfüllt. Der Gründer der Arche, Bernd Siggelkow, hat die Kindergrundsicherung „als Witz“ und das Bürgergeld als „Verbrechen an den Kindern bezeichnet“. Er legt den Finger auf die Wunde, wenn er sagt: „Meiner Meinung nach muss die Regierung subventionieren, anstatt zu alimentieren. Dabei geht es vor allem um die Arbeit der Eltern – diese müssen letztendlich bessere Chancen haben, auch, damit ihre Kinder sie als Vorbilder sehen.“ Übrigens funktioniert so auch das ungarische Sozialsystem, es geht von den Familien und der Förderung der Erwerbstätigkeit der Eltern aus.

Aus eigenen Erfahrungen kommt Siggelkow zu dem Schluss: „Ich finde es schwierig, wenn heute ein Teil der Leute einfach keine Lust hat, zu arbeiten, und dennoch Geld bezieht. Da rede ich nicht von denen, die nicht vermittelbar sind oder aus gesundheitlichen Gründen Bürgergeld erhalten, sondern von denen, die die Arbeit wirklich ablehnen, weil sie keinen Bock haben. Sie verlassen sich dann darauf, dass der Staat ihnen Geld schenkt. Sie bekommen die gleiche Erhöhung wie die alleinerziehende Mutter, die pro Jahr 30 Bewerbungen abschickt und Absagen erhält, weil sie Grundschulkinder hat und im Krankheitsfall zu Hause bleiben müsste.“ Siggelkow plädiert dafür, dass Bürgergeld direkt an den Arbeitgeber geht, damit er einer Mutter, die 30 Stunden arbeitet, eine 40-Stunden-Woche bezahlen kann. Siggelkow argumentiert mit der Praxis, mit dem Selbstwertgefühl der Eltern und ihrer Vorbildfunktion: „Wir wollen, dass ihr arbeiten geht, das gibt euch Perspektive und Würde.“

Über Einzelnes kann man sicher streiten, doch die Grundrichtung, die Siggelkow beschreibt, nämlich Arbeit zu subventionieren, anstatt Nicht-Arbeit zu alimentieren, ist richtig. Der Sinn von Paus’ Bürokratiemonster besteht im Gegenteil in der Hauptsache darin, Geld an Eltern zu verteilen, die nicht arbeiten, denen es schon zu viel Arbeit macht, auf dem Amt nach Unterstützung für ihre Kinder zu fragen, weshalb sie vom Amt angeschrieben und zur Annahme von Hilfen geradezu genötigt werden sollen. Apropos Entbürokratisierung: Zur Verwirklichung von Paus’ Spielwiese muss eine neue Behörde, Familiencenter genannt, mit 300 neuen Beratungsstellen geschaffen werden.

Der damalige Leiter der Familienkasse bei der Arbeitsagentur, Karsten Bunk, sagte im vorigen Jahr der WELT: „Die Bundesagentur für Arbeit verfügt über 600 Dienstgebäude in ganz Deutschland. Überall, wo wir da Platz finden, werden wir ein Familiencenter einrichten. Natürlich werden wir zu Beginn der Kindergrundsicherung mehr Personal brauchen als jetzt in der Familienkasse. Aktuell stehen wir bei knapp 5800 Mitarbeitenden. Für die Kindergrundsicherung könnten es anfangs zwischenzeitlich auch mal 7000 bis 8000 werden.“ Oder auch 9000? Allein dafür darf der Steuerzahler 500 Millionen Euro zahlen.

So viel zur Erreichung von Ziel zwei und drei, der verlässlichen Unterstützung, die nichts von den Empfängern der Kinderzusatzleistung verlangt und mithin dem Sozialbetrug Tor und Tür öffnet und zum Bürokratieabbau.

Obwohl die Kindergrundsicherung alles aus einer Hand liefern möchte, funktioniert das nicht, denn das deutsche Sozialsystem, das schon komplex genug ist, würde durch Paus’ Gesetz noch komplizierter: „Im Ergebnis müssen bürgergeldberechtigte Familien, die ihre Leistungen heute aus einer Hand im Jobcenter erhalten, diese künftig bei bis zu fünf verschiedenen Behörden realisieren (Familienservice, Wohngeldstelle, Agentur für Arbeit, Kommune und Jobcenter)“, schreiben die Personalräte. Außerdem würden Jugendliche aus armen Familien keine Berufsberatung bei den Jobcentern mehr in Anspruch nehmen können, obwohl die Jobcenter dafür die Kompetenz erworben haben: „Hier denken wir insbesondere an Schulabgänger*innen und auch Schulabbrecher*innen“.

Sie prognostizieren, dass „aufgrund der extremen Komplexitätssteigerung … künftig weniger (grund-)gesetzliche Leistungsansprüche tatsächlich realisiert werden“, heißt, es kommt auch für einige Empfänger zu „substanziellen und erheblichen Nachteilen“, so bei alleinerziehenden Müttern. Paus’ Behauptung, dass weniger als 5000 Stellen in der Familienkasse benötigt werden, kontern die Personalräte mit dem Argument, dass der Bedarf an Mitarbeitern zu gering veranschlagt werde, weil allein durch die Doppelzuständigkeiten keine Stellen eingespart, sondern nur zusätzliche Stellen geschaffen werden.

Dem Brief an den Bundeskanzler gingen bereits Schreiben an die Familienministerin Lisa Paus und den Sozialminister Hubertus Heil voraus, die aber ergebnislos blieben, so dass sich nun die Personalräte an den Bundeskanzler wandten. Doch wahrscheinlich hat Olaf Scholz in dem Moment, in dem man ihm den Brief auf den Tisch gelegt hat, schon vergessen, ihn überhaupt empfangen zu haben.

Sicher kann man nicht in Abrede stellen, dass sich hier auch eine mächtige Behörde gegen Veränderungen stellt, doch erstens sind die meisten Kritikpunkte substantiiert, und zweitens ändert die Tatsache, dass eine grundsätzliche Veränderung des Sozialsystems mit Blick auf Arbeit statt Alimentierung immer dringender wird, nichts daran, dass Paus’ Gesetz die schlechte Lage noch erheblich verschlimmert.

Anderes als Verschlimmbesserung, Gesinnungszwang, Deindustrialisierung, Steuergeldverschwendung in bald schon dreistelliger Milliarden-Dimension sind von der Ampel nicht zu erwarten, nicht von einer Regierung, die nach dem Muster verfährt, ich akzeptiere die Finanzierung deiner Spielwiese, wenn du die Finanzierung meiner mit abnickst.

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