Bei der Kultusministerkonferenz am 5. Januar wurde der letzte Beschluss vom Dezember 2021 insofern bekräftigt, als das Präsenzlernen „weiterhin absolute Priorität behalten soll“. Trotz der sich ausbreitenden Omikron-Variante sollen die Schulen laut KMK-Vorsitzender Karin Prien (CDU-Ministerin in Schleswig-Holstein) unbedingt offen bleiben, auch wenn „es im Einzelfall denkbar [ist], dass eine Schule ein Betretungsverbot ausspricht“. Diese Maßnahme soll jedoch erst ergriffen werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien – was genau das bedeuten wird, bleibt offen. Klar ist nur, dass sich die Prioritäten unserer Politik in den letzten anderthalb Jahren sehr schnell ändern konnten und von den Versprechen, sich für Kinder und Jugendliche, ihre Bedürfnisse und Wünsche, stark zu machen, mit steigenden Inzidenzwerten häufig nicht viel blieb. Dabei sind die Folgen von Schulschließungen und Lockdowns dramatisch. Wie dramatisch zeigte nun erneut eine Auswertung der Daten von 27 Kinder-Intensivstationen: Die Zahl der Kinder, die wegen eines Suizidversuchs auf der Intensivstation landeten, ist bis Ende des zweiten Lockdowns um 400 Prozent gestiegen.
Der erhebliche Anstieg zwischen dem ersten und zweiten Lockdown sei wohl dadurch begründet, dass sich letzterer „wie Kaugummi“ hingezogen habe. Obwohl die Maßnahmen lockerer waren, habe es viel weniger Zuversicht gegeben, „dass das alles endlich vorbei geht“. Vor allem Kinder, die schon unter depressiven Verstimmungen litten, könnten das Bedürfnis gehabt haben, irgendwie dort rauszukommen – der Suizidversuch ist demnach ein verzweifelter Hilfeschrei. Dohna-Schwake empfiehlt deshalb, gerade die Schulen offen zu halten, „solange das irgendwie geht“. Soziale Kontakte, insbesondere außerhalb sozialer Medien, wirken präventiv. Die Schule ist für Kinder und Jugendliche der Ort mit sozialen Kontakten – das Offenhalten der Schulen ist aus seiner Sicht also „das A und O“ der präventiven Maßnahmen.
Schon ohne Corona nehmen sich in Deutschland jährlich etwa 500 Kinder und Jugendliche das Leben – etwa zehn bis zwanzig Mal so viele unternehmen einen Suizidversuch. Weltweit stirbt alle elf Minuten ein junger Mensch durch Suizid, in Deutschland im Schnitt einer am Tag. Unsere Kultusminister täten also gut daran, ihr Wort zu halten und für offene Schulen einzustehen – und zwar unabhängig von Impfquoten, neuen Virusvarianten und saisonal schwankenden Inzidenzzahlen. Nur so kann (noch) Schlimmeres verhindert werden.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.