Tichys Einblick
Kinder, Kitas und Klassen - Teil 1

Kinderbetreuung in der Krise

Kitas leiden unter Personalmangel, Schulen unter Lehrerengpässen. Junge Familien kämpfen um bessere Zukunftsperspektiven für ihre Kinder. Statt zu handeln, reißt der Staat das letzte Stück Lebensqualität weg. Über die alltäglichen Missstände in der deutschen Familienpolitik.

IMAGO / Sven Simon

Ich bin mittlerweile über dreißig Jahre alt, noch keine vierzig. Das Land, in dem ich lebe, interessiert sich jedoch wenig für meine Generation – die Generation, auf die es eigentlich baut. Das ist bitter. Die Hoffnungen, die man als jüngerer Mensch hatte, sind mittlerweile verflogen. Es gibt kaum noch Ziele und Zukunftsperspektiven.

Die meisten Menschen in meinem Alter befinden sich beruflich in einem Weder-noch-Zustand. Jeder macht irgendetwas, aber weiß, dass das nicht von Dauer sein wird. Jeder will mehr verdienen oder bessere Arbeitsbedingungen, da kann man nur von Glück reden, wenn man eine gute Ausbildung oder ein Studium absolviert hat. – Denkt man.

Denn die traurige Realität ist, dass selbst Bildung und akademischer Erfolg keine Garantie mehr für eine vielversprechende Zukunft sind. Die Jobsuche gleicht einer düsteren Odyssee, bei der selbst hochqualifizierte Absolventen durch ein Labyrinth befristeter Verträge irren. Statt jetzt den Lohn für jahrelanges Lernen und harte Arbeit zu ernten, stoßen viele auf eine Mauer der Unsicherheit und scheinbar aussichtsloser Perspektiven.

In einer Zeit, in der Karrieren weniger durch feste Leitern als durch wackelige Gerüste gestützt sind, verbringen junge Eltern ihre Zeit damit, zwischen prekären Arbeitsverhältnissen und kurzfristigen Projekten zu jonglieren. Die ständige Angst vor Entlassung oder stagnierendem Gehalt hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen und bereitet ihnen schlaflose Nächte. Die Inflation tut ihr Übriges.

Die schwindelerregenden Mieten für kleine Wohnungen und die Kosten für Kinderbetreuung hinterlassen ebenfalls einen bitteren Geschmack. Diejenigen, die es wagen, eine Familie zu gründen, müssen einen Spagat zwischen beruflichen und elterlichen Pflichten machen. Die traurige Realität ist, dass selbst die besten Bildungschancen die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie nicht garantieren können. Wo bleibt da die erhoffte Sicherheit?

Die Versprechen, dass Bildung den Weg zu Wohlstand ebnen würde, sind verblasst und haben einer düsteren Erkenntnis Platz geschaffen: Unsere Gesellschaft hat es versäumt, die Erfüllung der Träume und Ambitionen der jungen Generation zu unterstützen. Während andere Länder innovative Wege beschreiten und junge Familien ermutigen, kämpfen wir in einem ständigen Kampf um die Anerkennung unserer Fähigkeiten und den Wunsch nach einem stabilen Lebensweg. Jobs, die man ohne Abitur und Studium machen kann, regen eher dazu an, Bürgergeld zu beantragen. Da muss man für Armut wenigstens nicht mehr arbeiten.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Kita-Personalmangels

Viele in meinem Alter, die ich kenne, haben Kinder. Die meisten davon gehen noch in den Kindergarten oder stehen kurz vor der Schulpflicht. Da fängt es auch schon an. Die Kindertagesstätten, die einst als Bildungsoase für die Kleinsten gedacht waren, sind zu einem Brennpunkt des Personalchaos geworden. Die meisten Kitas sind mittlerweile zu reinen Aufbewahrungsstätten verkommen, an denen man weder frühkindliche Bildung und Erziehung noch sonst etwas für das Kind erwarten darf, weil es einfach nicht genügend Personal gibt.

Der Artikel mit dem Titel „Kitas und Schulen sind immer öfter gezwungen, ihren Betrieb einzuschränken“ – das ist die traurige Realität, die sich längst aufs Private, aber insbesondere auch auf die Arbeitswelt auswirkt. Deutschlandweit zeichnet sich ein alarmierender Mangel an Lehrern und Erziehern ab. Ein Blick auf Niedersachsen und Thüringen zeigt, wie dringend Fachkräfte benötigt werden und inwieweit die fehlende Betreuung in Kitas berufliche Einschränkungen für Eltern bedeutet. Diese Last fällt oft auf Mütter.

Fast jede Woche und dann fast täglich bekommen Eltern morgens eine Mail oder einen Anruf von Kita-Leitungen, ob man sein Kind nicht zu Hause lassen oder wenigstens früher abholen könnte, weil wieder jemand fehlt oder gar nicht mehr kommt, und dies den Betrieb sehr unterstützen würde.

Ein erbarmungswürdiger Tanz am Abgrund der Kinderbetreuung

Das Versagen der politischen Entscheidungsträger hat die einstigen Visionen von Kitas als sicherer Hafen für Kinder und gleichzeitig als Entlastung für arbeitende Eltern in eine groteske Tragödie verwandelt. Anstelle einer liebevollen Umgebung, in der Kinder ihre ersten Schritte in die Welt der Bildung machen können, begegnen sie überforderten Erziehern und kläglichem Personalmangel. Die Eltern, die einst auf zuverlässige Betreuung gehofft hatten, werden unfreiwillig zu Akrobaten, die zwischen beruflichen Pflichten und der Kita-Misere balancieren müssen.

Halten Sie mich für naiv, aber mein Verständnis von Kita war andersherum. Ich dachte, dass eine Kita auch dafür eingerichtet wurde, um den familiären Betrieb zu Hause zu unterstützen, damit BEIDE Eltern arbeiten gehen können. Stattdessen sollen jetzt immer wieder Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen, damit der Kita-Betrieb läuft. Ich dachte, das wäre der Deal: Eltern zahlen dafür, dass ihre Kinder in der Kita betreut werden. Aber welches Elternteil gibt sein Kind gern an einem Ort ab, an dem 25 Kinder auf eine Erzieherin und – wenn sie Glück haben – eine Praktikantin kommen? Richtig: keines.

Eine abstruse Karikatur der Familienpolitik

Die utopische Vorstellung von einer Kita als Ort des Lernens und Wachsens ist zu einem düsteren Scherenspiel verkommen. Die dringend benötigte Unterstützung für berufstätige Eltern verwandelt sich in eine Kafkaeske Realität, in der die Last der fehlenden Betreuung auf die Schultern der Familien geladen wird. Und inmitten dieses absurden Spiels verlieren die Kinder ihre Chance auf frühkindliche Bildung und soziale Entwicklung.

Ein wichtiger Punkt, der zu all dem noch oben drauf kommt: Es handelt sich sehr oft um Einzelkinder, die ohne Geschwister aufwachsen. Während China längst seine einst erzwungene Ein-Kind-Politik hinter sich gelassen hat, zögern viele Familien in Deutschland von sich aus, ein weiteres Kind zu bekommen – doch dieser vermeintliche Wunsch nach nur einem Kind ist oft oberflächlich. Die finanziellen und emotionalen Belastungen lassen kaum Raum für Überlegungen, ein weiteres Kind zu bekommen.

Diese Ironie der vermeintlich freien Entscheidung im demokratischen Deutschland zeigt sich nicht nur in der Familienpolitik, sondern auch in anderen Machtstrukturen, wie sie etwa bei der Corona-Impfung zum Vorschein kamen. Offiziell wurde – bis auf einige Bereiche, wie etwa dem medizinischen – niemand zur Impfung gezwungen, dennoch schuf man ein strenges, diskriminierendes und angespanntes Umfeld für jene, die es nicht taten, das vielen faktisch die freie Entscheidung nahm, über ihren Körper selbst zu bestimmen.

Das ist eine verzerrte Form der demokratischen Selbstbestimmung, gerade im Bereich der vermeintlich familienfreundlichen Politik. Auffallend ist, wie solche Missstände von der Gesellschaft selbst mitgestaltet wurden. Letztlich drängt die dysfunktionale Politik die Menschen dazu, aufgrund der schwierigen Umstände oft nur die Option eines Kindes zu wählen.

Aber es gibt auch Eltern, die müssen solche Dinge nicht nur über das eigene Kind, sondern auch über sich ergehen lassen, weil in diesem Land ein Leben, in dem nur noch ein Elternteil arbeitet, nicht mehr möglich ist, ohne in Armut abzudriften.

Aus dem Versprechen, dass auch endlich Frauen und Mütter arbeiten gehen können, um unabhängig zu sein, ist nun dieser Zustand erwachsen: Mütter, die einst aus freien Stücken arbeiten wollten, dann irgendwann arbeiten mussten und jetzt nicht mal mehr ihr Kind selbst betreuen können, egal wie sehr sie es auch wollten, aufgrund noch mehr drohender finanzieller Not. Ein Hamsterrad, könnte man meinen, oder ein Pakt mit dem Teufel. Feminismus vom Feinsten.
Eines ist gewiss: Es ist ein Schlag ins Gesicht für jedes Elternteil, das Steuern zahlt. Und ein Armutszeugnis für die gesamte Familienpolitik in der Bundesrepublik.

Reiche Familien tangiert so etwas kaum. Die haben Zeit und Ressourcen und können getrost ihr Kind zu Hause betreuen (lassen). Denn Zeit ist der wahre Luxus. Wer Zeit hat, hat auch Geld – oder eben Bürgergeld. Seine Empfänger bekommen sogar die Kita bezahlt.

Ein Kind, das in die Kita gebracht werden muss, entlarvt im Grunde nur die Knechtschaft seiner Eltern, die es sich nicht leisten können, es zu Hause zu lassen. Denn es ist Luxus, sein Kind nicht abgeben zu müssen, es aber zu können. Dann beginnt das „Mother-Shaming“ auf einem ganz neuen hohen Niveau – vom Staat gemacht und übermittelt durch den überforderten Erzieher, der bei der Kindesübergabe bereits die Augen verdreht. Ein schlechtes Gefühl auf dem Weg zur Arbeit gibt’s gratis dazu.

Doch immer mehr Eltern entscheiden sich bewusst für ein Leben, in dem sie lieber jeden Cent umdrehen müssen, aber dafür die kostbare Kindheit ihrer Kinder aktiv miterleben und diese, so gut es geht, selbst begleiten. Sie jonglieren zwischen Tür und Angel mit kleinen Jobs, die man von zu Hause aus erledigen kann und die oft nur einen lächerlichen Lohn einbringen. Während sie den Haushalt schmeißen und das Kind bespaßen, offenbart sich die bittere Realität: Sei es, weil ohnehin keine Kita-Plätze verfügbar sind, oder aber, weil die vorhandenen Einrichtungen für Kinder eher eine Zumutung sind.

Da staunt man doch, wie die guten alten Rollenmuster und Geschlechter-Stereotype wieder auftauchen – es scheint, als hätten sie mehr Ausdauer als so manche Vielfalt-Agenda. Da wird einem nochmal bewusst, wie bei dieser wundersamen Zeitreise zurück ins traditionelle Rollenmuster die nostalgischen Geschlechter-Stereotype wieder mal applaudieren – der Feminismus, der da so voller Tatendrang war, hat sich wohl verirrt.

Solche Eltern jonglieren jetzt nicht nur mit einer, zwei oder drei Belastungen, nein, es ist ein regelrechter Zirkus mit mehrfacher Belastung. Ein kleiner Lichtblick? Tatsächlich wagen sich heutzutage auch mehr Väter in die Strapazenarena. Aber am Ende des Jonglieraktes bleibt dieses unangenehme Gefühl, dass man sogar gemeinsam seinem eigenen Sprössling nicht das bieten kann, was man sich so sehnlichst gewünscht hätte. Jetzt sind Väter und Mütter gleichberechtigt, aber gemeinsam im Sumpf der Perspektivlosigkeit.

Es ergibt langsam Sinn, weshalb die Regierung ihre vermeintlich feministische Politik inzwischen auf Transfrauen lenkt. Immerhin erzeugen diese keinen „Stress“ – also keine Kinder. Das weiß auch der Staat und schenkt ihnen nur zu gern ihre Illusionen in den Ausweisen, um auch die eigene Unfähigkeit hinter solchen Illusionen zu vertuschen. Eine Hand wäscht eben die andere. Ach, und übrigens, die Wunschzettel und Träume von Familien? Die liegen bei unserer Regierung irgendwo ganz unten – fast schon eine unterhaltsame Randnotiz in ihrer langen Liste der Prioritäten.

Verlorene Generation zwischen Windeln und Wirtschaft

Die bittere Wahrheit ist, dass Kitas, die einst als Unterstützung für berufstätige Eltern gedacht waren, zu einem Symbol der Vernachlässigung und politischen Kurzsichtigkeit geworden sind. Während andere Länder Vorreiter in der frühkindlichen Bildung sind, verweilen wir in einem unheilvollen Szenario, in dem die mangelnde Betreuung den Eltern die Freiheit raubt, sich auf ihre Karriere zu konzentrieren. Diejenigen, die innerhalb der Mauern dieser unterbesetzten Einrichtungen warten, sind nicht nur unsere Kinder, sondern auch das bedrückende Spiegelbild einer Gesellschaft, die es verpasst hat, ihre Versprechen zu erfüllen.

Lesen Sie im nächsten Teil über die Missstände im deutschen Schulsystem.

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