35 Jahre und schon Frührentner. Kevin Kühnert hat sich aus der Politik verabschiedet. An diesem Dienstag hielt er seine vorerst letzte Rede im Bundestag. Er hat eine rasante Karriere hinter sich: vom frechen Juso-Vorsitzenden mit den abgedreht linken Vorschlägen über den Talkshow-König bis hin zum Generalsekretär der Partei Willy Brandts. Und wieder zurück. Nachdem er Kanzler Olaf Scholz einmal zu oft kritisiert hatte, musste Kühnert zurücktreten – also weil er krank ist, offiziell.
Nun lässt ihn die SPD in der letzten Debatte des Bundestages noch einmal sprechen. Nicht als Erstes – da kommt Scholz. Auch nicht als Zweites – da ist Lars Klingbeil dran, der an Kühnert in der Parteihierarchie locker vorbeigezogen ist. Kühnert muss warten – bis zum Schluss. Zu der Zeit, als schon die vielen Fraktionslosen des Bundestages dran sind.
Noch vor Kühnert ist Parteifreundin Lina Seitzl an der Reihe. Und Axel Schäfer. Der saß über 20 Jahre im Bundestag. Damit jemand das merkt, legte sich Schäfer ein Erkennungszeichen zu: einen roten Schal. Rot, weil er bei der SPD ist und deren Farbe ja Rot ist. Verstanden? Riesengag. Schäfers Rede zeigte noch einmal, dass er eine kaum zu schließende Lücke hinterlässt. Es sei denn, jemand anderes kauft sich einen roten Schal. Dann wäre die Lücke natürlich perfekt geschlossen.
Apropos geschlossen. Kühnert muss warten. Zwischendrin muss er sich von Scholz kameratauglich privat verabschieden lassen. Der Kanzler schüttelt die Hand des geschassten Junggenerals und klopft ihm demonstrativ auf die Schulter. Ja, wenn man vorzeitig aufgibt, muss man hässliche Bilder über sich ergehen lassen, bis man seine Gnadenrede erhält. Vorher spricht noch der fraktionslose Stefan Seidler.
Oder Robert Farle. Die anderen lachen schon, wenn dieser Fraktionslose ans Mikrofon geht. Kühnert muss ihn geduldig abwarten. Farle spricht darüber, wie Markus Söder Friedrich Merz „ans Bein pinkelt“. Der Kontext ist ein bisschen schwer zu verstehen. Kühnert kann es versuchen – er muss ja warten. Kevin Kühnert geht in die Geschichte ein – als der Mann, der nach Robert Farle redete.
Jetzt ist es so weit: Kühnert möchte über „die Verantwortung vor der Geschichte“ reden. Die sei dem 35-Jährigen in seiner langen Karriere am wichtigsten gewesen. Wie praktisch, dass er nun selbst in genau diese eingeht. Kühnert möchte über Michel Friedman sprechen. Leider nicht über dessen Party-Geschichte. Das wäre vielleicht noch unterhaltsam geworden. Nein. Wie Friedman ist Kühnert gegen das „Zustrombegrenzungsgesetz“ der Union. Badauz. Das hätte ja jetzt niemand gedacht. Da hat es sich doch gelohnt, noch einmal Robert Farle zuzuhören, bevor die Reihe an Kevin Kühnert war. Bliebe noch, dem 35-Jährigen die historischen Worte mit auf den Weg zu geben: Tschö mit Ö.