Tichys Einblick
Die große Stagnation

Kenia-Koalition: Merkels Mehltau ist zurück

Friedrich Merz hat zugelassen, dass Deutschland de facto bereits von einer Kenia-Koalition regiert wird. Kenia, das bedeutet Stagnation: von Diskurs, Wirtschaft und Parlament. In der Krise wollen die Parteien einfach weitermachen wie bisher. Aus Merz wird Merzel.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Deutschland wird bereits von einer schwarz-rot-grünen Regierung geleitet. Symbol dessen war die Aussetzung der Sitzungswoche im Bundestag, die eigentlich in diesen Tagen stattfinden sollte. Die Kenia-Parteien hatten sich darauf geeinigt. Kenia, das ist ein Ausdruck für Stagnation: Stagnation des Parlamentes, Stagnation der Wirtschaft, Stagnation des Landes.

Die Republik kennt diesen Zustand, den Union, SPD und Grüne herbeigeführt haben. Er hat über 12 Jahre der sechzehnjährigen Kanzlerschaft Angela Merkels angehalten, in denen es offiziell eine Koalition aus CDU/CSU und SPD gab, die Politik aber nach grünem Rezept stattfand. Ob Fukushima, Ehe für alle, unkontrollierte Einwanderung: Der Füller, mit dem Merkel ihre Unterschrift setzte, enthielt grüne Tinte.

Der Anti-Musk
Merz kann es nicht
Friedrich Merz hat bereits vor seiner erhofften Kanzlerschaft die Weichen für die Rückkehr des Merkel’schen Mehltaus gesetzt. Indem er sich der parlamentarischen Arbeit verweigert, wenn Gesetze durch „Zufallsmehrheiten“ zustande kommen, kettet er sich an die linken Parteien. Selbst wenn die FDP in drei Monaten wiederaufersteht und den Stein vor der 5-Prozent-Höhle wegrollt, wird sie kaum imstande sein, als Mehrheitsbeschaffer für Schwarz-Gelb zu dienen. Im besten Falle plant Merz Urlaub auf Jamaika statt eine Kenia-Safari.

Robert Habeck und Annalena Baerbock bleiben damit auf jeden Fall erhalten. An der Energiepolitik wird so wenig gerüttelt wie an der Verkehrswende. Die Bauern dürfen mit weiteren Regulierungen stranguliert werden. Heizgesetz wie Selbstbestimmungsgesetz werden zementiert. Für Schwarz-Grün allein dürfte es nicht reichen, aber schon in der letzten Dreierkoalition hat der Kanzler sich eher als Helfer der grünen Ideologie verstanden, statt sich dagegen zu stemmen. Einzig in der Außenpolitik gab es Widerstand, weil Außenpolitik Sache des Kanzleramtes ist.

Die Ermüdung tritt damit vor der Wahl ein. Nicht nur der parlamentarische Diskurs stagniert. Wer will noch wählen bei der gegenwärtigen politischen Auswahl? Wer arbeiten beim Bürgergeld und seinem Missbrauch? Wer wagt es, Widerwort zu geben, wenn bei einem geteilten Schwachkopf-Meme oder einem Falschzitat der Außenministerin die Polizei auf der Türschwelle steht? Offenbar ist neben der Stagnation die Depression das Ziel.

Aus dem CDU-Lager klingt die Rede: Wenn man mit der AfD zusammenstimme, dann sei das genau das, was die Linken wollten, um einen mit dem Nasenring durch die Manege zu ziehen. Dass die Linken genau das seit Jahren tun und auch neuerlich tun werden, scheint bei den Christdemokraten noch niemandem aufgefallen zu sein. Wer keine eigenen Mehrheiten aufbringen kann, ist von den Linken abhängig. Überdies stimmen im EU-Parlament bereits AfD und Union in einigen Abstimmungen miteinander ab, ohne dass der CDU der Himmel auf den Kopf gefallen wäre.

Stattdessen macht die Union der AfD das größte anzunehmende Geschenk: Indem sie dieselbe Alternativlosigkeit wie unter Merkel zelebriert, werden das BSW auf der Linken und die AfD auf der Rechten von vielen Bundesbürgern bei der übernächsten Wahl als einzige Parteien wahrgenommen, die in Berlin möglicherweise andere Rezepte ausprobieren wollen. Die AfD wird nicht schwächer werden, wenn der Wirtschaftsminister Habeck, die Außenministerin Baerbock, die Familienministerin Paus und der zukünftige Verkehrsminister womöglich Hofreiter heißen.

Taktik statt Politik
Friedrich Merz: die menschgewordene Staatskrise
Das sind die Bilder aus dem aktuellen Deutschland. Man hat sich darauf geeinigt, dass sich nichts ändern soll, und wenn, dann lediglich in eine bestimmte politische Richtung, die das Land seit bald 20 Jahren einschlägt. Alternativlosigkeit, Politik auf Schienen, Absprachen und Trippelschritte, während immer mehr Diversität und mehr Demokratie versprochen werden, indes Meinungsvielfalt zur neuen Bedrohung stilisiert wird.

Schlüsselfigur ist Friedrich Merz, der angebliche Opponent Angela Merkels, der aber ihr bewährtes Konzept der asymmetrischen Demobilisierung verfolgt. Die Union glaubt offenbar, im Schlafwagen zur Macht fahren zu können. Manch einer ist aber schon im Schlafwagen eingeschlafen und auf dem Abstellgleis aufgewacht.

Denn es gibt schlichtweg keinen Grund, eine CDU zu wählen, die all die Themen boykottiert, mit denen sie noch vor ein paar Wochen kokettiert hat, wenn sie befürchtet, dafür eine Mehrheit zu erlangen. Sie will regieren, weiß aber nicht wieso: Macht aus reinem Selbstzweck war aber auch schon das prägende Element der Merkeljahre. Drei Jahre Opposition sind genug für die Union gewesen, um wieder 30 Prozent zu erreichen, aber zu wenig, um sich tatsächlich anders auszurichten oder gar neu zu erfinden.

Bereits vor seiner erträumten Kanzlerschaft regt sich beim Michel daher der Slogan: Merzel muss weg.

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