Tichys Einblick
Befinden wir uns in einem Krieg?

Kein Krieg ohne gesicherte Grenzen

Absage Fußball-Länderspiel 2015: Dieser Artikel ist mehr als ein Jahr alt. Er erschien damals auf der Achse des Guten. Ich verzichte angesichts der Ereignisse von Berlin bewusst darauf, ihn zu aktualisieren.

Snapshot ARD

Als beklemmend empfand ich am Abend des 17.11.2015 die Situation in Hannover. Im Publikum einer Podiumsdiskussion zur Energiewende sprach sich zunächst die Nachricht herum, das Fußballspiel Deutschland-Niederlande wäre abgesagt. In den folgenden Minuten wurden die Fenster durch Blaulicht erhellt, während Einsatzfahrzeuge in großer Zahl am Hotel vorbeirauschten. Wenig später griff der Veranstalter zum Mikrofon, um uns darüber zu informieren, die Polizei hätte eine Bombenwarnung für die gesamte Innenstadt ausgesprochen. Ich verließ den Saal kurz darauf. Nicht aus Angst. Sondern um meinen Zug noch zu erwischen. Der kurze Weg zum Hauptbahnhof bescherte mir den Anblick vieler schwerbewaffneter Polizisten. Ich fuhr gerade noch rechtzeitig. Wenige Minuten später brachte ein verdächtiges Gepäckstück den Bahnverkehr zum Erliegen.

Befinden wir uns in einem Krieg?

Panzer, Kampfflugzeuge und Schlachtschiffe prägen unser Bild militärischer Konflikte. Das Fehlen solcher Verbände sollte aber nicht täuschen. Welche Waffen in einem Krieg eingesetzt werden, vom Messer eines Assassinen bis hin zum Flugzeugträger einer hochtechnisierten Nation, unterliegt den jeweiligen Rahmenbedingungen. Hochgerüstete Truppen, die in einer konzertierten Aktion zur Gewinnung von Territorien über die Grenzen eindringen, sind nur eine von vielen denkbaren Ausprägungen.

Die grundlegende Definition eines Krieges beinhaltet Motivation und Methode. Erstere besteht darin, einem Feind seinen Willen aufzuzwingen. Letztere bedeutet die Ausübung  von Gewalt zur Durchsetzung dieses Zieles. Beide Aspekte sind in den Aktionen des IS zu erkennen. Seine Absicht besteht in der Etablierung einer Lebensweise überall auf der Welt, die sich an einer aus dem Islam abgeleiteten totalitären Ideologie orientiert. Und er setzt dazu nach seiner Auffassung zielführende Formen von Gewalt gemäß seiner Möglichkeiten ein.

Befinden wir uns also in einem Krieg? Die Antwort auf diese Frage haben sowohl der französische, als auch der deutsche Präsident korrekt formuliert. Es ist Krieg, weil er uns erklärt wurde. Am vergangenen Freitag in Paris. Diese Tatsache kann nicht geleugnet werden. Ob wir das nun wollen oder gar gutheißen, ist unerheblich.

Neben Angst taugen auch Mitgefühl und Trauer in einer solchen Situation nicht als Ratgeber. Eine sicher notwendige Phase der Besinnung sollte rasch der nüchternen Bestandsaufnahme weichen. Es gilt, eine Strategie zu formulieren um aus dieser taktische Maßnahmen ableiten zu können.

Gegenwärtig sind wir in der Defensive. Wir werden auf unserem eigenen Territorium angegriffen und haben bislang keine Möglichkeit gefunden, den Feind von diesem fernzuhalten. Unser erstes Ziel kann daher nur lauten, diesen Zustand zu beenden. Die Anschläge in Paris verdeutlichen die dazu geeignete Option. Es gilt, dem Feind die Ressourcen zu nehmen, die er hier vor Ort vorfindet. Parallel ist er daran zu hindern, solche neu aufzubauen.

Frankreich wurde nicht nur wegen seiner Beteiligung an Luftschlägen gegen den IS das erste europäische Opfer. Paris eignete sich für die Attacken nicht nur als Symbol einer lebensbejahenden Gesellschaft. Es bot auch die geeignete Plattform zur Rekrutierung von Kämpfern und zu deren logistischer Unterstützung. Waffen und Geld, Autos, Wohnungen und Kommunikationsinfrastruktur, all dies wurde ja nicht von außen in das Land hineingeschmuggelt. Sondern durch eine nicht integrierte Parallelgesellschaft vor Ort bereitgestellt, die sich in nahezu perfekter Tarnung in einer großen und noch dazu französischsprachigen arabischen Gemeinde versteckt entwickeln konnte. Das Vorgehen der Behörden gegen salafistische und andere radikale islamistische Zellen ist daher geeignet, dem Feind die Grundlage für weitere Operationen zu entziehen. Wenn es mit aller Konsequenz durchgeführt wird. Hierzu zählen auch die Überwachung und gegebenenfalls Inhaftierung von Söldnern, die nach einem Engagement für den IS aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens zurückkehren. Man kann solche Personen in letzter Konsequenz sogar ausbürgern und an der Grenze abweisen. Zusätzlich ist die Zuwanderung von Menschen insbesondere aus arabischen beziehungsweise muslimisch geprägten Ländern strikt zu regulieren und zu kontrollieren. Denn wenn man sich schon die Mühe macht, die Rückzugs- und Versorgungsstrukturen für Terroristen im eigenen Land zu schleifen, hat man deren Wiedererstehung auch für die Zukunft auszuschließen.

In Deutschland stehen dem IS keine Infrastrukturen in mit Frankreich vergleichbarer Größenordnung und vergleichbarer Schlagkraft zu Verfügung. Noch nicht, sollte man angesichts des derzeitigen, unkontrollierten Zustroms von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten anmerken. Es sind schließlich nicht nur Heilige, die da zu uns kommen.

Viele Flüchtlinge haben vielleicht gar kein Interesse daran, in kultureller Hinsicht Deutsche oder Europäer zu werden. Sie suchen materielle Sicherheit bei gleichzeitiger Bewahrung von Traditionen und Lebensweisen ihrer Heimat, die wir als inakzeptabel betrachten. Andere werden möglicherweise erst durch die Zumutung radikalisiert, die ihnen unsere Gesellschaft in der Verzahnung von Freiheit mit Eigenverantwortung auferlegt. Beide Gruppen bieten dem IS ein Reservoir, aus dem er in den kommenden Jahren auch bei uns Kämpfer, Unterstützer und Mitläufer schöpfen kann. Hinzu tritt die für den Angriff auf Paris offensichtlich genutzte Möglichkeit, ohne großen Aufwand ausgebildete Soldaten und Selbstmordattentäter über offene Grenzen in ein Land einzuschleusen.

Die Grenzen zu schließen, um Einreisen wieder kontrollieren und regulieren zu können, hat daher die erste Maßnahme in diesem Krieg zu sein. Hierzulande aber wird die sogenannte „Willkommenskultur“ der Verteidigung gegen einen aggressiven und skrupellosen Feind vorgezogen.

Dabei bedeutet das Schließen der Grenzen nicht eine Abschottung und das Ende der Aufnahme von Flüchtlingen. Es beinhaltet lediglich den Aufbau eines Regimes intensiver Überprüfungen und umfassender Registrierungen. Es beinhaltet auch das Zurückweisen von Menschen, die mit erkennbar böswilligen Absichten zu uns kommen. Es beinhaltet zusätzlich die Möglichkeit, frühzeitig Verdachtsmomente gegen potentielle Sympathisanten und Unterstützer des IS zu definieren, um diese dann bei ihren Bewegungen und Handlungen in Deutschland gezielter verfolgen zu können.

WENN DIE POLITIK NICHT REAGIERT, REAGIEREN DIE WÄHLER
Das verwirrte Land
Manche schwadronieren, die Grenze zwischen Deutschland und Österreich sei zu lang für eine wirksame Kontrolle. Wer dies behauptet, belegt nur einen Mangel an militärischer Kompetenz. Es handelt sich hier um eine historisch gewachsene Grenze, die geographischen Trennlinien wie Gebirgen und Flüssen folgt. Flüchtlinge verfügen in aller Regel weder über die Ausrüstung und Kleidung für einen langen Aufenthalt im Gelände noch über ausreichend Verpflegung. Sie werden sich daher an den vorhandenen Infrastrukturen wie Straßen, Brücken und Bahnlinien orientieren, um schnell und bequem vorwärts zu kommen. Wirklich gegen illegale Übertritte abzusichern wären daher nur wenige Kilometer um die bestehenden Übergänge herum. Dies gelingt auch ohne Zaun mit regelmäßigen Polizeistreifen und einer Luftüberwachung. Die meisten an dieser grünen Grenze aufgegriffenen Flüchtlinge werden sich einer freundlichen aber bestimmte Wegweisung zu den eigentlichen Registrierungs- und Aufnahmestellen ohne weiteres unterwerfen, denn dort warten Wärme, Nahrung und Auskünfte über das weitere Vorgehen. Wer dagegen gezielt das mit geringerer Frequenz zu überwachende unwegsame Gelände für einen illegalen Übertritt nach Deutschland nutzt, dem wäre tatsächlich zu mißtrauen.

Man stelle sich einen Passagier vor, der die Sicherheitskontrolle am Flughafen zu umgehen versucht. Selbst die wohlmeinendsten Zeitgenossen würden diesen eher nicht gerne als Mitreisenden an Bord begrüßen wollen.

Natürlich kann auch eine geschlossene und überwachte Grenze das Risiko nicht vollkommen ausschließen. Es wird dem IS weiterhin möglich sein, Anhänger und Attentäter durch die Kontrollen zu schleusen. Aber es ist schwieriger, es verlangt exzellent gefälschte Papiere und ein deutlich höheres Maß an Vorbereitung.

Das ist das Wesen jeder defensiven Kriegstaktik: Wenn der Feind die Initiative besitzt, kann man ihm nicht verwehren, diese auch zu nutzen. Man kann aber eine Situation schaffen, in der es ihm leicht fällt, Fehler zu begehen. Genau dies ist die Idee hinter der Schließung der Grenzen in Verbindung mit einer Kontrolle und Regulierung der Flüchtlingsströme. Es wäre zwar nur eine erste Maßnahme, der noch viele weitere zu folgen hätten. Aber es wäre die notwendige Basis für alle anderen möglichen Handlungsoptionen. Von denen keine, ob verstärkter Schutz kritischer Infrastrukturen, ob Zerschlagung islamistischer Netzwerke auf unserem Gebiet, ob der letztendliche Übergang in die militärische und politische Offensive, irgendeinen Nutzen zeigen wird, wenn man nicht zunächst die Fähigkeit des Feindes zu Attacken auf unserem Territorium massiv reduziert. Ein Krieg mit offenen Grenzen ist nicht erfolgreich führbar.

Auch die Flüchtlinge wollen nicht in ein Land kommen, in dem der IS schon auf sie wartet und munter weiter wahllos mordet. Sicherheit ist nicht nur für die einheimische Bevölkerung zu gewährleisten, sondern auch für die zuwandernde. Eine Regierung, die glaubt, diese nicht bieten zu können oder zu dürfen, verwendet den Begriff der Willkommenskultur nur mehr als inhaltsleere Phrase.

Man kann natürlich, und das scheint im Moment der Weg der großen Koalition in Berlin zu sein, trotz der Worte des Bundespräsidenten die an uns erfolgte Kriegserklärung einfach ignorieren. Dann wären auch keine entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Basta. Die Grenzen bleiben einfach offen und unkontrolliert. Basta. Das Wachstum islamistischer Parallelgesellschaften hierzulande wird hingenommen. Basta. Die Wahrscheinlichkeit für größere Anschläge mit entsprechenden Opferzahlen sinkt nicht, was wir als unvermeidlich akzeptieren. Basta?

Als beklemmend empfand ich am Abend des 17.11.2015 die Situation in Hannover. Denn diese hat mir verdeutlicht: Auch mir wurde der Krieg erklärt. Einer Regierung ohne den Willen, ihre Bürger mit allen möglichen und notwendigen Maßnahmen in diesem Konflikt zu schützen, entziehe ich mein Vertrauen.

Der Text erschien 2015 auf der Achse des Guten.

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