Tichys Einblick
Sankt Martin

Kein „Brückenbauer“, sondern Christuszeuge

Ein Vorfall im rheinischen Rheidt wirft die Frage auf: Ist „Sankt Martin“ noch ein christliches Fest – oder eine Projektionsfläche für multireligiösen Zusammenhalt?

Eine Muslimin stößt Sankt Martin vom Ross. Das wäre eine verkürzte Version des Vorfalls, der einen Sankt-Martin-Darsteller im rheinischen Rheidt seiner Stelle beraubt hat. Denn nicht die Frau, die sich von der „Aggressivität“ des Mannes zurückgesetzt fühlte, als dieser darauf hingewiesen haben soll, dass dies ein „christliches Fest“ sei, hat den Fall publik gemacht – sondern eine Verwandte. Von Facebook zog die Empörung über den örtlichen Kinderschutzbund und Brauchtumsverein bis in den Stadtrat. „Wir sind froh, dass Menschen aller Religionen und Länder an unseren Veranstaltungen teilnehmen“, heißt es. Der Darsteller darf nie wieder in seiner Rolle auftreten. Die Beteiligten überschlugen sich mit Entschuldigungen.

Die Kettenreaktion wirft ein Licht darauf, dass die Verwerfungen tiefer gehen. Der Martinstag ist zum Schlachtfeld eines Kulturkampfes geworden, der diesen zum Kinder- und Laternenfest umwidmen will. Im Mittelpunkt soll das Miteinander von Kulturen und Religionen stehen. Der solidarische Mantelteiler von Tours als Integrationsfigur, auf die sich alle einigen können – das ist nicht etwa der Traum von gläubigen Muslimen, sondern vielmehr jener von säkularen Europäern, die es allen recht machen wollen. Die Verklärung des Heiligen Martin als „netter Mann“, dessen größte Leistung in der sozialen Praxis besteht, verläuft dabei in diesen aufgeklärten Kreisen nicht ohne Hintersinn. Denn die Mantelszene wird bewusst von der nachfolgenden Christusszene getrennt. Sie könnte im Nachhinein verstören.

Martin ist ein vehementer Verfechter des Christentums

Martin ist eben nicht nur ein pannonischer Soldat, sondern auch ein vehementer Verfechter des Christentums. Die Bronzetafeln des Münsters in Bonn – das Oberzentrum von Rheidt – illustrieren seinen Konflikt mit den arianischen Christen in Mailand. Martin, der wie sein Lehrermeister Hilarius den Glauben an die Dreifaltigkeit verteidigt, wird von rutenschlagenden Arianern vertrieben. Für die Arianer ist Christus kein wahrer Gott, weil dies dem Monotheismus widersprechen muss. Dass Gott einer, und nicht etwa drei sei, ist übrigens eine Aussage, die sich auch im Koran findet. Und dass Martin als Bischof von Tours heidnische Kultstätten zerstört, um dort Kirchen und Klöster zu bauen, dürfte in Zeiten von Synoden, die lieber die Authentizität von paganen Kulturen bewahren als die Missionierung vorantreiben wollen, nicht minder befremden.

Kantig und konträr, zutiefst auf das Ideal Christi bezogen

Der Heilige Martin ist keine Gestalt, die als „Brückenbauer“ taugt. Sie ist kantig und konträr, zutiefst auf das Ideal Christi bezogen. Als Mitbegründer des lateinischen Mönchtums, als erster Bekenner unter den Heiligen und als Patron des Frankenreiches steht Martin für die Identität des Abendlandes. Sein Mantel (cappa) hat der Kapelle erst ihren Namen verliehen. Diese Identität zugunsten eines multikulturellen Miteinanders mag auf den ersten Blick als honoriger Versuch der Völkerverständigung erscheinen. In Wirklichkeit liegt ihr ein zutiefst anti-christlicher Impuls zugrunde, der aus vermeintlich „christlichen“ Gründen das Aussprechen der Wahrheit verbietet.

In der Tat: Taktvoll war das Verhalten des Sankt-Martin-Darstellers in Rheidt nicht. Völlig Unrecht hat er jedoch nicht. Wer Sankt Martin sagt, muss auch Christus sagen. Denn wer den Bischof von Tours in säkulare Zuckerwatte presst, erwürgt ihn.


Der Beitrag von Marco Gallina ist zuerst in Die Tagespost erschienen.

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