„Stillstand: Warum sich der organisierte Islam in Deutschland so schwertut“ lautet das aktuelle Thema im Rahmen der Sendung „Hintergrund“ im Deutschlandfunk, die ich zufällig einschalte, als ich auf dem Rückweg von Frankfurt nach Hause bin. Statt Sorge im Angesicht des islamistischen Terrors, der mit dem Anschlag von London am vergangenen Mittwoch wieder einmal gefährlich nahekam, Sorge um Muslime, die hierzulande ins Rentenalter eintreten. Denn auch in Bezug auf die Pflege, Seelsorge und andere Leistungen von Wohlfahrtsverbänden beanspruchen Muslime hierzulande einen Sonderweg, der bis dato jedoch daran scheitert, dass muslimische Verbände und Staat unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wer für den Aufbau und die Finanzierung der muslimischen Wohlfahrt in Deutschland zuständig sei. Selbst Volker Beck von den Grünen betont in einem kurzen Einspieler, dass Wohlfahrt von unten aus der Zivilgesellschaft entstehen muss und nicht von oben durch den Staat eingesetzt gehört. Ein Plädoyer für weniger staatliche Einmischung und das ausgerechnet von den Grünen. Das erlebt man wohl nur, wenn es um den Islam und seine Anhänger geht.
Aber mich stört an diesem Abend weniger, dass ich mit Volker Beck in Staatsfragen tatsächlich einmal einer Meinung bin. Vielmehr stört es mich, dass auch dieses Thema wieder einmal verdeutlicht, dass wir bezüglich der hier lebenden Muslime anscheinend nur noch die Wahl zwischen dem Entgegenkommen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und des deutschen Staates und noch mehr Segregation von Seiten der Muslime und damit Nährboden für den fundamentalistischen Islam andererseits haben. Dabei führt auch unser Entgegenkommen letztlich nicht zu mehr Miteinander. Was anhand der Diskussion um die muslimische Wohlfahrt, genau wie an so vielen anderen, deutlich wird, ist vielmehr, dass es inzwischen gar nicht mehr um das Gemeinsame geht und dass man, auch wenn man es so natürlich nicht sagt, das Nebeneinanderher, die muslimische Parallelgesellschaft, die nie eins mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft sein wird, längst akzeptiert hat. Nein, es geht nicht darum, die verschiedenen Teile der Gesellschaft besser zusammenwachsen zu lassen, auch wenn einer der Experten sich tatsächlich in der Sendung vorstellen könnte, dass Pflegeheime in muslimischer Trägerschaft irgendwann einmal für alle offenstehen könnten. Nein, es geht schlicht nur noch darum, die Parallelstrukturen, die gescheiterte Assimilation und Integration wenigstens zu institutionalisieren, um sich so zumindest einen Hauch von Kontrolle über die muslimische Teilgesellschaft einreden zu können. Am Ende zieht daher auch der Deutschlandfunk ein gemischtes Fazit: Die Etablierung des Islams in Deutschland stocke, aber mit einem langem Atem sei auch das schließlich irgendwann zu schaffen.
Vielleicht liegt jedoch genau da der Hase im Pfeffer. Denn auch wenn ich gewillt bin, zu verstehen, dass man auch und vor allem im Sinne einer stärkeren Kontrolle und dem Versuch, Muslime stärker in die deutsche Gesellschaft einzubinden, die Institutionalisierung des Islams in Deutschland forciert, habe ich mit dem Bestreben der Etablierung des Islams in Deutschland große Probleme, was mich unweigerlich zu der Frage führt: Was ist eigentlich mit denen, die die islamische Kultur hier gar nicht (oder wenigstens nicht ausgeprägter als jetzt) haben wollen? Was macht man mit den Deutschen, deren Toleranz gegenüber islamischen Gepflogenheiten langsam am Ende ist? Die nicht noch mehr Zuwanderer, nicht noch mehr Unsicherheit und endlose Diskussionen über religiöse Symbole und damit verbundene Sonderregelungen für Muslime führen wollen? Die finden, dass der Islam nicht zu Deutschland gehören sollte, weil er die Diktatur und nicht die Demokratie in sich trägt? Gibt es überhaupt noch einen Ausweg, eine Alternative zur Etablierung des Islams in Deutschland oder ist er ähnlich wie die Zuwanderer „nun einmal da“, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als zu akzeptieren?
Die erschütternde Wahrheit ist, dass wir nie eine Wahl hatten. Dass wir nie gefragt wurden, ob wir den Islam und seine Anhänger (in diesen Zahlen) in unserem Land haben möchten und dass man den voranschreitenden Ausbau der eigenen kulturellen und religiösen Strukturen dieser Menschen zur Alternativlosigkeit gegenüber der Restbevölkerung erklärt hat. Keines der 57 Länder, die weltweit als islamisch gelten, verfügt über eine Demokratie im westlichen Sinne. Indonesien, was stets als glorreiches Beispiel für ein friedliches, demokratisches islamisches Land angeführt wurde, gilt heute als eines der Beispiele, wie sich der Islam die Schwäche der Demokratie ihm gegenüber zu Eigen macht. Auch hier ist der konservative Islam, wie überall auf der Welt, auf dem Vormarsch. Der Global Peace Index stellt darüber hinaus wenig überraschend fest: Dort wo Sozialismus und Islam herrschen, herrscht auch Unfriede. Dennoch will die Mehrheit der Deutschen augenscheinlich immer noch daran glauben, dass es hier mit dem Islam anders laufen wird. Dass man ihn und seine Anhänger demokratisieren kann, wie man auch schon die Herkunftsländer dieser Zuwanderer und die türkischen Jugendlichen, die hier geboren und aufgewachsen sind, „erfolgreich“ demokratisiert hat. So erfolgreich im Übrigen, dass sie heute zumeist wie Ali Ertan Toprak neulich bei Lanz feststellte, noch konservativer sind als ihre Eltern- und Großelterngeneration. Weil man nicht einsehen will, dass Demokratie und der ihr zugrundeliegende unbedingte Wille nach Freiheit von innen heraus aus den Menschen selbst kommen muss und dass dieser Wille wiederum untrennbar verbunden mit der Emanzipation von der fundamentalistischen Auslegung der eigenen Religion ist.
Wie groß der Unwille hier und auch in anderen europäischen Ländern ist, der Realität diesbezüglich ins Auge zu blicken, zeigten eindrucksvoll auch die letzten Terroranschläge. Berlin war dabei für mich so etwas wie ein Turning Point. Die Einsicht, dass man auch noch an den Narrativen des insgesamt friedlichen Islams, des sakrosankten Flüchtlings und der Richtigkeit von Angela Merkels Flüchtlingspolitik festhalten würde, wenn ein ausreisepflichtiger Asylbewerber und bekannter Gefährder mit einem entführten LKW in einen Berliner Weihnachtsmarkt rast und dabei 12 Menschen mit voller Absicht unter dem Einfluss seines religiösen Wahns tötet. Dass man darüber hinaus daran festhält, wenn selbst die Trauer zum verbotenen Teil des Postfaktischen erklärt wird, weil er von falscher Seite instrumentalisiert werden könne und eine Kanzlerin ein paar lieblose Phrasen von einem Zettel abließt, während der Innenminister lapidar erklärt, man hätte sich an den Terror zu gewöhnen.
Angesichts solcher Politiker wird klar: Wir haben keine Wahl. Nicht in Deutschland, nicht in England und auch nicht in Frankreich, wo Emmanuel Macron gerade an Marine Le Pen vorbeigezogen zu sein scheint. Ein Mann, den man auch hierzulande als Parteilosen verkauft, obgleich er ein „Linker“ ist, während man Le Pen in den deutschen Medien ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken als „rechtsextrem“ bezeichnet.
Dabei hat man bis heute nicht erkannt, dass Le Pen, Wilders und Co. in den wenigsten Fällen aus einer bestimmten „rechten“ Überzeugung heraus gewählt werden, sondern es sich bei der Wahl von „Rechtsaußen“ schlicht um das einzig verbliebene Instrument handelt, dem „Ich will das nicht“ noch Ausdruck zu verleihen – Nein zu sagen. Es ist die Abwahl, die in der Demokratie verbleibt, wenn die Wahl nicht mehr gegeben ist, aber statt die Ursachen des „Rechtsrucks“ zu erkennen, wird mit den ewig gleichen Parolen weitergemacht. Der Islam hat nichts mit dem Islamismus zu tun, Terroristen sind verwirrte Einzeltäter und nichts wird sich an den Werten und dem Miteinander in unseren Gesellschaften verändern, wenn der Islam noch stärker Einzug hält, weil man alles Illiberale, dass dieser Kultur und Religion inhärent ist, wegintegrieren kann.
Dabei sind AfD und Front National für nicht wenige lediglich der Versuch, die Regierenden dazu zu bringen, das Ruder doch noch herumzureißen. Danach kommt nicht mehr viel. Innere Emigration oder Auswandern. Daran wird deutlich, wie groß die wahrgenommene Ausweglosigkeit mittlerweile für viele ist. Wie wenig Alternativen geboten werden und wie groß Wut und Verzweiflung trotz aller Durchhalteparolen mittlerweile in einem Teil der Bevölkerung sind.
„Keep calm and carry on.“ Lautet ein bekannter englischer Spruch. Britannien plaktierte ihn 1939. Weitermachen. Sich nichts anmerken lassen. Für immer Mehr funktioniert das nicht mehr. Sie werden von der etablierten Politik und einem Großteil der Medien alleine gelassen.