Tichys Einblick
Völlig losgelöst vom Volk

Kaum gewählt, denkt man im Raumschiff Bundestag jetzt schon an höhere Diäten

Während die Bürger mit Inflation und steigenden Abgaben kämpfen, gönnen sich die Abgeordneten eine saftige Diätenerhöhung. 5,4 Prozent mehr, bevor der Bundestag überhaupt arbeitet. Instinktlos? Wohl eher dreist. Wer hier noch von „Volksvertretern“ spricht, hat Humor.

Bundestagsfraktion der Grünen, Gruppenbild.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Mehr Wählerverachtung und Instinktlosigkeit gehen kaum: Der neue Bundestag ist gerade erst seit vier Tagen gewählt. Konstituiert hat er sich noch nicht, dafür hat er noch Zeit bis zum 25. März 2025. Mit der Regierungsbildung wird es ohnehin noch Wochen, wenn nicht Monate dauern.

In einem aber sind die neuen/alten 630 „Volksvertreter“ fix: Ab Juli 2025 sollen die Diäten (= steuerpflichtige „Entschädigung“) der Bundestagsabgeordneten (MdB) um 5,4 Prozent steigen. Konkret heißt das: um gut 606 Euro von 11.227 Euro auf 11.833,46 Euro monatlich. Das meldet soeben der Nachrichtendienst „Politico“ des Hauses „Springer“. Die Bezüge werden übrigens jedes Jahr automatisch angepasst, die Höhe richtet sich nach der Lohnentwicklung im Vorjahr; das waren 2024 beim Nominallohnindex 5,4 Prozent. Die Erhöhung muss zu Beginn jeder Legislaturperiode innerhalb von drei Monaten vom Bundestag bestätigt werden. Passiert das nicht, gibt es keine Erhöhung.

Übrigens: Obendrauf kommt auf die „Entschädigung“ noch eine steuerfreie Kostenpauschale von rund 5.320 Euro. Macht in der Summe gut 17.000 Euro je Monat und je MdB. Und dann gibt es da noch die Privilegierten: Am stärksten profitieren von den Diätenerhöhungen der künftige Parlamentspräsident und seine Stellvertreter. Dem Präsidenten steht eine zusätzliche Diät als Amtsgehalt zu – insgesamt 23.667 Euro. Damit ist das Amtsgehalt des Bundestagspräsidenten sogar höher als das des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers. Die Vizepräsidenten erhalten eine halbe Diät als Amtsgehalt – insgesamt also 17.750 Euro/Monat. Ebenfalls privilegiert sind die Vorsitzenden der Ausschüsse, der Untersuchungsausschüsse, der Enquete-Kommissionen sowie des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Sie erhalten eine Zulage von 15 Prozent auf die „Entschädigung“. Nicht mitgerechnet sind die „Nebenverdienste“ zahlreicher Abgeordneter, die in sechsstellige Größenordnungen gehen. Hier hat man oft den Eindruck, dass die Parlamentstätigkeit der Nebenjob ist.

Rückblick: Vor zehn Jahren, Anfang 2015, betrug die „Entschädigungspauschale“ 8.667 Euro, die Kostenpauschale 4.204 Euro. In der Summe also 12.871 Euro. Das heißt: Binnen zehn Jahren sind beide Positionen um rund ein Drittel angestiegen.

Der Bund der Steuerzahler übrigens lehnt eine erneute Aktivierung des Diätenautomatismus für die 21. Wahlperiode ab. Einige linke Abgeordnete, zum Beispiel der neu gewählte Luke Hoß, haben laut „Politico“-Informationen vor, ihr Gehalt auf den deutschen Durchschnittslohn zu beschränken – auf „round about 2.850 Euro“.

Rein rechtlich mag diese Erhöhung sauber sein, politisch ist sie instinktlos.

Wäre man zynisch veranlagt, könnte man sagen: Für dieses Geld haben sich die Damen und Herren MdB allein in den letzten zehn Jahren mächtig ins Zeug gelegt, Deutschland an die Wand zu fahren. So gesehen bekommt der Terminus „Entschädigung“ eine neue Bedeutung. Entschädigt wird, wer dem Auftraggeber (= Volk) Schaden zufügt. Apropos „Entschädigung“: Sie wird seit 1977 laut Grundgesetz definiert als „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ und als Entschädigung für Verdienstausfall. Falls ein MdB überhaupt zuvor in Lohn und Brot stand und einen Job außerhalb einer Partei hatte und nicht nur bei einer parteinahen NGO.

„Bild“ hat zudem errechnet: Das Übergangsgeld (wird bis zu 18 Monate nach dem Ausscheiden gezahlt) und die Pension richten sich nach den aktuellen Diäten. Konkret: Ein Abgeordneter, der aus dem Bundestag ausgeschieden ist, bekommt künftig insgesamt bis zu knapp 11.000 Euro mehr Übergangsgeld als bisher. Die Pension eines Abgeordneten steigt durch die Erhöhung von bisher 281 Euro pro Mandatsjahr auf 296 Euro. Nach einer vollen Legislaturperiode steht einem Abgeordneten dann 1.183 Euro Pension zu, statt bisher 1.123 Euro. Ein Durchschnittsverdiener müsste für eine Rente in dieser Höhe 30 Jahre arbeiten.

Jedenfalls drängt sich einmal mehr die Vermutung auf, dass aus den VV (Volksvertretern) Volks-Verächter werden. Naheliegend wäre es indes, die Drei-Monats-Frist für die Erhöhung der Diäten wenigstens einmal verstreichen zu lassen. Oder aber ist man im Reichstag so boshaft zu befürchten, dass sich dann noch weniger hochqualifizierte Fachkräfte für die Politik gewinnen lassen?

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