Blöde deutsche Autokäufer! Sie wollen einfach nicht. Sie wollen um Himmels willen keine dieser schönen neuen Dinger kaufen, die unsere Welt retten. Wie also soll die Million Elektroautos bis 2020 auf die Straßen kommen?
Da will jetzt eine neue Maßnahme helfen.
Denn schon an Verzweiflung grenzen die Versuche, den Autokäufern Elektroautos aufzureden. Bisher kauften nur Hardcore-Elektro-Junkies Autos mit Elektromotoren und wackligen Batterien, berichten stolz, dass sie bei warmem Wetter (aber nicht zu heiss, sonst frisst die Klimaanlage zu viel Strom, und nicht zu kalt, bei minus 5 Grad vermindert sich die Reichweite gegenüber 22 Grad Außentemperaturen um die Hälfte, Heizung kostet zu viel Strom) ihr Ziel einwandfrei erreicht haben. Wir dachten, das Abenteuer Autofahrt – kommt man an oder nicht – habe sich seit Berta Benzen‘s erster kühnen Fahrt mit einem Auto einigermaßen besänftigt. (Der Gruß der Tesla-Fahrer: Na, gut über den Winter gekommen? Nur fünfmal auf der Autobahn stehen geblieben!)
Klar, die Beschleunigungen eines Elektroautos sind hervorragend; zumindest drei, vier Mal kann man kräftig „Vollgas“ geben, bevor die Batterie leer ist. Doch „grün“ ist ein Elektroauto nur für denjenigen, bei dem der Strom aus der Steckdose kommt. Denn die Gesamtbilanz ergibt keine nennenswerten Vorteile für den Elektroantrieb.
Viel Strom bleibt auf der Strecke
Der Strom kommt aus einem Kraftwerk, das eine „Primärenergie“ wie Kohle, Gas oder Kernkraft verfeuern muss. Bei der Umwandlung in Strom fallen erhebliche Verluste an sowie beim Transport des Stromes über Leitungen und Umspannwerke. Viel Energie bleibt also „auf der Strecke“.
Überschlagen wir grob: Für 100 Kilometer Fahrt benötigt ein mittleres Elektroauto rund 20 kWh im Sommer; im Winter, wenn geheizt und die Scheiben freigeblasen werden sollen, kann noch mal das Doppelte hinzukommen. Um 20 kWh in einem Kraftwerk zu erzeugen, benötigt man 50 kWh Primärenergie. Das entspricht etwa 5 Liter Diesel. Dann kann man gleich Diesel fahren.
Die Umweltbelastung ist also ähnlich wie beim Verbrennungsmotor. Lediglich aus den Innenstädten werden Abgase an die Stadtränder verbannt, wo meist die großen Kraftwerke stehen. „Null Emission“ ist Lug und Trug, gilt also auch beim Elektroauto nicht.
Daher: „Autofahrer bist Du nicht willig, brauche ich Gewalt“ oder … Geld. Der Käufer eines Elektroautos bekommt noch Geld dazu. Kaufprämien sollen dem Elektroauto und der CO2 Bilanz von Deutschland auf die Sprünge helfen. Also kurz: Die Welt retten.
5.000 Euro E-Auto-Zuschuss
Diskussionen um einen solchen Wahnsinn gab es schon seit Jahren. Auch Merkel hatte dies im vergangenen Jahr angekündigt. Die „staatliche Plankommission“ in einem sogenannten „Lenkungskreis Elektromobilität“ – darunter übrigens auch die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), die vormals nur durch die Forderung, auf die Homepage des Landkreises „Grüß Gott“ statt „Guten Tag“ zu schreiben, aufgefallen und vornehmlich dank Geschlechterproporz in ihr Amt geraten ist – diese Planer also wollten schon seit längerem rund 5.000 Euro für jedes gekaufte Elektroauto dazuschießen. Dafür sollten 700 bis 800 Millionen Öcken zusätzlich gebraucht werden. Lächerliches Sümmchen, kann man locker durch einen Cent höhere Mineralölsteuer gegenfinanzieren. Meinte die Plankommission.
Das reduziert bei einem Elektro-Golf, der rund 35.000 Euro kostet, den Kaufpreis auf rund 30.000 Euro. Immer noch deutlich teurer als ein Benziner-Golf für etwa 20.000 Euro. Tatsächlich ein Anreiz? Und bei einem Tesla mit Kosten von rund 100.000 Euro?
Schäuble hatte noch tapfer dagegengehalten: „Das gibt Mitnahmeeffekte!“ Also noch nicht mal aus grundsätzlichen politischen Erwägungen, sondern nur deshalb, weil Geld nicht in seine, sondern andere Taschen fließt.
Blut geleckt hat die Automobilbranche und fordert sehr heftig eine Kaufprämie. Und alle quälen als Argument die arme Umwelt, die mit Elektroautos geschont werde. Die kann sich nicht gegen Stuss wehren.
Man hört den Vergleich mit Norwegen: Die fördern auch Elektroautos, daher ein beachtlicher Boom. Doch das stimmt nicht mehr. Die Förderungen fallen langsam weg. Was dann die Verkaufszahlen machen, muss man abwarten.
Gute Wirtschaftspolitik sei zur Hälfte Psychologie, schreiben Zeitungsleute mit Psychologie-, aber ohne Physik- und Mathekenntnissen und fordern ebenfalls frohen Gemütes die Kaufprämie.
Leute, die rechnen können, sehen die Sache etwas nüchterner: Die Kaufprämie für Elektroautos sei viel Geld für wenig Wirkung. Sie rechnet sich nicht. Das haben jetzt sogar Wirtschaftswissenschaftler des niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Braunschweig herausgefunden.
„Die geplante Kaufprämie für Elektroautos verfehlt ihre Wirkung“, erklärt Professor Thomas Spengler in einer Pressemitteilung der TU Braunschweig. „Unsere Simulationen zeigen, dass selbst bei einer Verdoppelung der Prämie das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen bis zum Jahr 2020 nicht erreicht werden wird.“
Mit einem Marktsimulationsmodell, das auf den schönen Namen „AMaSi“ hört, haben die Wirtschaftswissenschaftler nun untersucht, wie sich die vorgeschlagene Kaufprämie auf den deutschen Automobilmarkt auswirken kann.
Regierungsziel wird mit Kaufprämie nicht erreicht
Analysiert wurden zwei konkrete Szenarien: Ein Basisszenario ohne Fördermaßnahmen, das angewendet auf die vergangenen Jahre die realen Verkaufszahlen abbildet. Demnach sei bis zum Ende des Jahres 2020 mit einem Bestand von 366.000 Elektrofahrzeugen zu rechnen.
In einem zweiten, optimistischen Szenario, bei dem die Experten von einer stärkeren Wirkung von Werbemaßnahmen und Mundpropaganda ausgehen, rechnet das Forscherteam mit 713.000 Elektroautos.
Karsten Kieckhäfer von der TU Braunschweig führt aus: „Die Anwendung unseres Modells auf den deutschen PKW-Markt zeigt, dass ohne aktives Eingreifen seitens der Hersteller und der Politik sowie ohne eine starke Veränderung des Kundenverhaltens das Ziel der Bundesregierung deutlich verfehlt werden wird.“
Mit der Kaufprämie werden nach den Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler bis zum Jahr 2020 im Basisszenario etwa 23.000 und im optimistischen Szenario 47.000 Elektroautos mehr verkauft, was zu einem Bestand von 389.000 oder 760.000 Fahrzeugen führe. In beiden Fällen wird die Millionenmarke nicht geknackt. Allerdings, so Kieckhäfer, betrage die Summe für das optimistische Szenario 1,49 Milliarden Euro und übersteige damit das geplante Budget. Selbst eine Verdopplung der Kaufprämie auf 10.000 Euro, so die Braunschweiger Forscher weiter, würde im Basisszenario zu einem Bestand von nur 459.000 und im optimistischen Szenario von 886.000 Fahrzeugen im Jahr 2020 führen und somit ebenfalls unter der Millionenmarke liegen. Dabei übersteigen die horrenden Kosten von 3,82 Milliarden Euro und 7,28 Milliarden Euro dann das geplante Budget um ein Vielfaches.
Sie empfehlen stattdessen Investitionen in Ladeinfrastruktur sowie in die Weiterentwicklung der Batterietechnologie zur Verbesserung der Reichweite und Senkung der Produktionskosten. Das wirke im Gegensatz zur Kaufprämie auch über das Jahr 2020 hinaus und schaffe die notwendigen Voraussetzungen für den langfristigen Erfolg der Elektromobilität. Kurzfristig, ergänzt der Professor, könnte die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen weiteren Schwung bekommen, wenn auch in der öffentlichen Beschaffung verstärkt auf Elektrofahrzeuge gesetzt werde.
Die Braunschweiger Wirtschaftswissenschaftler sind also durchaus Freunde der Elektromobilität. Die untersuchten auch schon mal die nachhaltige Gestaltung des Batterierecyclings und haben Goldgräberstimmung erzeugen wollen mit der steilen These: „Jedes einzelne Elektrofahrzeug hat, gemessen an dem Wert der Industriemetalle in seiner Batterie, einen Aktenkoffer voller Geld im Kofferraum.“
E-Auto – erst durch Recycling schön?
Simulationen zum langfristigen Altbatterieaufkommen und Investitionsschätzungen für die benötigten Anlagen hätten die hohe Bedeutung für Investoren und Industrie ergeben. Wunderbar: Das Elektroauto selbst erweist sich als Milchmädchenrechnung, dafür aber ist dessen Recycling Klasse.
Noch vor der Jahresmarke 2020, wenn nach den Plänen der Bundesregierung weit mehr Elektrofahrzeuge als heute auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen, stünden bereits tausende Batteriesysteme für die Verwertung bereit.
Schon im Jahr 2030, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, könnten zwei Drittel der deutschen Importe von Cobalt, Nickel und Lithiumhydroxid durch das Recycling kompensiert werden, wovon auch private Investoren profitieren könnten. Einzig an einem umfänglichen Konzept fehle es.
Ja, und an Weihnachten ist Jahrmarkt.
Ob jetzt der Vorschlag der Kaufprämie vom Tisch ist – nach dieser wissenschaftlichen Untersuchung? Die Erfahrung lehrt: Je unsinniger die Förderung, desto besser kommt sie durch.
Jetzt verhandeln Staat und Autohersteller nicht mehr darüber, ob sie kommen soll, die Kaufprämie, sondern wie viel die Autoindustrie selbst dazu tun und wie viel vom Staat kommen soll. Merkel habe das Thema zur „Chefsache“ gemacht, heißt es drohend. Vom Tisch ist sie also nicht. Zu viele reiben sich schon die Finger ob fetter Staatsknete.
Seehofer hat einen „brutalen Wettbewerb“ auf der ganzen Welt um das Elektroauto ausgemacht. Er sagte nach dem Elektroautogipfel Ende Februar in Berlin: „Ziel sei, eine Schlüsseltechnologie, in der es brutalen Wettbewerb auf der ganzen Welt gebe, in Deutschland zukunftsfähig zu machen!“
Unglückseligerweise will die restliche „ganze Welt“ diesen brutalen Wettbewerb nicht sehen.
Warum fahren Regierungsmitglieder keine E-Autos?
Warum eigentlich fahren Minister trotz großer öffentlicher Gunsterweisungen keine Elektroautos?
Die wollen sicher zu ihren Wahlterminen kommen können. Und wenn, dann greifen sie wie Kretschmann in Baden-Württemberg zu Hybrid-Autos, also Autos, die einen Benzinantrieb zum Vorwärtskommen und gleichzeitig einen Elektro-Antrieb für die zwickende grüne Seele haben. So bleiben sie nicht nach wenigen Kilometern stehen, wenn die Batterie leer ist.
Dafür müssen die Hersteller allerdings zwei Antriebe einbauen, ein unsinniger hoher technischer Aufwand mit viel Gewicht, das wiederum den Treibstoffverbrauch in die Höhe treibt. Aber das ist plötzlich umweltfreundlich. Das sagt jedenfalls die Abgasmessung nach dem Meßzyklus für Hybridautos.
Der erstreckt sich zufälligerweise über genau 50 Kilometer. So lange reichen die Batterien sicher, der Benzinmotor stößt kaum Abgase aus. Erst danach, wenn die Batterie leer ist, steigt er voll ein. Dann aber ist der Meßzyklus schon vorbei. Die Meßgeräte sind abgeschaltet.
Wurden wir früher eigentlich auch schon so belogen? Ich kann mich nicht erinnern, kann mich aber täuschen. Früher war alles besser.