Tichys Einblick
"Mit Grundwerten unvereinbar"

Katholische Bischöfe wollen AfD-Wahl verhindern

Die nord-ostdeutschen Bischöfe warnen vor der Wahl der AfD: Sie sei mit gesellschaftlichen Grundwerten unvereinbar. Die Verunsicherung in der Bevölkerung sei verständlich, rühre aber daher, dass die Menschen die politischen Entscheidungen nicht verstünden.

Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ist einer der sechs Unterzeichner des Appells, hier auf einer Wallfahrt am 20. September 2020.

IMAGO / Karina Hessland

Dieses Jahr finden gleich drei Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern statt. In Sachsen, Brandenburg und Thüringen könnte die AfD dabei Spitzenwerte erreichen. Gleichzeitig stehen im Juni die Wahlen zum EU-Parlament bevor. Für die etablierten Parteien könnte es eine Blamage werden – nicht nur für die Mitglieder der Ampel-Koalition. Trotz der Correctiv-Affäre zeigen bisherige Umfragewerte keinen AfD-Einbruch, der diesen Trend umkehren könnte.

Nicht weniger als sechs katholische Bischöfe haben sich dabei zu Wort gemeldet. Es handelt sich dabei um sämtliche Bischöfe, deren Territorium auf dem Gebiet der ehemaligen DDR liegt, sowie den Bischof von Hamburg. Das Papier („Gemeinsames Wort der nord-ostdeutschen Bischöfe“), das eindringlich vor der Wahl der AfD warnt, kommt damit zu einem bemerkenswerten Zeitpunkt, in der über Geheimpläne und Verbote gestritten wird und ein Wahljahr vor der Türe steht, das in den AfD-Hochburgen stattfindet.

Bezeichnend ist dabei, dass die Bischöfe keinen Unterschied mehr zwischen der AfD und Parteien wie III. Weg und Heimat machen. Die Position aller drei „extremen Parteien“ könnten die Bischöfe nicht „akzeptieren“. Politische Parteien, die den Grundsatz der unantastbaren Menschenwürde infrage stellten, könnten „keine Alternative sein“. Namentlich unterschrieben haben die Erzbischöfe Stefan Heße (Hamburg) und Heiner Koch (Berlin) sowie die Bischöfe Gerhard Feige (Magdeburg), Ulrich Neymeyr (Erfurt), Wolfgang Ipolt (Görlitz) und Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen).

Wörtlich begründen die Prälaten ihre Ausschlusskriterien so:

„Krude Ausweisungsphantasien für Migranten und ihre Unterstützer, die Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, der alleinige Fokus auf Leistungsfähigkeit, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen sind mit diesen Grundwerten unserer Gesellschaft unvereinbar.“

Das sollte nicht nur AfD-Politiker, AfD-Mitglieder und AfD-Wähler hellhörig machen. Dass Gegner der Migrationspolitik bereits als Ausgestoßene der Gesellschaft gelten, ist seit 2015 keine Neuigkeit. Dass bereits die „Leugnung des menschengemachten Klimawandels“ mit den Grundwerten der Gesellschaft nicht vereinbar sei, und damit de facto eine Verletzung von Menschenrechten darstellt – ging es eben nicht vor allem um die Unantastbarkeit der Menschenwürde? –, das hat man sich zwar bereits gedacht, aber noch nicht so deutlich gelesen.

Das Augenmerk liegt jedoch vor allem auf dem letzten Punkt. „Pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen“ – sind nunmehr Zyniker bereits ein Fall für den gesellschaftlichen Ausschluss? Darf man bestimmte Institutionen, etwa das Umweltbundesamt oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr prinzipiell infrage stellen, weil damit der gesellschaftliche Ausschluss droht – und entspricht dies wirklich den Vorstellungen von Republik und Demokratie, oder nicht bereits einem anders gearteten Gesellschaftssystem?

Die Einlassung verstört. Und sie sollte verstören – nicht nur Katholiken. Denn der Duktus erinnert frappierend an die Definition des Phänomenbereichs „Delegitimierung des Staates“, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang in dieser Legislaturperiode vorgestellt haben. Folgen die Hirten hier noch dem Evangelium oder bereits dem Bundesinnenministerium?

Dass der Text vermutlich nicht aus der Feder eines ostdeutschen Katholiken stammt, erkennt man spätestens an einer Formulierung, die vielen ostdeutschen Gläubigen die Haare zu Berge stehen lassen dürfte. Die Bischöfe räumten ein, dass viele Menschen die politischen Entscheidungen nicht mehr verstünden. Sie seien verunsichert, wütend und hätten Angst vor dem sozialen Abstieg. Es folgt das Mantra aus der Migrationskrise: Einfache Lösungen gäbe es nicht. Man dürfe sich nicht von populistischen Aussagen verführen lassen.

Halten wir fest: Die deutschen Bischöfe, sonst so auf Konzilianz und sanfte Worte bedacht, sagen, dass die Leute die politischen Entscheidungen „nicht verstehen“. Sie seien deswegen verunsichert und wütend; nicht etwa, weil der Sprit teurer wird, die Höfe wegsterben, die Gastronomie ächzt und der Regierung angesichts der Krise nichts weiter einfällt, als weitere Abgaben zu erheben. Deutschland ist in der Rezession und die Bischöfe rufen nicht die Regierung dazu auf, ihrer Verantwortung bewusst zu werden, sondern wenden sich den Wählern zu, dass sich diese am Riemen reißen sollten. Am besten dasselbe wählen, damit es besser wird?

Die bis dato schon bestürzende Regierungsnähe bekommt mit diesem „Gemeinsamen Wort“ eine ganz neue Dimension. Dem Volk muss man die weisen Beschlüsse der Regierung nur erklären. Dass diese nicht inhärent schlecht sind, steht nicht zur Disposition. Zuletzt rufen die Hirten dazu auf, für eine freie und vielfältige Gesellschaftsordnung auf der Grundlage des Grundgesetzes einzutreten. „Wählen Sie verantwortungsvoll“, rufen die Bischöfe auf. Viele Ostdeutsche werden dies in der Tat als Appell verbuchen. Allerdings mit einem anderen Ausgang, als die Kirchenvertreter dachten.

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