Am Mittwochabend reist die Bundesregierung nach Karlsruhe zu einem gemeinsamen Abendessen mit den Richtern des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem dieserart Treffen im Jahr 2021 für große Kritik sorgte, weil im Gefolge das Bundesverfassungsgericht die Übergriffigkeit der Regierung bei Corona-Maßnahmen absicherte, ließ man es 2022 lieber ausfallen. Doch nun scheint man wieder einen Bedarf an „Abstimmungen“ zu besitzen.
In einer Woche, am 15. November, soll das Gericht über die Klage der Unionsfraktion gegen den Nachtragshaushalt 2021 entscheiden. Die Ampel hatte die Kreditermächtigung über 60 Milliarden Euro, die in der Pandemie im Rahmen der Corona-Maßnahmen eingeräumt worden war, einfach in Habecks Energie-Monopoly-Fonds unter dem Namen Klima- und Transformationsfonds geschoben. Für die Unionsfraktion stellt das eine Zweckentfremdung und schließlich einen Verstoß gegen die Schuldenbremse des Grundgesetzes dar.
Das Treffen weckt Erinnerungen an die Zusammenkunft hinter verschlossenen Türen, als am 30. Juni 2021 die Verfassungsrichter in Merkels Kanzleramt bewirtet wurden und es am Rande des Treffens zu einem Unter-vier-Augen-Gespräch zwischen Angela Merkel und Stephan Harbarth, der Angela Merkel die Präsidentschaft des Bundesverfassungsgerichts mitzuverdanken hat, kam. Nützlich war Merkels Kontakt zu Harbarth auf jeden Fall. Als sie am 6. Februar 2020 von Südafrika aus in einer öffentlichen Pressekonferenz als Bundeskanzlerin die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten rückgängig zu machen forderte – was unter Aussetzung der demokratischen Spielregeln auch geschah –, zog die AfD nach Karlsruhe, um gegen die Verletzung der Pflicht zur Neutralität im politischen Meinungskampf und des Rechts auf Chancengleichheit der politischen Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG zu klagen.
Die AfD erhielt im Endeffekt Recht, doch erst am 15. Juni 2022. Zwei Jahre benötigte das Bundesverfassungsgericht für dieses Urteil, da war Merkel nicht mehr im Amt. Und das dürfte wohl auch der Zweck der Übung gewesen sein, denn damals soll ein privater Hinweis aus Karlsruhe dazu geführt haben, dass die inkriminierte Passage aus Merkels Statement in Pretoria von der Seite des Portals der Bundeskanzlerin genommen wurde, womit die Eilbedürftigkeit der Prüfung entfiel.
Auf dem Treffen sollen Justizminister Marco Buschmann und die Richterin Astrid Wallrabenstein einen Impulsvortrag zum Thema „Krise als Motor der Staatsmodernisierung“ halten. Geht es darum, sich abzustimmen, wie man Krisen ausrufen kann, um mit diesen „Krisen“ die Veränderung des Staates, den Abbau des Rechtstaates, die Aufhebung und Verletzung der Freiheitsrechte der Bürger, wie man es in der Pandemie erlebte, voranzutreiben? Übrigens hatte Peter Gauweiler mit einem Befangenheitsantrag im EZB-Verfahren am 12. Januar 2021 gegen Astrid Wallrabenstein vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts Erfolg.
Es dürfte einem kleinen Wunder gleichkommen, wenn in der nächsten Woche das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis dem Antrag der Unionsfraktion folgen würde. Möglicherweise wird man der Union im Prinzip Recht geben, aber aus Gründen besonderer Umstände oder irgendeiner Krise, des Ukraine-Kriegs, des Klimas, des Ansteigens der Zahlen von Covid oder der Wanderungen eines Problembärs in den Alpen unter Güterabwägung der Regierung diese Praxis gestatten.
Lisa Paus wird mit der Richter Martin Eifert über „Generationengerechtigkeit: Politisches Leitbild und Verfassungsprinzip“ referieren. Über Eifert muss man nicht mehr sagen, als dass er federführender Richter für verfassungsrechtlichen Klimaschutz im Bundesverfassungsgericht ist.
In einer Klage gegen das Klimaschutzgesetz gab das Bundesverfassungsgericht den Klagenden in einem wesentlichen Punkt Recht, nämlich dass das Klimarecht ein Grundrecht sei und künftige Genrationen nicht zu schädigen seien. Damit hatte das Bundesverfassungsgericht das Tor sperrangelweit für jede diktatorische Maßnahme geöffnet, wenn sie sich nur mit der „Generationengerechtigkeit“ begründen lässt. Was kann damit nicht begründet werden? Mithilfe des Rechts künftiger Generationen kann man leicht die Rechte heutiger Generationen aussetzen.
Paus und Eifert dürften sich darüber einig sein, dass man nur die Zukunft schwarz malen und Hysterien verbreiten muss, um alle Maßnahmen der Regierung rechtlich immunisieren zu können mit dem halluzinierten Grund der Generationengerechtigkeit.
In Frage stellt das Treffen jedenfalls, ob die Verfassungsrichter sich gut genug daran erinnern, dass unser Grundgesetz das Abwehrrecht der Bürger gegen den übergriffigen Staat darstellt. Die Verfassungsrichter haben nicht auf der Seite der Regierung, sondern auf der Seite der Verfassung, also der Bürger zu stehen.
Bei dem Treffen am 30. Juni 2021 ging es damals um die Corona-Politik der Regierung. Diesmal lassen die Themen darauf schließen, dass es auch um die juristische Absicherung von Notverordnungen geht, die begründet werden durch die von der Politik der Regierung hervorgerufenen und von der Regierung verkündeten Krisen. Diese Regierung will Deutschlands Transformation durchsetzen. Bei dem Treffen geht es um die „Krise als Motor der Staatsmodernisierung“, also darum wohl, wie man deklarierte Krisen zur großen Transformation nutzen und man all dies mit den Rechten späterer Generationen juristisch begründen kann.
Die Herrschaften dinieren hinter verschlossen Türen – ausgesperrt bleibt das Volk.