Karl Lauterbach (SPD) ist eine Marke. Als solcher ließ sich der Gesundheitsminister bundesweit in Tageszeitungen bewerben. Für zigtausende Euro pro Regionalzeitung ließ Lauterbach sein markantes Konterfei mit Brille und Scheitel in einer ganzseitigen Reklame abdrucken. Geschickte PR für den Politiker. Bezahlt hat den Spaß das Gesundheitsministerium. Also der Steuerzahler. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass Ministerien nur Anzeigen schalten dürfen, um ihr Handeln vorzustellen – und nicht, um für Politiker zu werben. Aber wenn es um Lauterbach geht, verschwimmen die Grenzen.
Das heißt aber nicht, dass Karl Lauterbach mit dem Geldausgeben langsamer machen würde. So stellte er nun die Idee der Gesundheitskioske vor. In diesen sollen ausgebildete Pfleger Patienten einen „niedrigschwelligen Zugang“ zum Gesundheitswesen ermöglichen. Also denen, die nicht zum Hausarzt wollen. Ein Pilotprojekt in Hamburg-Billstedt zeigte, dass sich das Angebot vor allem an Arme und Menschen ohne Deutschkenntnisse richtet. „Selbst in strukturell schwachen Gebieten sollen alle die Möglichkeit haben, schnell und kompetent in Gesundheitsfragen beraten zu werden“, erklärt Lauterbach die Gesundheitskioske. Das erste strukturschwache Gebiet war demnach Hamburg. Den Besuchern der Kioske solle Blutdruck oder Zucker gemessen, Verbände gewechselt und Wunden versorgt werden. Zudem sollen sie subkutane Injektionen erhalten – „veranlasst von Ärztinnen und Ärzten“, wie das Ministerium betont.
Bis zu 1000 dieser Kioske will Lauterbach bundesweit errichten. Knapp drei Viertel der Kosten soll die gesetzliche Krankenversicherung übernehmen. Die Kioske werden also vor allem mit dem Beitrag bezahlt, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer für eine Beschäftigung entrichten müssen. Weitere 5,5 Prozent übernimmt die private Krankenversicherung, der Rest die jeweilige Kommune. Wie viel ein Kiosk kosten soll, hat das Gesundheitsministerium TE auf Anfrage zuerst nicht mitgeteilt. Doch in den Kiosken sollen möglichst Pfleger arbeiten, die alle gängigen Fremdsprachen sprechen. Sodass schnell Kosten von über 200.000 Euro im Jahr zusammenkommen. Bei bundesweit 1000 Kiosken wären das 150 Millionen Euro im Jahr für die gesetzliche Krankenversicherung.
Wegen eben dieser „Lücke im Gesundheitsfonds“ hat sich auch der Dachverband der Kassen, die GKV, zu Wort gemeldet. Das Defizit von 17 Milliarden Euro zu schließen, ist nach Lauterbachs Plänen wieder die Aufgabe der Beitragszahler. Eine erste Erhöhung des Beitrags um 0,3 Prozentpunkte ist bereits für den Jahreswechsel angekündigt. Auch müssen die Kassen ihre Reserven angreifen – was weitere kurzfristige Erhöhungen des Beitrags wahrscheinlicher macht. „Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes lehnt diese vorgesehenen Maßnahmen ab und erwartet deutliche Nachbesserungen an dem Gesetz“, formulierten die Kassen an Lauterbach gerichtet.
Die Kassen erwarten von der Ampel, dass sie ihre Versprechen erfüllt, wenn es um die Sanierung der Kassen geht: So zahlt der Bund derzeit rund 10 Milliarden Euro zu wenig an die Kassen, um die Kosten zu decken, die ihnen durch Empfänger von Hartz IV entstehen. Diese Kosten solle der Bund den Kassen voll erstatten. Auch weigere sich der Bund, die Mehrwertsteuer auf Arznei oder Hilfsmittel wie etwa Erwachsenenwindeln von 19 auf 7 Prozent zu senken. Es könne nicht sein, dass Medizin für Menschen höher besteuert werde als die für Tiere. Die Kassen sehen an der Stelle ein Sparpotenzial von 5 Milliarden Euro.
Auch finanziell belastet Lauterbach das Pflegesystem. So lässt er den Pflegern einen Bonus für ihre Arbeit in der Pandemie auszahlen. Politisch sei das zu begrüßen, lobt der Verband der Ersatzkassen, zu denen die Techniker Krankenkasse (TK) und die Barmer gehören. Doch die Finanzierung sei heikel, sagt Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen: „Es kann jedoch nicht sein, dass die Mehrkosten in Höhe von rund 130 Millionen Euro für diesen Bonus auf die Beitragszahler und Beitragszahlerinnen der sozialen Pflegeversicherung abgewälzt werden.“ Der Bund wolle diese Kosten offensichtlich nicht refinanzieren.
In der Pflegekasse ist die finanzielle Situation nicht so dramatisch wie in der Krankenversicherung. Sie ist dramatischer. Bereits diesen Sommer musste Lauterbach die Lücke dort mit einem Kredit notdürftig schließen, um eine Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Energiekosten, Personalausgaben und Corona-Maßnahmen lassen in der Pflegeversicherung die Kosten explodieren. Lauterbach hat Reformen angekündigt. Bald. Genauso wie für die Krankenversicherung. Auch da: bald.
Dann kommt immerhin noch die Antwort des Gesundheitsministeriums zu den Kosten für die Gesundheitskioske: „Die von Herrn Bundesgesundheitsminister Professor Lauterbach vorgelegten Eckpunkte zur Errichtung von Gesundheitskiosken enthalten bewusst noch keine konkreten Angaben zu den jährlich zu erwartenden Ausgaben der GKV.“ Die Ausgaben hingen davon ab, wie die Kioske vor Ort ausgestattet würden. Zudem hätten sie präventive Wirkung. Deswegen würden die Kassen mittel- und langfristig Geld einsparen. Irgendwann wird das feststehen: Was die Kioske kosten und was sie sparen. Bald.