Tichys Einblick
Tam-tam um Kanzlerkandidaten-Kür der CDU

Perfekte Inszenierung als Ablenkung von Entmachtung der Länder

Vielleicht hat die plötzliche mediale Kandidaten-Aufregung noch einen ganz anderen Hintergrund. So ganz nebenbei und auf leisen Sohlen wird ein Schlag gegen den föderalen Charakter der Republik eiskalt und im Schweinegalopp durchgezogen.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

So, wie seit Menschengedenken am Ende von „Tagesschau“ und „Heute“ der Wetterbericht mit Sicherheit das Ende der Abendnachrichten bedeutete, konnte man schon seit Monaten davon ausgehen, dass mit der ersten Meldung die, für die tatsächliche Beurteilung der Lage freilich völlig unzureichende, aktuelle Zahl der Corona-Neuinfektionen verkündet wurde. Doch seit ein paar Tagen hat sich das geändert.

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Plötzlich ist die Frage, wer wohl nächster Kanzlerkandidat der CDU/CSU werden solle – Laschet oder Söder – die Topmeldung. In „exklusivem“ Hintergrund-Geraune wird der Machtkampf der beiden Ritter aus Düsseldorf und München kommentiert und über den Ausgang spekuliert. Doch warum eigentlich? Für die Mehrheit der Bürger ist es völlig unwichtig, wer da das Rennen macht. Es könnte höchstens sein, dass sich einige besonders eifrige CDU-Funktionäre, die sich unvorsichtigerweise zu früh mit ihren Sympathien aus dem Fenster gelehnt hatten, nun aus Sorge um ihre weitere Karriere das eine oder andere Stündchen unruhiger schlafen.

Laschet wie Söder stehen ohne jeden Unterschied für die Fortsetzung des Merkelschen Kurses der Unionsparteien. Der Marsch nach Links in der Gesellschaftspolitik ist für beide weiter Richtschnur in die Zukunft hinein, nur dass sie demnächst den gesellschaftlichen Umbau hin zum postmateriellen und „emanzipatorischen“ Leben Seite an Seite mit den Grünen vollziehen wollen. Eine Entwicklung der vergangenen 16 Jahre, die der CDU nicht nur von Wahl zu Wahl niedrigere Ergebnisse bescherte, sondern gleich noch einer neuen Partei, der AfD, zur Geburt verhalf. Bleibt nur zu wünschen: Gute Reise oder vielleicht auch die Chance zur Regeneration in der Opposition.

Hat etwas von Weihnachtsmann
Über den Fake namens Kanzlerkandidat
Vielleicht hat die plötzliche mediale Aufregung noch einen ganz anderen Hintergrund. So ganz nebenbei und auf leisen Sohlen wird ein Schlag gegen den föderalen Charakter der Republik eiskalt und im Schweinegalopp durchgezogen. Demnächst wird es in der Bundesrepublik beispielsweise nächtliche Ausgangssperren geben, ohne dass die Bürger die Möglichkeit haben, deren Verhältnismäßigkeit durch ein Gericht überprüfen zu lassen. Denn die entsprechenden Verfügungen kommen ja nicht vom Land oder der Kommune, nein, sie sind dann gesetzliche Vorgaben des Bundes – ohne Berücksichtigung der jeweils spezifischen Situation vor Ort.

Erinnerungen an die DDR werden wach. Der Volksmund reagierte damals auf so etwas hinter vorgehaltener Hand mit dem spöttischen Spruch: „Vom ZK kommt ein scharfer Blick, schon spurt die ganze Republik“. Man ist schon ein wenig erstaunt, wie still und gehorsam die sonst so sensiblen Betroffenheits-Eliten das Geschehen hinnehmen. Ihr Freiheits- und Demokratieverständnis scheint gerade eine Pause zu machen. Vielleicht ist man in diesen Kreisen auch fiebernd mit den Hahnenkämpfen bei der CDU beschäftigt und nicht mit dem Tabu-Bruch aus dem Hause Merkel. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass diese Tage im Buch der Geschichte ihren Niederschlag finden werden.

Man muss kein Schwarzseher sein, um nicht zu ahnen, dass diesem Pilotprojekt weitere Ausnahmezustände folgen werden. Bekanntlich halte ja allein die „Klima-Krise“ im Zweifel tödliche Bedrohungen für jeden bereit. Auf ein bisschen Friedhofsruhe im Lande darf es da wirklich nicht ankommen.

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