Tichys Einblick
Rede vor dem CSU-Parteitag

Träumt CDU/CSU-Kanzlerkandidat Merz von kalter Enteignung?

Wer aus der Opposition heraus die desaströse Ampel-Politik kritisieren kann, hat es leicht. Konkrete Problemlösungen bietet Merz in seiner Rede auf dem CSU-Parteitag jedenfalls nicht. Dafür staatsmännische Hintertürchen: Mit den Grünen, "wie sie heute sind", keine Zusammenarbeit. Und was, falls die sich "ändern"?

IMAGO

Der gemeinsame Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, hat beim jüngsten CSU-Parteitag am 12. Oktober eine Rede gehalten. Klar, was sonst, dafür war er ja dort. Eine 52-Minuten-Pflichtübung war es, die passagenweise allerdings aufhorchen ließ.

TE hat sich ein paar Passagen der Rede vorgenommen.

Erstens ist Merz stolz darauf, dass die Union seit den demoskopischen 19 Prozent des beginnenden Jahres 2022 derzeit so stark wurde wie alle drei „Ampel“-Parteien zusammen. Zur Vergegenwärtigung: Die Union liegt aktuell in der „Sonntagsfrage“ bei 30 bis 31 Prozent. Beim miserablen Zustand der „Ampel“ ist das eigentlich dürftig. Auch wollte Merz die AfD „halbieren“. Das sagte er 2018, als er noch nicht CDU-Vorsitzender war. Wiederholt hat er dieses Versprechen seit längerem nicht mehr. Denn die AfD rangiert derzeit bei 16 bis 17 Prozent; das sind exakt so viele Prozent wie 2018, als Merz die Halbierung ankündigte. Dass es mit der Halbierung nichts wurde und nichts werden wird, hat vielleicht doch mit der „Brandmauer“ zu tun, die Hunderttausende an vormaligen Unionswählern quasi als Demokratiefeinde ausgrenzt und die die Union – im Verein mit allen linken Parteien – eher zum Brandbeschleuniger zugunsten der AfD machte. Da wird es auch nicht helfen, wenn Merz sagt: Die Union wolle Wählergruppen in den Blick nehmen, die „uns wählen könnten.“ Wörtlich meinte Merz damit „Arbeitnehmer“, die „wir nicht der AfD überlassen.“

Wahlkampf 2025
Friedrich Merz hofft auf das Thema Wirtschaft, aber …
Zweitens attackiert Merz das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) als im Kern nach wie vor ultralinks und kommunistisch. Mit dem BSW könne es keinerlei Zusammenarbeit geben. Sagt Merz. Während zugleich die CDU-Spitzen in Thüringen und Sachsen über Koalitionen mit dem BSW oder zumindest BSW-Duldungen klüngeln. Also was gilt nun? Die Worte des Vorsitzenden oder die anbiedernden Texte der CDU-Ministerpräsidenten, die als Bewerbungsreden für Koalitionen mit dem BSW verstanden werden wollen?

Drittens kündigt Merz an: „Ich möchte keinen Migrations- und Einwanderungswahlkampf führen müssen.“ Notwendig sei dafür jedoch ein Politikwechsel bei den Grünen. „Mit diesen Grünen, wie sie heute da sind, ist eine Zusammenarbeit nicht möglich“, meint er. Aha, doch ein Hintertürchen für Schwarz-Grün? Gegen die – im Moment – apodiktische Aussage des CSU-Vorsitzenden Markus Söder, der eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausschließt? Im übrigen: Glaubt Merz, dass sich das Migrationsthema samt dessen milliardenschwere Kosten bis Herbst 2025, also bis zur nächsten regulären Bundestagswahl, verflüchtigen wird? Nein, dieses Thema wird – prioritär – nicht aus den Köpfen der Wähler verschwinden, vor allem nicht aus den Köpfen von Wählern, die wieder oder dann sogar erstmals AfD wählen werden.

Investitionen mit privaten 280 Milliarden?

Viertens: Der Hammer der Merz-Rede findet sich 90 Sekunden lang in seiner Rede in den Minuten 41.10 bis 42.40. Wir geben die Passage wörtlich wieder. Merz spricht über die enormen Schulden, die die „Ampel“ aufhäuft bzw. qua Aufhebung der Schuldenbremse noch mehr aufhäufen will. So weit, so richtig. Dann aber folgt diese Passage:

„Auf den deutschen Konten, Sparkonten und Girokonten, liegen 2,8 Billionen Euro. Stellen Sie sich mal einen kurzen Augenblick vor, wir wären in der Lage, davon nur 10 Prozent zu mobilisieren – mit einem vernünftigen Zinssatz: für die öffentliche Infrastruktur in Deutschland; für den Ausbau dessen, was wir in der Bildung, im öffentlichen Sektor, in der gesamten öffentlichen Infrastruktur brauchen. Es fehlt uns nicht an Kapital, es fehlt uns an den vernünftigen Instrumenten, dieses Kapital so zu mobilisieren, dass es einem gemeinsamen Zweck unseres Landes zugutekommt.“

Das lässt aufhorchen. Nicht so sehr, weil Merz gar nicht sagen kann, was ein vernünftiger Zinssatz ist und ob der Staat als Schuldner diesen Zinssatz wird stemmen können. Diese Merz-Passage lässt vor allem aufhorchen, weil Merz nicht erklärt, mit welchen „vernünftigen Instrumenten“ er zehn Prozent der 2,8 Billionen „mobilisieren“ will: also 280 Milliarden. Nein, Merz hat hier, wenn er es denn wirklich so meint, ein fauliges Fass aufgemacht, in dem es nach Enteignung und nach Vergesellschaftung von Privatkapitel riecht oder zumindest nach Reichensteuer. In der DDR und im Sozialismus hieß so etwas nicht Privat-, sondern Volkseigentum.

Post Scriptum: Nicht in seiner Rede auf dem CSU-Parteitag, sondern in seiner aktuellen „MerzMail223“ hat der CDU-Vorsitzende den Frauenförderer gegeben. Er schreibt dort im Zusammenhang mit dem Netzwerk „women@CDU“: „Wir brauchen überall mehr Frauen, die Politik gestalten, auch auf der kommunalen Ebene.“ Als angeblich erfolgreiche Beispiele nennt Merz: „Die zweite Bundestagspräsidentin wurde von der Union gestellt, ebenso die erste Bundeskanzlerin. Ursula von der Leyen ist die erste Präsidentin der EU-Kommission, und sie hat gerade ihre zweite Amtszeit begonnen.“ Eigentor, kann man da nur sagen. Ursula von der Leyen war auch die erste CDU-Verteidigungsministerin. Mehr Fehlbesetzung ging wirklich nicht!

Interessant ist, dass Merz weder den Namen Angela Merkel noch den Namen Rita Süssmuth nennt. Nun, wenn CDU ausgerechnet solche Frauen braucht, dann wird das mit der CDU nichts mehr.


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