Erst wenige Wochen bekleidet der Sozialdemokrat Olaf Scholz das in der deutschen Exekutive höchste Amt – das des Bundeskanzlers. Der für viele über lange Zeit völlig unerwartete Sieg bei der Bundestagswahl verschaffte ihm diese Chance. Doch schon jetzt fragen sich viele Bürger, wer dieser Olaf Scholz eigentlich ist. Eine Unsicherheit, die sich auch in den Umfragen dieser Tage spiegelt. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik haben eine Partei und ihr Kanzler nach so kurzer Zeit so viel Zustimmung verloren.
Es mehren sich Fragen wie diese: „Wohin will Scholz eigentlich?“, „Wann beginnt der Mann, zu führen?“, „Warum taucht Scholz immer wieder ab?“, „Ob Energiekrise oder Preisexplosion, Scholz bleibt im Nebel – warum nur?“, „Wo steht unser Land nun wirklich im Russland-Ukraine Konflikt?“
Auf all das verweigert der neue Bundeskanzler eine klare Antwort, von Richtlinienkompetenz erst gar nicht zu sprechen. Eine der Antworten ist in seiner machtorientierten Schläue und taktischen Begabung zu suchen. Ein Beispiel ist seine Reaktion auf die stärker werdende Kritik im Bündnis an der unklaren Positionierung gegenüber Russland. Das ist eine klare Aufgabe der Regierung. Scholz aber delegiert das in eine Runde von Parteioberen der SPD, getreu der Devise: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“ Ein klassischer Scholz eben. Es ist so, als ob man versucht, einen Wackelpudding an die Wand zu nageln: Es wird niemals gelingen.
Ob man es wahrhaben will oder nicht, zweifellos gehörte dazu auch, dass mit Merkel erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau ganz oben stand. Durch ihre Weiblichkeit verströmte sie auch ein Gefühl der Geborgenheit, welches Männern niemals gelingen kann. Deshalb musste auch der Versuch des gewieften Scholz fehlschlagen, in der letzten Phase des Wahlkampfes und den ersten Wochen der Kanzlerschaft seine Vorgängerin in Gesten und Mimik nachzuahmen. Zunehmend durchschauen die Deutschen diesen Trick und beginnen stückweise abzurücken.
Hinzuzufügen ist, dass Olaf Scholz der klassische Typ des Parteifunktionärs ist. Schon als Schüler trat er 1975 der Jugendorganisation der SPD, den Jungsozialisten, bei. Schnell machte er dort Karriere und wurde schließlich 1982, im Jahr des Regierungswechsels von Helmut Schmidt (SPD) zu Helmut Kohl (CDU), deren Bundesvorsitzender. Es waren die wilden Jahre des linken Protestes. Zum Sammelbecken all dieser Kräfte diente die, wie man heute weiß, maßgeblich von der DDR gesteuerte „Friedensbewegung“. Der Sozialdemokrat Helmut Schmidt scheiterte letztlich an der Weigerung seiner Genossen, der sowjetischen Aufrüstung mit nuklear bestückten SS-20 Mittelstreckenraketen in Form von amerikanischen Pershing 2 Raketen eine Kraft entgegenzustellen.
Die Gegnerschaft zum Kommunismus wurzelte nicht in einer inneren weltanschaulichen Grundüberzeugung, sondern in der Ansicht, der Sozialismus der DDR und auch der Sowjetunion sei verbürokratisiert und historisch stehengeblieben und deshalb reformbedürftig, aber den ‚postfaschistoiden‘ Gesellschaften des Westens auf dem Weg der Geschichte weit voraus. Sieht man einmal davon ab, dass diese Vorstellungen auf einem arg vereinfachten Verständnis des Marxismus basierten, musste sich mit ihr zwangsläufig ein prinzipieller Antiamerikanismus verbinden. Dies alles war prägend für die Generation in der Sozialdemokratie, die heute an die Hebel der Macht gelangt sind. Hier liegt ein ganz wesentlicher Aspekt für die wankelmütige Haltung zum Geschehen in und um die Ukraine.
Mit dieser Taktik gelingt es ihm bis heute, der Klärung seiner Rolle in der Cum-Ex Affäre bei einer Hamburger Bank und im Wirecard-Skandal immer wieder auszuweichen. Nur einmal in seiner Karriere wurde es für den Genossen wirklich eng: Während bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 linksradikale Chaoten einen ganzen Stadtteil nahezu verwüsteten, saß der 1. Bürgermeister ungerührt in der Elbphilarmonie. Draußen auf der Straße musste die Polizei vor der Übermacht der Chaoten zurückweichen. Welch eine Blamage für Deutschland. Aber auch hier gelang es ihm gleich einem trockenen Schwamm, den Sturm der Kritik und Entrüstung in sich versickern zu lassen.
Das für Scholz Tragische ist nur, dass die Nummer eins in Deutschland so nicht führen kann. Von einem „Kaliber“ mit Spitzenformat erwartet man klare und durchschaubare Haltungen und Entscheidungen.
Dies gilt besonders für die jetzige Gefahr eines Krieges in Europa. Ob in der Corona-Krise oder im Energiedebakel – im Gegensatz zu diesen hilft kein Durchmogeln, Abducken und Verschleiern. Jetzt ist Klarheit gefragt. 5.000 Stahlhelme reichen nicht aus.
Schon zu Beginn nächster Woche kommt es zur Nagelprobe. Der deutsche Kanzler trifft in Washington auf die Spitze der Vereinigten Staaten. Herumlavieren wird im Weißen Haus nicht mehr gehen.