Wer erinnert sich nicht an jene Zeiten, in denen noch vor der totalitären Instrumentalisierung von Kindern gewarnt wurde? Archivaufnahmen von Hitler oder Stalin, die sich mit Kindern umgaben, ließen moderne Zuschauer erschaudern und mit dem Kopf schütteln. Nein, solch ein propagandistischer Missbrauch von Kindern ist immer aufs Schärfste zu verurteilen, so der Konsens bis weit in die 2000er.
Zu diesem Thema ist es bemerkenswert still geworden. Hat wahrscheinlich etwas mit Glashäusern und Steinen zu tun. Denn seit Fridays for Future die Kinder als Hebel für die politische Lobbyarbeit erkannt hat, ist die Instrumentalisierung von Kindern für politische Projekte wieder salonfähig geworden.
Dennoch stellt die Unterbrechung des Tatort am abgelaufenen Sonntag durch „Kinder“ – genauer gesagt durch Carolin Kebekus und eine Reihe von Kinderschauspielern – eine nochmalige Grenzverschiebung dar, wie es sie bislang in Deutschland noch nicht gab. Der Hashtag #kinderstören ist dabei bewusst doppeldeutig gewählt. Einerseits stören Kinder den Tatort, aber – so moniert Kebekus – sie stören auch oft im Alltag.
Wenn Ursachenforschung ausbleibt
Ja, das Märchen von den Erwachsenen, die nicht genug auf die Weisheiten und Sorgen der Kleinen hören, ist ein Dauerbrenner innerhalb anti-autoritärer Pädagogenkreise, appelliert aber nicht an den Verstand, sondern einfach an die Emotion, die instinktiv ausgelöst wird, wenn Kinder zu Opfern stilisiert werden. Widmet man sich der Frage nüchtern, dann muss man aus konservativer Warte vielen der vermeintlichen Argumente von Kebekus entgegnen, dass es ja gerade sie und ihresgleichen sind, die viele der tatsächlichen Missstände verursacht haben.
Wenn Kebekus von 25-prozentiger Kinderarmut in Deutschland klagt, dann ist das tatsächlich ein bedauernswert hoher Wert, doch anstatt auf den Wohlstandsverlust im Rahmen der Energiewende – um nur ein Beispiel zu nennen – einzugehen, fordert Kebekus lieber die Kindergrundsicherung. Nicht nur, dass die vom Staat verursachten Probleme nicht angesprochen werden, die Lösung liegt jedes Mal zielsicher in einer Forderung nach noch mehr Staat.
Wenn Kebekus an anderer Stelle über Mobbing spricht, dann verschweigt sie wiederum geflissentlich, dass alle Parteien, die in den letzten 30 Jahren an Regierungen beteiligt waren, diesbezüglich nicht nur keinen Finger gerührt haben, sondern auch noch Warner wie Carsten Stahl – der seit Jahren auf diese Probleme hinweist und ganz konkrete Forderungen an die Politik stellt – abgebürstet hat und die Situation in sozialen Brennpunkten durch unregulierte Migration noch verschärft hat. Stattdessen fordert Kebekus mehr Kontrolle des Internet – sprich: Zensur –, obwohl es mit NetzDG und Digital Services Act (DSA) bereits mehr wie genügend Mittel gäbe, um der ohne verpflichtende Alterskontrollen frei verfügbaren Pornographie im Internet Einhalt zu gebieten. Geschehen davon ist nichts, dafür werden unliebsame Meinungen zensiert.
Wenn Kebekus insinuiert, dass unsere Gesellschaft so tut, als würden Kinder „stören“, dann erwähnt sie mit keinem Wort, dass die Lebenslüge von der Vereinbarkeit von Familie und Karriere für die allermeisten Frauen – wenn sie nicht hochdotierte Verträge vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten – nicht aufgeht und so mit dazu beigetragen hat, dass Deutschland, wie die meisten entwickelten Nationen, seit Jahrzehnten eine Geburtenrate weit unter dem Reproduktionsniveau besitzt. Wen „stören“ denn Kinder, wenn nicht karriereorientierte Frauen wie Kebekus?
Und natürlich liegt auch hier die vorgeschlagene Lösung in mehr staatlicher Betreuung, denn wenn Kinder den ganzen Tag in der Kita wären, würden sie ja nicht mehr „stören“. Obwohl es schon richtig ist, dass Kitas chronisch unterbesetzt sind, aber wen wundert’s, wenn eine Gesellschaft seit einem halben Jahrhundert allen jungen Menschen suggeriert, sie würden ihren wahren Lebenszweck nur dann erfüllen, wenn sie ein Studium absolvierten und somit zu etwas Besserem werden. Ob Kita-Betreuer oder Handwerker – sie alle bleiben auf der Strecke, dank mehrerer Generationen von „Vordenkern“ wie Kebekus.
Nette Kinder haben sie, wäre doch schade, wenn die ständig Angst haben müssten
Der Höhepunkt der gesamten Störaktion, jener Moment auf den ideologisch alles zusteuerte, wurde allerdings beim Thema „Kinderrechte“ erreicht, denn diese sollten, ja müssten im Grundgesetz verankert werden. Tierrechte wären es ja auch. Nur dass Kebekus offensichtlich vergaß, dass Kinder – im Gegensatz zu Tieren – auch Menschen sind, sodass die allgemein gültigen Menschenrechte ohnehin auch für sie gelten.
Diese gehen aber einigen wohl nicht weit genug, was man sehr gut an den Beifallsspendern der Aktion erkennen kann. Niemand geringerer als Familienministerin Lisa Paus fand sich auf X ein, um ein Hohelied auf die Aktion zu singen. Denn Paus und ihre grünen Parteikollegen setzen sich nicht nur für die Festschreibung der Kinderrechte im Grundgesetz ein, sondern auch für die der „sexuellen Identität“. Wenn da noch nicht der Groschen fällt: Erst vor wenigen Tagen forderte Tessa Ganserer die Kriminalisierung von Eltern, die sich gegen eine Geschlechtsumwandlung ihrer Kinder stellen. Wenn Leute wie Ganserer, Paus und Kebekus von Kinderrechten sprechen, dann sprechen sie also (auch) vom Recht auf Genitalverstümmelung Minderjähriger.
Aber wie einst schon der Erlkönig, so folgt auch Kebekus der Devise: Und bist Du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt. Nicht körperliche, natürlich nicht. Das wäre primitiv, wenig effizient und ist den Männern auf der Straße vorbehalten. Nein, zunächst einmal kommt die feine Klinge psychologischer Gewalt zum Einsatz. Das Recht auf das schwere Geschütz staatlicher Gewalt behält man sich in diesen Kreisen ja ohnehin immer vor.
Denn Kebekus erpresst ihr Publikum. Sie zählt auf, wie für Kinder Klimaangst „brutale Realität“ sei und 6-Jährige bereits „in den Kindernachrichten“ den Krieg im Nahen Osten erklärt bekommen. Ja, das stresst, aber wer ist denn dafür verantwortlich, wenn nicht Kebekus und ihr Arbeitgeber? Wer facht denn die irrationale Klimaangst seit Jahren hysterisch an und wendet sich dabei gezielt an junge und formbare Menschen? Ganz zu schweigen von den zahllosen Entgleisungen – auch von Kebekus – im Zuge von Corona, als Kinder wahlweise mit Pestratten oder mit einer Versündigung gegen Gaia verglichen wurden.
Die Erpressung von Kebekus besteht darin, dass sie die zerstörerische Wirkung der von ihr seit Jahren mitgetragenen Indoktrination auflistet und nun suggeriert, dass diese deprimierende Realität nur dann ein Ende haben könne, wenn man dem Staat endgültig die Verfügungsrechte an den Kindern übertrage. Die Unverfrorenheit jener Kräfte, die bereits so viel Schaden an unseren Kindern zu verantworten haben und die nun vollkommen skrupellos eben jene Kinder einsetzen, um uns zu weiteren Konzessionen zu erpressen, ist schier grenzen- und gewissenlos!
Ceterum censeo media publica esse delenda.