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Rot-Grüne Propaganda

Jubelmeldungen der Behörden zur Wirtschaft: Ein merkwürdiges Spiel

Haben alle am 2. Januar gefeiert, als das Statistische Bundesamt enthusiastisch die Rekordbeschäftigung in Deutschland verkündet hat? Ja? Nun zeigt sich, auf die Pressearbeit der Behörden ist im Wahlkampf kein Verlass – die Zahlen verraten Übles.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Wahlkampf beginnt am Montag so richtig. All die Feiertage, Geschenke, Sektbowlen und Brückentage haben für einen Ausnahmezustand gesorgt, der den Alltag vergessen ließ. Doch das ist am 6. Januar vorbei. Dann geht ein großer Teil der Bevölkerung wieder regulär arbeiten und es prägt sich aufs Neue ein Grundgefühl für die Lage im Land ein, das von den Daten, vom Rationalen durchaus abweichen kann. Olaf Scholz und Robert Habeck haben dadurch eine reelle Chance, mit ihrer Erzählung vom grünen Wirtschaftswunderland durchzukommen, in dem es doch eigentlich und im Prinzip schon irgendwie läuft. Oder die Opposition dringt durch mit den wahren Zahlen, die das Sterben der deutschen Wirtschaft und mit ihr des deutschen Wohlstands belegen. Jede Pressemitteilung der Agentur für Arbeit oder des Statistischen Bundesamtes wird damit zum Politikum.

Ohnehin sind solche Behörden in ihrer Führung von den rot-grünen und christmerkelianischen Parteisoldaten besetzt, die unter „unserer Demokratie“ oft das Vorrecht auf diese Stellen verstehen. Das Statistische Bundesamt zeigt am Donnerstag, wie unterschiedlich sich die gleichen Zahlen präsentieren lassen: „Erwerbstätigkeit im November 2024 etwas höher als im Vormonat“, oder „Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2024 auf neuem Höchststand“. Damit behandelt das Amt das gleiche Thema – verkauft es aber anders.

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Die Zahlen zur Erwerbstätigkeit bildeten die Grundlage für die Jubelmeldung im neuen Jahr. Über Weihnachten und Silvester vergessen die Wähler vieles, die erste Meldung im Jahr 2025 sollte ihnen verdeutlichen, dass es doch eigentlich super läuft. Mit der Zuwanderung, die eine Zahl von 46,1 Millionen Erwerbstätigen im Jahresschnitt überhaupt erst ermöglichte. Und mit der Wirtschaft, um die es ja gar nicht schlecht stehen kann, wenn 46,1 Millionen Menschen arbeiten.

Unter der euphorischen Überschrift relativiert sich die Meldung des Amtes dann schon in deren Fließtext: Zwar ist die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt um 72.000 Menschen gestiegen. Doch das beruht auf einem Wachstum in der Dienstleistung um 153.000 beschäftigte Personen. Im Produzierenden Gewerbe ist die Zahl um 50.000 Personen hingegen auf nur noch 8,1 Millionen Beschäftigte zurückgegangen. Wo der deutsche Wohlstand erwirtschaftet wird, schrumpft die Zahl der Arbeitsplätze. Wo der deutsche Wohlstand verfrühstückt wird, wächst die Zahl. Obendrein gehören zur Dienstleistung Branchen wie die Gastronomie oder die der Paketdienste, die für ihre notorisch schlechte Bezahlung berüchtigt sind. So lässt sich denn auch erklären, warum es in Deutschland zwar Jubelmeldungen über die Beschäftigung geben kann – während gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt zweimal in Folge schrumpft.

Hinzu kommt noch, dass die Zahl der Selbstständigen in Deutschland so schrumpft wie die Wirtschaft selbst: Ihre Zahl ist im abgelaufenen Jahr um 74.000 auf 3,8 Millionen Selbstständige zurückgegangen. Der Berliner und Brüsseler Bürokratie-Wahnsinn erdrückt Eigenständigkeit derart, dass immer mehr Menschen eher in schlecht bezahlte Hilfsjobs fliehen, statt zu versuchen, sich selbst was aufzubauen.

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Am Freitag erscheint dann die Meldung der Agentur für Arbeit zur Arbeitslosenzahl. Das ist ein durchaus bemerkenswertes Detail. Normalerweise liefert das Haus der ehemaligen SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles am ersten Werktag des neuen Monats. Doch dieses Mal überließ das sozialdemokratisch geführte Haus dem Statistischen Bundesamt und seiner Jubelmeldung den Vortritt, um den Ton für das neue Jahr zu setzen. Die sozialdemokratische Agentur nahm freiwillig den für mediale Verbreitung undankbaren Brückenfreitag.

Es liegt aber auch nicht im Interesse der SPD, ihres Kanzlers oder ihres Arbeitsministers Hubertus Heil, dass die Zahlen der Agentur sich allzu weit verbreiten. Am besten nicht bis ins Bewusstsein der Wähler. 2,8 Millionen Menschen waren in Deutschland im Dezember arbeitslos. 170.000 mehr als im Dezember 2023. Auch die Zahl der „Unterbeschäftigten“ ist gestiegen: um 100.000 auf 3,6 Millionen. Das sind die Arbeitslosen, die krank gemeldet sind, oder die das sozialdemokratische Haus aus der eigentlichen Statistik herausmogelt, indem es diese in Maßnahmen wie Bewerbungs- oder Persönlichkeitstraining schickt.

74.000 Beschäftigte mehr übers Jahr. Aber nur wegen des Zuwachses im Dienstleistungsbereich. Demgegenüber stehen faktisch 270.000 Arbeitslose mehr. Da ist nicht einmal mitgerechnet, dass knapp die Hälfte der vier Millionen erwerbsfähigen Empfänger von Bürgergeld Ausländer sind. Schon sieht die Statistik über die Zuwanderung und ihre Folgen gar nicht mehr so gut aus, wie es die Vorlage des Statistischen Bundesamtes am Donnerstag suggeriert hatte – und wie es rot-grüne Multiplikatoren dankbar aufgegriffen haben. Fast so, als hätten sie mit dieser Meldung gerechnet.

Zu viele Zahlen? Zu wenige praktische Folgen? Okay. Noch eine Zahl, dann geht es zu den praktischen Folgen: Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat am Freitag mitgeteilt, dass die deutschen Kommunen mit 17 Milliarden Euro unterfinanziert sind. Das werde dazu führen, dass Städte und Gemeinden oft nicht mehr das finanzieren dürfen, was das Zusammenleben attraktiv macht: Schwimmbäder etwa, oder öffentliche Bühnen.

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Der Präsident des Verbandes, Uwe Brandl, sagt auch, warum die Städte und Gemeinden so deutlich unterfinanziert sind: „Kommunen müssen seit mehr als 20 Jahren immer mehr Leistungen erbringen, ohne dafür von Bund und Ländern eine ausreichende Gegenfinanzierung zu erhalten.“ Zum einen entstehen den Kommunen unmittelbar Kosten durch Entscheidungen in Berlin oder in den Landeshauptstädten. Brandl nennt als Beispiel die absurden Auflagen für den Bau von Schulen.

Zum anderen müssen die Kommunen mittelbar die Kosten für die Politik im Bund und in den Ländern tragen. Die Ampel hat das Bürgergeld innerhalb eines Jahres um 25 Prozent erhöht. Heils Arbeitsministerium wirbt national und international damit, dass Deutschland den Zugang zum Bezug von Stütze erleichtern will. Und in diesem verqueren Sinn hatte die Ampel denn auch Erfolg: Seit Jahren steigen die Sozialausgaben laut Städtebund im zweistelligen Prozentbereich. 2025 rechnen allein die Kommunen für sich mit Ausgaben von über 80 Milliarden Euro. Würde die Wirtschaft boomen, wäre das kein Problem, sagt Brandl vor der Bundespressekonferenz. Doch weil sie so schwächele, wie sie schwächele, könnten die Städte und Gemeinden wesentlichen Aufgaben bald nicht mehr nachkommen.

Das Jobwunder durch die Integration? Bleibt aus. Die Reform von Hartz IV zum Bürgergeld? Macht das Zuhausebleiben attraktiver. Die Wirtschaft? Ihre Schwäche zeigt sich allmählich so deutlich in der Realität, dass es immer stärker verdrehte Jubelmeldungen brauchen wird, um dieses Bild zu übertünchen. Scholz, Habeck, Heil und ihre Erfüllungsgehilfen in den staatlichen und staatsnahen Medien werden alle Hände voll damit zu tun haben, das Bild von einem Land zu zeichnen, in dem es im Prinzip läuft. Am Montag geht es erst richtig los.

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