Das Überraschendste an der ersten Präsidentschaftsdebatte in den USA war wohl die im Nachgang offen zur Schau gestellte Verwunderung der medialen Öffentlichkeit über den gesundheitlichen Zustand von Joe Biden. Selbst jene, die sich ansonsten kaum mit der US-Politik befassen, konnten im Laufe des letzten Jahres regelmäßig Zeugen des fortschreitenden Verfalls des amtierenden Präsidenten werden.
Gewiss, lustige Versprecher müssen nicht unbedingt ein Indiz für altersbedingte Probleme sein, in Deutschland bekommen das auch Mittvierzigerinnen mit Sportlervergangenheit hin, aber im Fall von Joe Biden ließ sich bereits seit geraumer Zeit erkennen, dass ihn das Tagesgeschäft als nominell mächtigster Mann der Welt sowohl geistig, wie auch körperlich überforderte.
Während dies aber medial noch bis vor wenigen Tagen als Verschwörungstheorie oder gar als Deep Fakes abgetan wurde, machte man sich intern schon längst nichts mehr über den Zustand von Joe Biden vor. Bereits im Januar veröffentlichte das Investigativportal von James O’Keefe ein Undercover-Gespräch mit dem Chef der Cybersicherheit im Weißen Haus, in dem dieser unumwunden zugab, dass die Demokraten nach Wegen suchen, ihre Kandidaten auszutauschen, da Joe Biden ganz offensichtlich nicht mehr für das Amt geeignet sei, und selbst schwarze Wähler mit Kamala Harris nichts anzufangen wüssten.
Als O’Keefe, der sich in bester Superman-Manier lediglich mit einer Brille getarnt hatte, sich dem Mitarbeiter offenbarte, fragte er diesen, wie es möglich sei, dass er ihn nicht erkannt hatte. Was damals als Zeichen von Inkompetenz gewertet wurde, könnte retrospektiv betrachtet auch ein bewusster Versuch gewesen sein, diesen Zweifel auch bei der Anhängerschaft der Demokraten zu säen. Denn irgendwann muss man sich entscheiden: Ist der vielzitierte „tiefe Staat“ inkompetent? Oder doch so mächtig, dass er im Hintergrund Fäden zieht, die bereits um zwei Ecken voraus denken?
Drehbuchreif ins Messer laufen lassen
Jetzt allerdings platzte im ersten Präsidentschaftsduell die Bombe. Denn obwohl Trump ebenfalls nicht mehr die Frische seiner ersten Kandidatur mitbringt, war es Joe Biden, der trotz intensivster Vorbereitung immer wieder Aussetzer hatte und der vor allem im Umgang mit diesen Aussetzern offenbarte, dass er nicht einfach in die Spur zurückfinden kann, wenn er diese erst einmal verlassen hat.
Nichts Neues also, bis auf die Tatsache, dass dies wohl die größtmögliche mediale Bühne war – notabene gegen den verhassten Widersacher – auf der sich das Schauspiel nun zutrug. Und Schauspiel trifft es ganz gut, wenn man sich auch die Reaktionen der Journaille ansieht. Das heuchlerische Entsetzen über den sich plötzlich offenbarenden Zustand von Joe Biden hat etwas von einer billigen Schmierenkomödie. Wenn es aber etwas in dieser Zeit der Narrative gibt, das man mit Sicherheit sagen kann, dann ist es die Tatsache, dass solche plötzlichen Sinneswandel nicht improvisiert werden, oder gar ehrliche Reaktionen darstellen, sondern immer streng nach Drehbuch laufen.
Und dieses Drehbuch ist hollywoodreif, denn für die amerikanische Linke steht die gesamte Narrativkontrolle auf dem Spiel! Nicht nur, dass es eher unüblich ist, dass ein amtierender Präsident nicht zur Wiederwahl antritt – mit Kamala Harris haben die Demokraten die erste schwarze Vizepräsidentin der Geschichte an zweiter Stelle, die einerseits wohl nicht imstande wäre die Wahl zu gewinnen, die aber andererseits zu umgehen einen Betrug an den Kernwerten von Diversität und Quote darstellen würde.
Um diesen großen Schritt zu wagen, um wie ein Phoenix aus der Asche emporzusteigen, braucht es eine große Geschichte, denn nur große Geschichten können die Aufmerksamkeit so auf das endgültige Ziel lenken, dass auf dem Weg dahin so mancher Fehltritt vergeben wird. Die Demokraten brauchen nicht nur einen neuen Kandidaten, sie brauchen einen Helden! Und die besten, amerikanischten Helden sind Helden wider Willen. So wie John Rambo einer war, der nur in Ruhe gelassen werden wollte, aber dann doch seine Kameraden rettete, weil es sonst niemand konnte.
Die Clans drängen zurück ins Weiße Haus
Der Rambo der Demokraten kann eigentlich nur Michelle Obama heißen, denn im Zeitalter der Narrative verfügt Michelle über all jene Qualitäten, die viel wichtiger sind als tatsächliche politische Qualifikation oder Erfahrung.
Nicht nur Hollywood verwurstet bereits seit Jahrzehnten Filmreihen bis zur Unendlichkeit und dichtet unnütze Vorgeschichten oder Rahmenhandlungen zu Filmen, die solcher Rahmenhandlungen nie bedurften. Auch die politische Landschaft der USA war und ist eine große Geschichte.
Seit den 90er Jahren wechselten die Vertreter von Republikanern und Demokraten einander im 8-Jahres Turnus ab. Das war die ungefähre Halbwertszeit, bevor dem Volk nach etwas anderem dürstete. Auffallend war dabei nicht nur, dass es bis zur missglückten Wahl von Hillary Clinton eine Angelegenheit 3er Familien war, die sich die Politik der USA für fast 30 Jahre unter den Nagel gerissen hatten, sondern auch, dass die scheinbar gegensätzlichen Vertreter von Demokraten und Republikanern ein sehr gutes Verhältnis zueinander pflegten.
Die Clintons, Obamas und die Familie Bush wurden oft in trauter Runde fotografiert und erweckten nie den Eindruck, es gäbe größere Differenzen zwischen den Clans – auch wenn Bush Jr. als Vertreter der Neocons eigentlich nichts mit einem „light-Sozialisten“ wie Obama gemein haben sollte.
Die Wahl von Donald Trump war in der Hinsicht wohl tatsächlich ein Fehler in der Matrix, was nicht zuletzt daran zu erkennen war, dass ihn seine Amtsvorgänger von demokratischer wie republikanischer Seite übelst diffamierten.
Doch es war ein Übel, mit dem man sich abfinden konnte. Immerhin: Spätestens nach 8 Jahren wäre Trump wieder weg. Mit diesen 8 Jahren rechnete man allerdings wohl, denn seit Bill Clinton wurden alle Präsidenten in ihrem Amt bestätigt. Die „Zwischenwahl“ nach 4 Jahren nutzten die Herausforderer meist dazu, altgediente Veteranen ins Rennen zu schicken, die sich auch mal eine Nominierung verdient hatten, von denen aber niemand erwartete, dass sie wirklich gewählt würden. Es waren vergleichsweise nichtssagende Gestalten wie John Kerry, John McCain, oder Mitt Romney, die ins Rennen geschickt wurden, um aller Voraussicht nach zu verlieren.
Die Nominierung von Joe Biden und Kamala Harris nach der ersten Amtszeit von Donald Trump muss genau so verstanden werden. Es war ein Dankeschön an Joe Biden, der unter Barack Obama den Vizepräsidenten gegeben hatte und nun einmal auf der größten Bühne ins Rampenlicht durfte. Und die Nominierung von Kamala Harris war vor allem als Aperitif für das Hauptgericht in vier Jahren gedacht. Die erste schwarze Frau als Vizepräsidentschaftkandidatin sollte den Weg bereiten für die erste schwarze Frau an der Spitze der Nation.
Dann aber die Überraschung: Die aktive Kampagne, um Trump ein Versagen in Sachen Covid anzudichten, hat funktioniert und überraschend gewannen Biden und Harris das weiße Haus für sich. Das war zwar zunächst ein Erfolg, den man gerne mitnahm, führte aber zum jetzigen Dilemma.
Normalerweise käme nun die zweite Amtszeit von Donald Trump an ihr Ende und es gäbe Raum für die Rückkehr der Obamas ins Weiße Haus. Nun aber steht dieser Rückkehr nicht so sehr Donald Trump oder die Republikaner, sondern Joe Biden im Weg.
Eine Heldin wie Rambo
Bereits nach der Wahl von Donald Trump 2016 war absehbar, dass eine narrativgetriebene Politik nicht anders kann, als 2024 entweder Michelle Obama oder – als progressiven Gegenentwurf zu Donald Trump – Oprah Winfrey für die Demokraten ins Rennen zu schicken. Nur diese Ikonen moderner schwarzer Frauen könnten dann das Land vom Albtraum des Donald Trump noch retten. Doch das Narrativ wurde verkompliziert. Vor Biden und Harris kann man das Land ja – offiziell – kaum retten, es braucht also nicht nur einen totalen Absturz, es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dies sei in irgendeiner Art und Weise von langer Hand geplant gewesen.
Als im Laufe des letzten Jahres – 7 Jahre nachdem diese Pläne wohl erstmals gefasst wurden – langsam Gerüchte gestreut wurden, ob Michelle Obama sich eine Kandidatur vorstellen könnte, zeigte sie sich widerwillig. Nachdem sie bei ihrem Mann gesehen hatte, was dieser Job mit einem macht, habe sie keine Lust darauf, so ließ sie damals verlautbaren. Alleine solche Aussagen machen sie aber bereits zur perfekten Kandidatin. Sie weiß worauf es ankommt, giert aber nicht nach dem Amt. Eine echte amerikanische Heldin, die nie darum fragte, ein Held zu sein, aber im Endeffekt tun wird, was getan werden muss. Wie John Rambo.
Nun liegt der Ball bei den Medien, die die Demontage von Joe Biden im Eiltempo vorantreiben müssen und den Hilferuf nach der Retterin so ohrenbetäubend erscheinen lassen müssen, dass Michelle nicht anders kann, als zähneknirschend zu ihrem Gatten zu gehen und das Gespräch zu suchen. Sie wird zweifeln, ob sie es kann, ob sie es will. Und er wird ihr sagen, dass er überzeugt ist, sie würde die beste Präsidentin sein, die es je gab. Immerhin, sie habe es mit ihm ausgehalten, was ist dagegen schon das beste Land der Welt zu lenken? Dann küsst er sie auf die Stirn und als die Anspannung sich mit einem Lächeln löst, schickt er sie mit einem „You go, girl“ in die politische Arena.
Klingt nach Hollywood? Vielleicht. Aber genau solche Assoziationen werden in Kürze wohl geweckt werden. Die mediale Kampagne ist bereits angelaufen. Die Regie hat Joe Biden, als wäre er Ned Stark aus Game of Thrones, im Glauben er wäre der Hauptdarsteller ins Rennen geschickt – und ließ ihn nun ins offene Messer laufen. Der Präsident mag zwar noch nicht tot sein, aber vermutlich schon längst dement. Lang lebe die baldige Präsidentschaftskandidatin!