Tichys Einblick
Ein Wort zum Osterfest

Jesus Christus, der Grenzenschützer

Ein alternativer Blick auf einen Religionsgründer. Von Pfarrer Achijah Zorn.

© Getty Images

Die gegenwärtigen Mainstream-Christen haben es nicht so sehr mit Grenzen. „Wir müssen Brücken bauen statt Mauern“, ruft der Papst vollmundig und kindergartentauglich aus seinem Vatikanstaat. Dort waren wir mit der Familie Ostern 2018 in einem wunderbaren Ostergottesdienst. Und zum Glück hat der Papst sich bei diesem Event nicht an seine eigenen Worte gehalten: Große Mauern um den Vatikanstaat herum, eine Schweizer Garde und eine hochmoderne Sicherheitsfirma haben Messer, Sprengstoff, Regenschirme und andere gefährliche Gegenstände draußen gehalten. Durch all diese Abwehrmaßnahmen der Festung Vatikanstaat konnten wir uns in der großen Masse der Ostermesse sicher fühlen und mit ganzem Herzen den tollen Gottesdienst feiern.

Danke, dass selbst der Papst jenseits von seinen simplen Parolen nicht die Realität aus dem Auge verloren hat – zumindest im eigenen Bereich. Es wäre auch zu schade um die Kunstschätze der Vatikanischen Museen, wenn der Papst die Mauern niederreißen würde und statt dessen lauter ungesicherte Brücken ins Museum bauen würde. Schneller als der Papst auf das achte Gebot verweisen könnte, würden dann seine Kunstschätze Beine bekommen und sich auf Basaren und in Tresoren wiederfinden.

Darum hatte ich früher meinen dreijährigen Kindern gegen alle einseitigen Kindergartensprüche beigebracht: „Manchmal muss man Mauern bauen. Manchmal muss man Brücken bauen. Beides hat seine Zeit. Möge Gott uns gute Gespräche schenken, in denen wir diskutieren und streiten, was jeweils dran ist …“ Einfacher geht es leider nicht.

Auch auf evangelischer Seite schließt man Kirchentüren ab, damit Leute in ungesicherten Kirchen nicht urinieren oder klauen, wie oft genug in meiner eigenen Kirche geschehen. Aber auf der Ebene der Politik hält auch die offizielle evangelische Kirche nicht so viel von Grenzen. Je offener, um so besser. Je bunter, um so doller. Je globalistischer, um so christlicher.

Und die verstorbene evangelische Halb-Heilige Dorothee Sölle posaunt vollmündig aus ihren Büchern – als Mischung aus Gebet und Revolutionsaufruf an alle guten Christenmenschen: „Eines Tages wird die Erde allen Menschen gehören und die Menschen werden frei sein, so wie du, Gott, es gewollt hast, von Anfang an.“ Hört sich ja ganz schön fromm an! Aber beim Blick in die Kirchengeschichte graut es mir vor den Christen, die mit religiöser Inbrunst alle Besitzverhältnisse überwinden und die gesamte Menschheit mit einer neuen Freiheit beglücken wollen. Und die dabei das ganze noch als Gottes eindeutigen Willen verkaufen, den wir hier und jetzt als Paradies auf Erden zu verwirklichen haben. Gegen diese fundamentalistische Aufdringlichkeit solch vermeintlich christlicher Parolen wünsche ich mir sehnlichst ein paar Grenzen und Mauern, hinter denen ich mich und meine Freiheit schützen kann.

Genau bei diesem Wunsch nach Abgrenzung kommt mir mein über alles geliebter Jesus Christus zur Hilfe. Der weiß von grenzensloser Liebe. Aber nur gegenüber Gott! „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ Aber gegenüber unseren Nächsten begrenzt Jesus die Liebe: „Liebe deinen Nächsten WIE DICH SELBST.“ Also keine grenzenlose Liebe in der Mitmenschlichkeit, sondern nur soviel Nächstenliebe wie Eigenliebe.

Peter Sloterdijk bringt das philosophisch auf den Punkt: „Es gibt keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung“, indem wir durch eine unbegrenzte Willkommenskultur unsere Sozialsysteme, unsere innere Sicherheit und unsere eigene Kultur gefährden. Auch in der Flüchtlinghilfe gilt eben: „Liebe die Asylsuchenden, aber nicht mehr als dich selber.“

Damit ist Peter Sloterdijk näher dran an dem jüdisch-christlichen Doppelgebot der Liebe als manche Theologen und Päpste, die das Gespür für die Selbstzerstörung verloren haben. Kein Wunder, wenn Kirchen in ihrem unbegrenzten Liebeseifer dem Burn-Out = der Selbstzerstörung nahe sind.

So wehre ich mich dagegen, wenn Jesus Christus von beiden Großkirchen als religiöser Garant der einseitigen kosmopolitischen Ideologie missbraucht wird.
Und gegen allzu simple Kirchenparolen bleibt auch mir als Erwachsenem nichts anderes, als was ich meinen dreijährigen Kindern beigebracht hatte: „Manchmal muss man Mauern bauen. Manchmal muss man Brücken bauen. Beides hat seine Zeit (Prediger Salomo 3,1ff). Möge Gott uns gute Gespräche schenken, in denen wir diskutieren und streiten, was jeweils dran ist …“ Einfacher geht es nicht. Und einfacher macht es uns auch der christliche Glaube nicht.

In diesem Sinne wünsche ich ihnen ein gesegnetes Osterfest.
Ostern steht für das Leben und nicht für die Selbzerstörung!
Ostern steht für die grenzenlose Liebe Gottes und für unsere sehr wohl begrenzte menschliche Liebe!

Pfarrer Achijah Zorn

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