Assistierter Suizid ist ein Reizthema, das existenzielle Ängste weckt: vor Kontrollverlust, vor Hilflosigkeit und unerträglichen Schmerzen. Zugleich ein Thema, das gerade aufgrund dieser Implikationen ungern diskutiert, und zumeist nur diffus-emotional wahrgenommen wird.
Dasselbe gilt für „Mitleid“: Die Erfahrungen in Ländern, die niedrigschwelligen Zugang zu assistiertem Suizid und Euthanasie bieten, etwa Belgien, die Niederlande oder Kanada, belegen durchweg, dass die Normalisierung von assistiertem Suizid keinen Zuwachs an Menschlichkeit bringt, sondern eine lebensfeindliche Atmosphäre schafft, in der Menschen sich genötigt fühlen, zu sterben, um anderen nicht zur Last zu fallen, und in der nicht selten Euthanasierung finanziell lohnender ist als Therapien und Palliativversorgung. Tötung wird als Hilfe deklariert.
Vor diesem Hintergrund ist die Anhörung, die am 26. März am römischen Verfassungsgerichtshof stattfinden wird, von besonderer Bedeutung. Denn hier werden tatsächlich Betroffene selbst zu Wort kommen: Unheilbar Kranke werden den Verfassungsrichtern ihre Sicht der Dinge schildern.
Beihilfe zum Selbstmord steht in Italien unter Strafe. Allerdings hatte der Verfassungsgerichtshof bereits 2019 festgestellt, dass keine Strafbarkeit vorliegt, wenn vier Parameter erfüllt seien: Zum einen müsse der Patient dazu in der Lage sein, eine freie und informierte Entscheidung zu treffen, er müsse an einer unheilbaren Krankheit leiden, und diese müsse „Quelle physischen oder psychischen Leidens sein, das er oder sie als unerträglich betrachtet“. Zudem ist Voraussetzung, dass der Patient lebenserhaltenden Maßnahmen unterliegt, deren Abbruch seinen baldigen Tod herbeiführen würde. Dies liegt etwa bei Anschluss an Beatmungsgeräte vor, oder wenn der Patient über eine nasogastrale Sonde ernährt werden muss.
Nun geht der Gerichtshof der Frage nach einer Aufweichung dieser Kriterien nach. Im Raum steht die mögliche Abschaffung des vierten Parameters. Damit würde für die Beantragung eines assistierten Suizids ausreichen, dass der Betroffene zu einer „freien und informierten“ Entscheidung in der Lage ist, an einer unheilbaren Krankheit leidet, und sein Leiden als unerträglich empfindet. Dies könnte dann auch Menschen betreffen, die etwa infolge eines Verkehrsunfalls dauerhaft im Rollstuhl sitzen, oder womöglich auch Menschen, die unter Depressionen leiden.
Dass hier nicht bloß „Sachverständige“ und „Experten“ einbezogen werden, sondern unheilbar erkrankte Menschen selbst, ist ein wichtiges Signal. Zwei haben bereits vor dem Gerichtshof für die Ausweitung der Sterbehilfe plädiert. Nun werden vier Patienten, die nach einer Gesetzesänderung assistierten Suizid in Anspruch nehmen könnten, die gegenteilige Position vertreten.
„Die Vorschrift, die die Beihilfe zum Selbstmord unter Strafe stellt, ist eine Vorschrift zum Schutz der Schwachen. Ihre Anwendbarkeit einzuschränken, bedeutet, den Schutz des Lebens zu verringern“, so Carmelo Leotta, außerordentlicher Professor für Strafrecht an der europäischen Universität von Rom, gegenüber TE. Er ist einer der beiden Anwälte, der die vier Menschen vertritt: „Die vier italienischen Patienten, die gegen Suizidbeihilfe sind, fordern, dass der Schutz ihres Lebens nicht eingeschränkt wird“, so Leotta weiter.
Er begrüßt die Anhörung: Der Verfassungsgerichtshof sei für alle da, er solle auch die Stimmen der Betroffenen hören. Die Patienten haben eine Teilnahme am Verfahren gefordert, um dafür einzutreten, dass die Abhängigkeit von lebenserhaltenden Maßnahmen als eine der Voraussetzungen für die Straffreiheit der Sterbehilfe beibehalten werden müsse, da ansonsten der Schutz ihres Rechts auf Leben eingeschränkt würde: Der Zugang zu assistiertem Suizid hinge dann lediglich von der Aufrechterhaltung des eigenen Lebenswillens ab, unabhängig von einer objektiven Bewertung der Schwere des Zustands, der wiederum bei einem Antrag auf lebenserhaltende Maßnahmen erforderlich sei.
In einer Verlautbarung verweisen die Anwälte der Patienten auch darauf, dass das Leben ihrer Mandanten als unheilbar Kranke als weniger schützenswert eingeordnet würde als das Leben gesunder Menschen. Denn für diese gelte das Prinzip der Nichtverfügbarkeit weiterhin.
Sie widersprechen dabei jenen, die suggerieren, dass es inhuman sei, einem Menschen den Zugang zur Selbsttötung zu verwehren. Sie machen deutlich, dass für den Erhalt einer menschenfreundlichen und menschenwürdigen Gesellschaft die Freigabe des assistierten Suizids keineswegs alternativlos ist. Eine wichtige Maßgabe auch im Hinblick auf Deutschland, wo eine Regelung zum assistierten Suizid noch immer aussteht.