Mein Sohn liebt es, wenn ich ihm Max und Moritz vorlese! Er hat es selbst gelesen, mehr als einmal, doch das Vorlesenlassen ist ihm ein besonderer Spaß. Er spricht schon weite Teile mit, Wort für Wort. – Es genügt, wenn ich die Einsetzungsworte spreche, »Ach, was muss man«, und er kräht weiter: »oft von bösen – Kindern hören oder lesen!«
Max und Moritz – Eine Bubengeschichte in sieben Streichen ist eine gereimte Kindergeschichte von Wilhelm Busch, 1865 zuerst veröffentlicht. Zwei schwererziehbare Jungs erfreuen sich daran, die braven Bürger des Dorfes zu quälen. Die Berichte von den Streichen sind verbunden mit dem berühmten Gelenk »Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich«, bis dann endlich, »wehe, wehe« »das Ende« kommt.
Es wird wenig Motivation angegeben, warum die beiden Jungen das friedliche Dorfleben sabotieren. Während der Appetit auf gebratenes Hühnchen verständlich ist, scheinen andere teils lebensgefährliche Anschläge mehr von einem kindlichen Sadismus getrieben zu sein.
Die destruktiven Interaktionen von Max und Moritz werden seit jeher Streiche genannt – schon im Untertitel des Bilderbuches: »Eine Bubengeschichte in sieben Streichen«. – Was aber macht einen Streich zu einem solchen?
Schabernack, Jokus, Ulk
Mein Vater hat bis heute die Encyclopedia Britannica im Regal stehen. Es sind 30 Bände, und es war die erste größere Investition, die wir nach der Flucht in den Westen taten – noch vor der Schrankwand, in der die Bände ihren Platz fanden. Alles Wissen zum Anfassen, bei sich daheim – was für ein Symbol der Freiheit! – Doch, heute schlägt auch er, wenn er schnell etwas wissen möchte, bei Wikipedia nach.
In der Wikipedia findet sich schnell alles Wissen der Welt. Bei Wikipedia geht es demokratisch und neutral zu: Drei Teenager können zwei Physikprofessoren zum Stand der Nuklearforschung überstimmen, und auch die Unabhängigkeit ist dank großzügiger Spender wie George Soros gesichert (2.000.000 US-$, siehe wikimediafoundation.org, 15.10.2018).
Die deutsche Wikipedia nun erklärt den Streich derzeit so:
Der Streich (auch Schabernack, Jokus und Ulk sowie als Anglizismus Prank) ist eine mutwillige, listige oder hinterlistige Handlung gegen andere, die keine schwerwiegenden rechtlichen Folgen hat. Es handelt sich dabei oft um ideenreiche Einfälle, um andere zu ärgern, zu provozieren oder zu erschrecken. (de.wikipedia.org zu »Streich«, abgerufen 3.3.2019)
Wie erklärt ein Wissenschaftler die Welt? Ähnlich wie ein Propagandist seine Propaganda betreibt! Der Staatsfunkler wirft sein Framing ins Volk, und schaut, was davon funktioniert – der Wissenschaftler probiert verschiedene Thesen und Theorien an der Realität aus, und er schaut, welche davon interessante Erklärungen und überprüfbar richtige Vorhersagen treffen. – Ich spiele derzeit mit der These, dass die aktuelle Politik am treffendsten mit einem großangelegten (und makabren) Streich zu erklären wäre, den höhere Mächte uns spielen.
Betrachten wir doch noch einmal, was einen Streich ausmacht!
Ein Streich ist …
- Eine mutwillige, listige oder hinterlistige Handlung,
- die keine schwerwiegenden rechtlichen Folgen hat,
- mit dem Ziel – zu ärgern, zu provozieren oder zu erschrecken.
Ich würde eine weitere Komponente hinzufügen, welche die Qualität und Wertigkeit eines Streiches beschreibt:
- Ein guter Streich offenbart dem Opfer etwas über sich selbst, etwa über seine Gutgläubigkeit, oder darüber, wie leicht sein Zorn zu wecken ist.
Ich will diese These sogleich prüfen, doch erst: die Nachrichten!
Mit pochender Raute
Wir haben Frau Merkel schon länger nicht so glücklich grinsen gesehen. Sie scheint ihr Glück kaum fassen zu können! Als hätten die Abteilung »Nudging« im Kanzleramt, die Abteilung »Demokratie leben!« im Familienministerium, sowie die Abteilung »Framing« beim Staatsfunk ihre propagandistischen Kräfte zusammengetan, um von Gewalt, Kriminalität und Toten abzulenken, wird allen Ernstes eine pausbäckige schwedische Jugendliche verehrt, als wärs die erschienene Gottesmutter. Es ist ein Hochfest der Infantilität, mit Schuleschwänzen als angeblicher Protestform – man möchte satirisch begleitend ein »Kaffeetrinken gegen Rechts« und das »Saufen gegen Rechts« vorschlagen, vielleicht sogar »Fernflüge gegen CO2-Ausstoß«, doch wir wissen, dass dies keine Satire mehr wäre.
Es verwundert wenig, dass Merkel den moralfurnierten Infantilismus mit offenem Herzen und pochender Raute begrüßt und gleich vereinnahmt: »Merkel lobt Schüler-Demos fürs Klima« holpert die Schlagzeile in bild.de, 3.3.2019 daher. Sie lobt, so lesen wir, dass »junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, demonstrieren und uns sozusagen mahnen, schnell etwas für den Klimaschutz zu tun«.
Volker Pispers sagte einmal – ich zitiere aus dem Gedächtnis – dass wenn die Leute mit den Mistgabeln gegen Merkel demonstrieren, sie sich einfach umdreht und sagt: »Die stehen alle hinter mir!«
Meine These ist, dass dies alles kaum von einem Streich zu unterscheiden ist, der dem Land da gespielt wird.
- Es wird zum Schaden aller Beteiligten gehandelt, und es wirkt mutwillig: Die Kinder lernen, dass Marschieren und das »richtige« Gefühl wichtiger als Bildung und Faktenwissen ist.
- Die demonstrierende demonstrative Dummheit ist zweifelsohne provokant und ärgerlich.
- Die Verursacher aber haben wenig rechtliche Konsequenz zu fürchten, obwohl sie gegen die Schulpflicht, beziehungsweise nach mancher kritischen Interpretation auch insgesamt gegen den Amtseid zu verstoßen scheinen.
Anmerkung: Wenn die Regierung und der Staatsfunk hinter dir stehen, dann kann das, was du tust, vieles sein, aber gewiss kein »Protest«. Nun, immerhin wissen wir, was womöglich einige Eltern entgegnen werden, wenn die Polizei sie am Flughafen aufgabelt, weil sie mit ihren Kindern einen Tag zu früh in den Urlaub fliegen (br.de, 20.5.2015: »Zu früh in den Urlaub geflogen; Anzeigen wegen Schule schwänzen zum Ferienbeginn«). Wenn Eltern nicht erklärten, »sonst kann ich mir keinen Urlaub leisten«, sondern sagten: »Wir protestieren jetzt 14-Tage lang auf Malle gegen Klima!«, dann müsste das klargehen mit der nach vorne verlängerten schulfreien Zeit, oder nicht?
»Fridays for Angela«, wie das demnächst heißen wird, erfüllt weitgehend die Wikipedia-Kriterien für einen Streich – doch es erfüllt auch mein Zusatzkriterium: Diese Zeit kann uns etwas lehren, über uns selbst!
Alles nur ein Streich?
Unter Merkel geschehen Dinge, die hätte man in einer Demokratie kaum für möglich gehalten – dass mit »Demokratie leben!« (siehe etwa tichyseinblick.de, 2.3.2019) absurde Summen in Meinungssteuerung gepumpt werden, wen überrascht es? Der ehemalige Merkel-Sprecher und ARD-Chef Ulrich Wilhelm fordert wieder mal mehr Geld für den Framingfunk (welt.de, 3.3.2019). Auch Frau Roth will »notfalls per Gesetz« durchsetzen, dass der Wähler die Leute mit den »richtigen« Geschlechtsteilen wählt (und nicht, wen er wirklich wählen will, siehe welt.de, 3.3.2019). Und auch bei Volkswagen greift man auf die letzte Patrone zurück, die man in Deutschland abschießt, wenn einem das Image und jedes moralische Standing zerschossen wurde – faz.net, 2.3.2019 titelt: »VW-Vorstand warnt vor AfD in Ostdeutschland« – als Dachzeile steht darüber: »Frust und Populismus«, das kann man so und so deuten.
Mittelstandskids folgen zynisch an die Infantilität appellierenden Eliten und zeigen »Haltung«. Sie demonstrieren mit den Parolen des Tages, und es kümmert einen kaum noch, was sie zu wollen meinen.
Schon Wilhelm Busch wusste in Max und Moritz:
Das ist freilich angenehmer
Und dazu auch viel bequemer,
Als in Kirche oder Schule
Festzusitzen auf dem Stuhle.
Neben den umherfliegenden Umweltschützern und haltungszeigenden Rückgratlosen gibt es noch immer das andere Deutschland, die echten Menschen, und die sind dann eben manchmal die gebratenen Hühner im großen Berliner Max-und-Moritz-Streich.
»Rosi Rosenlehner wohnt in einer Schiedsrichterkabine«, schreibt etwa die Rhein-Neckar-Zeitung (mz.de, 27.2.2019), eine 64-jährige, ein vergessener Mensch, ein Beispiel von vielen, und mit dem falschen, dem deutschen Pass geboren.
Gegen Altersarmut zu kämpfen ist nicht so sexy wie mit vielfliegenden Öko-Prinzessinnen die Propaganda-Slogans des Tages nachzuplappern, die Schule zu schwänzen und dafür noch von allen drei Propaganda-Gewalten (Staatsfunk, Ministerien, Schulen) das Köpflein gestreichelt zu bekommen.
Ob die »kleinen« Fälle wie die 25-Jährige auf der Intensivstation nach der Karnevalsfeier (rundblick-unna.de, 1.3.2019), oder die eigentlich großen Themen wie 150.000 illegale Grenzübertritte (welt.de, 3.3.2019), all das ist ja so ermüdend und potentiell »rechts«; wer kann es den Eltern verübeln, wenn sie ihre moralische Pflicht ableisten, indem sie die Kinder zur Öko-Prinzessin-Demo schicken? Hauptsache die Kids sind pünktlich vorm Wochenende mit dem Demonstrieren fertig, dann können die Eltern sie zum Flughafen fahren, für den Karnevals-Urlaub, nur einen Flugzeug-Hopser entfernt.
… doch der nächste folgt zugleich
Populisten wie Merkel würden Max & Moritz zum Regierungsprogramm erklären, wenn es ihnen die Macht sichern würde.
Was halten wir von der These, dass an Deutschland ein großer Streich gespielt wird. Es erinnert an die Sendung Versteckte Kamera, nur dass diesmal die Kameras nicht versteckt sind. Die Veralberten filmen sich ja selbst beim Veralbertwerden, auf ihren Smartphones aus teuren Metallen und seltenen Erden, aus dem Boden geholt von Kindern, zusammengeschraubt in fernen Ländern, wo Menschen in den Städten teils vor Smog keine Luft mehr bekommen.
Wie bei Streichen üblich wird es kaum rechtliche Folgen für die Handelnden haben. Nachdem die Bundesrepublik der DDR angeschlossen wurde, stolperten ja ebenfalls einige Lupenreine die Treppe hinauf, sogar bis ganz nach oben sollen welche gelangt sein.
Wenn es tatsächlich so wäre, dass die »Eliten« den Resten der deutschen Mittelklasse einen großen, grausamen Streich spielen, ich weiß nicht, was groß anders wäre. Es ist die eine Sache, wenn mein Sohn sich allzusehr mit Max und/oder Moritz identifiziert, es wäre eine andere, wenn von Berlin aus den Hühnern ungesunde Köder ausgelegt würden.
Bitte bald weit weg (von der Macht)
Bei Max und Moritz werden die Streichspieler am Ende geschrotet und vom Federvieh aufgefressen. Solches wünschen wir weder unseren Haltungsträgern noch irgendwelchen Hühnern, und wenn, dann nur metaphorisch. Nein, ich wünsche denen alles Gute, nur von der Macht möchten sie bitte bald weit weg entfernt werden! (Ein jüdischer Spruch aus dem alten Russland: Gott erhalte den Zaren, und er halte ihn weit fern von mir.)
Die Greta-Kinder (und deren Eltern) träumen von einer Welt, in der man mit ein paar Plakatschildern und der richtigen »Haltung« seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. In Asien und den Privatschulen der Politikerkinder setzt man dagegen auf Robotik, Sprachen und Management-Skills von der Vorschule an – wie viele Privatschulkinder lassen den teuren Unterricht wöchentlich für Bullshit-Demos ausfallen? Alles, was erreicht wird, ist, den Graben zwischen den Verführbaren und den Verführern weiter zu vergrößern.
Ich träume von einer Welt, in der die Vernunft von der Reservebank aufs Spielfeld wechselt, wo die Narren ausgelacht werden – statt zu Helden und Heiligen erhoben.
Wenn meinem Sohn eine schöne Geschichte vorgelesen wird, dann driftet er bald in sanfte Träume ab. Ich erlaube mir heute, ebenso zu träumen, und sei es – heutzutage beinahe surreal, ich weiß – von der Herrschaft der Vernunft!
Extra frei nach Wilhelm Busch wird es dann heißen:
Kurz im ganzen Land herum
Ging ein freudiges Gebrumm:
»Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei
Mit der Haltungslaberei!!«
Ist es realistisch? – Ach, erlauben Sie mir doch, von der Vernunft zu träumen!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.