Tichys Einblick
Tartuffe oder Dilemma

Islamistischer Terror und das Schweigen der Linken

Islamismus hat weder etwas mit Linksextremismus, noch mit Rechtsextremismus zu tun, denn beide sind genuine Hervorbringungen der westlichen Geschichte und finden ihren Anfang in der französischen Revolution. Der Islamismus hat seinen Ursprung in den patriarchalischen Gesellschaften.

imago Images/Hans Lucas

„Sagt meinen Kindern, dass ich sie liebe“, lauteten die letzten Worte einer sterbenden Französin. Schwer verletzt hatte sich die 44jährige Frau noch aus der Basilika Notre-Dame de l’Assomption in ein Café unweit der Kirche flüchten können. Dort erlag sie ihren Verletzungen. Der Terrorist, der mit Allahu-akbar-Rufen die Kirche in Nizza betreten haben soll, war 1999 in Tunesien geboren wurden und trug ein Papier des italienischen Roten Kreuzes bei sich. Sicher gestellt wurden bei ihm ein 17 Zentimeter langes Messer, zwei Telefone, ein Koran und zwei unbenutzte Messer. Einer sechzigjährigen Französin schnitt der Tunesier, der laut AFP als Flüchtling über die Mittelmeerroute via Lampedusa eingereist war, die Kehle durch und metzelte den Küster der Kirche nieder. Die Art der Tat sollte offensichtlich als Enthauptung verstanden werden, was in islamistischen Kreisen als gerechte Strafe für die „Ungläubigen“ gilt.

Die drei Opfer von Nizza waren normale Franzosen, die dafür getötet worden sind, dass sie an diesem Tag und zu dieser Stunde in der Kirche beteten. Der Terroranschlag galt uns allen! Er galt der Art und Weise, wie wir leben, er galt unserer Freiheit, er galt dem christlichen Glauben. Von der evangelischen Kirche in Deutschland braucht man hierzu keine Stellungnahme erwarten außer den rituellen Beschwörungen, dass sich Muslime und Christen dadurch nicht „auseinanderbringen lassen, sondern unsere Botschaft der Liebe und Versöhnung noch kräftiger ausstrahlen“ werde. Hatte nicht Margot Käßmann 2016 verkündet: „Wir sollten versuchen, den Terroristen mit Beten und Liebe zu begegnen.“ Und der Kulturbeauftragte der EKD stufte in einer Rezension in der FAZ vor kurzem den Koran als das „dritte Testament“ ein.

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Der niederländische Theologe Herman Johann Selderhuis schrieb in einer Sammelrezension zu Büchern, die im Jahr 2016 zur Reformation erschienen: „Die deutsche Theologin Margot Käßmann sieht die Relevanz von Luther für heute darin, dass wir als Christen von anderen Religionen lernen können, dass es außer Christus auch andere Wege gibt, Gott zu erreichen. Sie gibt zu, dass Luther das selbst noch nicht so wirklich praktiziert hat, aber ‚zum Glück sind wir heute viel weiter‘.“ Im EKD-Text „Rechtfertigung und Freiheit“ heißt es: „Die Herausforderung besteht darin, von Christus zu sprechen, aber so, dass dabei nicht der Glaube des anderen abgewertet oder für unwahr erklärt wird.“ Das heißt im Klartext, nicht mehr von Christus zu sprechen. In dem Text zu „Reformation und Islam“ von 2016 steht: „In ähnlicher Weise stellt sich auch im Blick auf das solus Christus die Frage, wie die darin zum Ausdruck gebrachte Exklusivität Jesu Christi in einer religiös pluralen Gesellschaft so bekannt werden kann, dass sie im Dialog nicht als anmaßend oder überheblich wahrgenommen wird.“

Anmaßend waren die drei katholischen Christen in der Kirche Notre-Dame de l’Assomption in Nizza sicherlich nicht, sie glaubten nur an den dreieinigen Gott.

In der Nähe von Paris wurde ein Lehrer „enthauptet“, der seinen überwiegend muslimischen Schülern die Werte der Toleranz und der Aufklärung näher bringen wollte. Das reichte schon, dass sich Eltern in den sozialen Netzwerken darüber erbosten und sich ein Islamist tschetschenischer Herkunft fand, um den „Ungläubigen“ zu töten. Auch der Lehrer wurde „enthauptet“.

In Dresden stürzte sich der zwanzigjährige Syrer Abdullah A.H.H. auf ein homosexuelles Paar und griff damit zugleich unsere offene und aufgeklärte Gesellschaft an. Fünf Tage zuvor wurde der Syrer, der seit 2015 als Flüchtling mit Duldungsstatus in Deutschland lebte, aus der Haft entlassen. Im November 2018 hatte ihn das Oberlandesgericht Dresden wegen Werbens um Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Suche nach einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Körperverletzung und Bedrohung zu einer Jugendstrafe verurteilt. Die Haftstrafe wurde wegen Angriffs auf Beamte in der Haft verlängert. Was nun? Abdullah A.H.H. wird erneut eine Haftstrafe bekommen, wieder entlassen – und dann? Nichts wird sich geändert haben, nur dass die Opfer inzwischen vergessen sind.

Interview mit Hamed Abdel-Samad
„Ich war damals Charlie, ich bin immer noch Charlie“
Die Reaktion der Rotgrünen auf den Terror von Paris und Dresden fiel wie immer zurückhaltend aus, nur einzelne wie Habeck, Kühnert und Lobo haben sich geäußert. Bis jetzt haben die Linken, auch nicht Lobo, auch nicht Kühnert ernsthaft die Frage gestellt, was dieser unkontrollierte Massenzuzug mit der deutschen Gesellschaft macht. Sie haben keinen Gedanken daran verschwendet, wie es denjenigen geht, die nach Deutschland gekommen und inzwischen deutsche Staatsbürger sind, weil sie in unserem freien Land leben, weil sie nicht dazu gezwungen werden wollen, auf bestimmte Bademoden in öffentlichen Schwimmbädern zu verzichten. Weil sie es ablehnen, dass ihre Töchter unter dem Schleier aufwachsen und ihr ganzes Leben unter dem Schleier verbringen sollen. Von den Feministen, von den LGBTQ-Propheten und Genderaktivisten, von denen, die von Werten sprechen und alles, was nicht in ihr selbstgerechtes Weltbild passt, als Populismus verketzern, hörte man nichts. Einige von ihnen loben den Schleier sogar als Symbol der Freiheit und der Selbstverwirklichung.

Sasha Lobo schafft es im SPIEGEL, sich larmoyant als Opfer seiner nie endenwollenden Menschlichkeit darzustellen, wenn er zu Protokoll gibt, dass er gehofft habe, dass unter den „Geflüchteten“ kein „islamistischer Radikalisierungsprozess“ stattfände. Die Wahrheit, die Lobo immer noch nicht bereit ist zu akzeptieren, lautet, dass einige unter den „Geflüchteten“ sich nicht einmal zu radikalisieren brauchen, sondern es bereits sind. Offene Grenzen ermöglichen das. Um solche Sätze wie Lobo zu schreiben, darf man kein Empfinden für Heuchelei besitzen, denn die Spitzen von Verfassungsschutz, Bundespolizei und Bundesnachrichtendienst haben 2015 vor dem Zustand gewarnt, der inzwischen eingetreten ist – und nicht nur sie.

Sascha Lobos und Kevin Kühnerts von linker und scheinkonservativer Seite hochgelobten Einlassungen zeigen, worum es eigentlich geht. Die Wirklichkeit des islamistischen Terrors hat die Linke und die Linksliberalen eingeholt. Sie sind daran nicht vollkommen unschuldig, haben sie doch alle jene, die davor warnten, erbittert bekämpft – und tun es noch immer. Aus Furcht, die Diskurshoheit zu verlieren, versuchen sie nun, da ihre Weltfremdheit immer deutlicher wird, sich an die Spitze der Diskussion zu setzen, um der Diskussion die Spitze abzubrechen. Man kann diese Techniken bei Lenin studieren, der Objektivität und Wahrheit nur als taktische Größen behandelt.

Kirche ohne Glauben
Die EKD-Funktionäre haben sich vom Christentum verabschiedet
Eine Analyse ihrer Texte belegt zweifelsfrei, dass es nicht um Empathie für die Opfer geht, sondern darum, „den Kampf gegen Islamismus nicht länger Rassisten zu überlassen.“ Wer also bisher gegen den Islamismus kämpfte, ist ein Rassist? Seyran Ates – eine Rassistin? Hamed Abdel-Samad und Ahmad Mansour – Rassisten? Der Call-Center-Absolvent Kühnert will nicht länger dulden, dass der Kampf gegen den Islamismus von „Rassisten und halbseidenen Hobbyislamismusforschern geführt wird“. Niemand hat Kühnert daran gehindert, diesen Kampf an der Seite von „Hobbyislamismusforschern“ wie Necla Kelek und der Professorin Susanne Schröter zu führen. Ginge es um die Opfer, hätte sich Kühnert schon früher äußern können oder war er in den letzten Jahren auf einem Trip zum Mond?

Er hätte sich zu Fällen äußern können, an die wir uns inzwischen zu gewöhnen beginnen, wie den des älteren Herrn, der brutal in der Berliner S-Bahn zusammengeschlagen wurde, weil er zwei junge Männer höflich gebeten hat, Masken aufzusetzen. Oder über den des vierzehnjährigen Mädchens, das mit brennenden Schuhen aus dem Kölner Hauptbahnhof floh, von Passanten zu Boden gerissen und gelöscht wurde. Kurz darauf verkündeten die Medien, dass der Täter, ein Syrer, in seinem Heimatland gefoltert worden wäre. Die Medien versuchten Mitleid mit dem Täter zu wecken, das Opfer war schon im nächsten Moment vergessen. Was aber hat das vierzehnjährige Mädchen damit zu tun, das nur zu Macdonald gehen wollte, um etwas zu essen, zu trinken? Was bedeutet das für das 14 jährige Mädchen, das ein Leben lang an den physischen und psychischen Folgen leiden wird, was dieser Angriff für den älteren Herrn?

Empathie nach politischer Einordnung
Dem Opfer zuwenden, nicht den Täter entschuldigen
Über die Geschichte des Mädchens habe ich damals geschrieben. Von Lobo oder Kühnert ist mir dazu keine Zeile bekannt. Warum jetzt, was hat sich geändert? Weshalb diese verdrucksten Texte, die sich eher an den „Rassisten“, „Rechten“ und „Populisten“ abarbeiten, als sich wirklich mit den Ursachen des islamistischen Terrors zu beschäftigen und vor allem damit, wie wir unsere aufgeklärte Gesellschaft, unsere Werte, das, was unser Leben ausmacht, verteidigen können?

Geändert hat sich nur eines, dass Präsident Macron dem Islamismus den Kampf angesagt hat. Ohne Macrons eindeutige Stellungnahme hätten Lobo und Kühnert sich nicht geäußert. Damit setzt der französische Präsident die Linke unter Zugzwang, es sei denn, dass sie auch Macron für einen „halbseidenen Hobbyislamismusforscher“ hält.

Robert Habeck fordert Abschiebungen. Weiß er nicht, dass die Grünen seit Jahr und Tag Abschiebungen verhindern?

Lobo zitiert einen Tweet, in dem es heißt „Islamismus und Rechtsextremismus“ seien einander ähnlich. Doch Islamismus hat weder etwas mit Linksextremismus, noch mit Rechtsextremismus zu tun, denn sowohl der Rechtsextremismus, als auch der Linksextremismus sind genuine Hervorbringungen der westlichen Geschichte, finden ihren Anfang in der französischen Revolution, während der Islamismus seinen Ursprung in den patriarchalischen Gesellschaften des Islams hat.

Eines haben diese drei totalitären Ideologien allerdings gemein, dass sie konsequent zu bekämpfen sind. Wenn sich Lobo und Kühnert mit mir auf diesen antitotalitären Konsens einigen können, wenn sie nicht alle, die ihre Positionen nicht teilen, in die rechte Ecke schieben oder als Rassisten beschimpfen würden, dann würde ich beginnen, Ihnen zu glauben, dass es ihnen ernst ist mit dem Kampf gegen den Islamismus.

Ansonsten steht mal wieder auf dem Spielplan der Linken der Tartuffe. Vielleicht aber tut man ihnen auch Unrecht und ist die Lage der Rotgrünen trostloser, vielleicht können die Linken und Linksliberalen aufgrund ihrer Ideologie sich auch nicht vorbehaltlos gegen den Islamismus wenden, dann wären die Texte von Lobo und Kühnert als Dokumente eines unlösbaren Dilemmas zu lesen.


Einige Gedanken dieses Beitrages erschienen zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme. Der Beitrag ist Teil eines „Pro und Contras“. Den Beitrag zur „Pro“-Position lesen Sie hier.

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