Tichys Einblick
Durch die Hintertür

Irlands Hassredegesetz: Das trojanische Pferd EU – weiter Zensur

Irlands geplantes Hassredegesetz wirkt wie eine dystopische Blaupause für europaweite Gesetzgebung zur Unterdrückung freier Rede. Doch aufgrund der zahllosen Dependancen von Internetriesen in Irland könnte das Gesetz auch ohne Brüsseler Gesetzgebung europaweite Konsequenzen haben.

IMAGO / Panthermedia

Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Durchsetzung des irischen Hassredegesetzes (TE berichtete) vor der Sommerpause des irischen Senats am Widerstand einiger Senatoren scheiterte und die Entscheidung in den Herbst verlegt wurde. Wertvolle Zeit, um nochmal einen genaueren Blick auf die irische Situation zu werfen, denn das Gesetz, das bislang nur als Blaupause für zukünftige EU-weite Gesetzgebung galt, könnte sich bereits selbst als trojanisches Pferd der Hassrede in ganz Europa erweisen.

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Privatpersonen denken bei Irland wahlweise an Pubs, grüne Hügellandschaften, Leuchttürme oder Stepptanz. Unternehmen denken bei Irland hingegen vor allem an die niedrige Unternehmenssteuer. Mit 12,5 Prozent Körperschaftssteuer (eine weitere Gewerbesteuer fällt in Irland nicht an) gilt Irland als Steuerparadies, selbst wenn die irische Regierung 2021 dem Druck der G20 klein beigab und einer Anhebung auf mindestens 15 Prozent zustimmte, die allerdings noch nicht in Kraft getreten ist und Lobbygruppen wie Attac, die einen Mindeststeuersatz von 25 Prozent fordern, noch lange nicht ausreicht. Dieser niedrige Steuersatz machte Irland zum Anziehungspunkt für internationale Unternehmen, vor allem aus den USA, die in Scharen ihren europäischen Sitz in Irland etablierten. Google, Facebook, Twitter, Microsoft … die Liste der Tech-Giganten in Dublin liest sich wie das Who-is-who des Silicon Valley.

Sie alle genossen die niedrige Unternehmenssteuer, auch wenn ihre Vertreter öffentlich weiterhin Narrative der Besteuerung von Reichen förderten. 2018 appellierte Google CEO Sundar Pichai an das WEF, die Steuern müssten angehoben werden, und verkündete, Google wäre bereit, mehr Steuern zu bezahlen. Typisch allerdings für die neue Generation von Tech-Eliten sah Pichai dabei vor allem die Legislative in der Pflicht, anstatt eigenverantwortlich den europäischen Unternehmenssitz in ein Land – wie Deutschland – zu verlegen, in dem Google einen mehr als doppelt so hohen Steuersatz zahlen könnte. Der Nanny-Staat muss also regeln, dass niemand noch von unternehmerfreundlicher Steuer profitieren kann.

Trotz der schmerzhaft niedrigen Steuer in Irland und dem innigen Wunsch, mehr Steuern zu bezahlen, sind diese Unternehmen aber noch immer in Dublin und Umgebung ansässig. Abseits von aller steuerlichen Doppelmoral bedeutet das aber auch, dass die europäischen Aktivitäten von Google, Facebook & Co. irischer Gesetzgebung unterliegen. Mit einem Schlag offenbart sich das irische Hassredegesetz als trojanisches Pferd, das in den EU-Raum eingeschleust wird. Denn wenn besagtes Hassredegesetz in Kraft tritt, werden all diese Firmen ihre Richtlinien der europaweiten Moderation auf ihren Plattformen an das Gesetz anpassen müssen. Der politische Marktplatz der Ideen im Internet würde somit – auch ohne eine Übernahme aus Brüssel – bereits diesen Regularien unterliegen.

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Natürlich würden einzelne Aspekte der Gesetzgebung, wie die potenziellen Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren für den Besitz von „Hass-Material“, nicht zu einer Auslieferung unliebsamer Kommentatoren im europäischen Internet nach Irland führen, aber das Gesetz würde dem Kampf gegen Hassrede, dem sich abseits von Elon Musks Twitter fast alle Internetriesen verschrieben haben, ein rechtliches Fundament verleihen. Bisherige Zensurmaßnahmen würden zunächst wohl relativ unverändert weiterlaufen, allerdings bietet alleine schon die Gummidefinition von Hass die Möglichkeit, um die Daumenschrauben jederzeit weiter anzuziehen.

Letztendlich würde das irische Hassredegesetz also einen europaweiten Dammbruch darstellen, der spätestens dann als solcher zu erkennen wäre, wenn Brüssel sich daran machen würde, dieses Gesetz EU-weit zu etablieren. Es wäre der „jetzt ist es halt da“-Moment der freien Meinungsäußerung, die achselzuckende Feststellung, dass wir den Moment zur Verhinderung der Abschaffung der Reste freier Meinungsäußerung bereits verpasst haben.

Darum sollten alle Augen in Deutschland und der EU diesen Herbst auf den irischen Senat gerichtet sein, denn die Entscheidung über das irische Hassredegesetz wird nicht erst auf Umwegen das Schicksal der freien Meinungsäußerung in Europa betreffen, sondern unmittelbar und direkt! Wer die Organisation Free Speech Ireland bei ihrem Kampf gegen das Gesetz unterstützen möchte, kann über eine Petition zumindest ein deutliches Signal senden, dass es sich um eine Angelegenheit von europäischem, wenn nicht weltweitem Interesse, handelt (>>> zur Petition).

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