Tichys Einblick
Corona-Update 19. April 2021

Inzidenz, „Long Covid“, Mutanten – die Corona-Mythen

Den Lockdown-Hardlinern gehen die harten Argumente aus. Neue Studien und Analysen von Fachleuten entlarven gängige Behauptungen als Mythen.

IMAGO / ZUMA Wire

Die Corona-Politik hat ein Zahlenproblem. Denn sofern präzise Zahlen vorliegen, wirkt die Gefahr beherrschbar. Die auf Basis dieser Zahlen naheliegenden Maßnahmen wären ganz andere als jene, die tatsächlich getroffen werden.

Nehmen wir etwa die Altersverteilung der Corona-Toten: Es sind ungefähr so viele Menschen über 90 Jahren an oder mit Corona gestorben, wie unter 80-Jährige, und es gibt bislang 17 gemeldete Corona-Tote unter 20 Jahren in Deutschland. Die Altersheime zu schützen, müsste demnach eigentlich eine viel höhere Priorität bekommen – während Diskussionen über Ausgangssperren und Schulschließungen sich eigentlich erübrigen würden.

Die Zahl der an oder mit Corona Verstorbenen ist auf weiterhin niedrigem Niveau, die Infektionen in den Hochrisikogruppen scheinen gebrochen. In der ersten Märzwoche gab es insgesamt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt eine im Vergleich zu den Vorjahren um 14 Prozent niedrigere Sterblichkeit.

Neue Studien, die in „The Lancet Public Health“ bzw. „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht wurden, belegen, dass die angeblich so gefährliche Corona-Mutante gar nicht tödlicher als der Wildtyp ist.

Allein die 7-Tage-Inzidenz steigt – vermutlich aber zu einem wesentlichen Teil ausgelöst durch den massenhaften Einsatz von Schnelltests (wie TE hier analysierte). Auch die Bild greift das Thema jetzt auf und zitiert den Infektiologen Peter Kremsner mit dem Schluss: „Die vielen Schnelltests verzerren die offiziell angegebene 7-Tage-Inzidenz für Tübingen um 25 bis 50 Prozent nach oben. Je mehr getestet wird, desto mehr wird die offiziell berichtete Inzidenz hinauf getrieben.“

Den Lockdown-Hardlinern schwimmen also argumentativ die Felle davon. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass nun so oft von etwas die Rede ist, dass man statistisch kaum erheben kann: „Long Covid“. Karl Lauterbach warnte in fast jeder Talkshow seit Monaten, dass das eine weit unterschätzte Gefahr sei. Fälle vom seltenen Fatigue-Syndrom wurden geschildert, der Spiegel titelt noch diese Woche „Long Covid: Wenn die Krankheit bleibt“.

Eine großangelegte Studie hat Long Covid nun systematisch untersucht. Die in Nature Medicine veröffentliche Analyse, an der britische, amerikanische und französische Wissenschaftler u.a. vom King’s Kollege London und der Harvard Medical School mitwirkten, untersuchte die über eine App gemeldeten Symptome von 4.182 Corona-Fällen. Das Ergebnis: Etwa 13 Prozent der Infizierten haben nach über 28 Tagen noch Symptome, 4,5 Prozent nach über 8 Wochen und lediglich 2,3 Prozent nach über 3 Monaten. Eine andere bisher nur als Pre-Print veröffentlichte Studie, ebenfalls von Wissenschaftlern u.a. der Harvard Universität, kommt zu ähnlichen Zahlen. Und: Bei anderen viralen Erkrankungen würden Langzeitfolgen nahezu genauso oft auftreten. Der Schluss liegt hier nahe, dass die Wahrscheinlichkeit derartiger längerfristigen Symptome bei Covid-19 nicht wesentlich höher ist als bei der herkömmlichen Grippe, HMPV oder RSV.

Auch bei der Zahl der absoluten Corona-Toten lässt sich in keiner Form ein Anstieg bei jüngeren Menschen feststellen. Lauterbachs Aussage nach der, der Durchschnitt der auf den Intensivstationen liegenden Patienten bei 47 bis 48 liege und „die Hälfte von denen“ sterbe, lässt sich insofern nicht validieren.

Die Bundesregierung stützt sich argumentativ auf müde Pferde und verweigert auch jeden Versuch einer allgemeinen Gefahrenabschätzung, die nach einem Jahr ja durchaus möglich wäre. Stattdessen scheint man bemüht, mit einzelnen Schreckensnachrichten den Panik-Tunnel geschlossen zu halten. Der Eindruck verfestigt sich: Die ewige Krise scheint manchen in der Politik zu gefallen.

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