Tichys Einblick
Frage an die Documeta-Direktorin

Inwiefern ist Antisemitismus akzeptabel, Frau Schormann?

Die Generaldirektorin der Documenta meint, die Kuratoren – das Künstlerkollektiv Ruangrupa – hätten versichert, dass es keinen Antisemitismus gäbe. Um dann festzustellen: „Das Problem ist, dass es aus ihrer Sicht keiner ist.“ Ihnen sei zu spät aufgefallen, dass ein solches Motiv in Deutschland absolut inakzeptabel ist.

Dr. Sabine Schormann bei der Eröffnungspressekonferenz in Kassel am 15. Juni 2022

IMAGO / Rüdiger Wölk

Erst am 23. Juni 2022 äußerte sich die Direktorin der Documenta, Sabine Schormann, abgesehen von einem dürftigen Statement zum Antisemitismus der 15. Documenta, die als Documenta der Schande in die Geschichte eingehen wird. Und doch hat die Documenta verdeutlicht, worin die Konsequenz der herrschenden Ideologie besteht, wohin Genderismus und Identitätspolitik führen. In dem exklusiven Interview, das Schormann der ihr mehr als gewogenen HNA gegeben hat, wird deutlich, wie sehr sie mit Blick auf die Kunst fehlbesetzt ist und aus der Perspektive von Claudia Roth an der richtigen Stelle steht.

Im Interview geht es wie im herrschenden linksliberalen Diskurs wie Kraut und Rüben zu, nichts passt zusammen, Ausreden kollidieren mit Ablenkungsmanövern, Königsdisziplin ist die kognitive Dissonanz. Im Grunde ist die Konsequenz einer Ideologie zu beobachten, die aus ausgestellter Menschenfreundlichkeit menschenfeindlich, die aus einem Antidiskriminierungsfuror diskriminierend wird.

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Schormann führt tatsächlich ins Feld, die Kuratoren – das Künstlerkollektiv Ruangrupa – hätten versichert, dass es keinen Antisemitismus auf der von ihnen kuratierten Documenta geben wird, um dann festzustellen: „Das Problem ist, dass es aus ihrer Sicht keiner ist. Und an dieser Stelle liegt das Missverständnis. Sie haben ihre Aufgabe aus ihrer Perspektive wahrgenommen, und es ist ihnen aufgrund unserer unterschiedlichen kulturellen Erfahrungsräume zu spät aufgefallen, dass ein solches Motiv in Deutschland absolut inakzeptabel ist.“ Inwiefern ist Antisemitismus außerhalb von Deutschland akzeptabel?

Der Kommentator der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peymann Engel, fragt: „Wie kann es sein, dass Juden auf einem Gemälde als Schwein samt Davidstern und »Mossad«-Aufschrift gedemütigt werden? Wie kann es sein, dass Juden in einem »Kunstwerk« in einer Art und Weise dargestellt werden, wie man es sonst nur aus dem NS-Hetzblatt »Stürmer« kennt: mit Pejes, Kippa, übergroßen Monsterzähnen, blutrünstigen Augen und SS-Abzeichen auf dem Hut? Wie kann es sein, dass ein anderes Werk die israelischen Streitkräfte mit der Wehrmacht vergleicht?“

Nach Schormanns Statement muss man die Frage erweitern: Stellen Darstellungen von Juden im Stürmer-Stil, Juden mit Pejes, Kippa, übergroßen Monsterzähnen, blutrünstigen Augen und SS-Abzeichen auf dem Hut nur in Deutschland Antisemitismus dar, oder sind diese Darstellungen nicht bereits an sich, durch die Klischees, die sie aufrufen und durch die Mittel, die sie verwenden, wo immer sie auf der Welt gemalt oder ausgestellt werden, antisemitisch?

Man muss Schormann widersprechen, denn wo immer solche Darstellungen auf der Welt entstehen und wo auch immer sie ausgestellt werden, sind sie antisemitisch, weil sie sich eindeutig antisemitischer Klischees bedienen, nicht um sie zu hinterfragen oder ad absurdum zu führen, sie bloßzustellen oder sie zu kritisieren, sondern als genauso gemeinte Aussage. Wer so etwas malt, trifft, ganz gleich aus welcher Kultur er stammt, eine antisemitische Aussage. Wer deshalb argumentiert, in meiner Kultur ist diese Aussage nicht antisemitisch, sondern nur in Deutschland, hat zumindest kein Problem mit Antisemitismus. Wer aber kein Problem mit Antisemitismus hat, der sollte, nirgends auf der Welt, doch ganz gewiss nicht in Deutschland eine Ausstellung kuratieren.

Sabine Schormann beruft sich auf die Freiheit der Kunst und dass die Direktion nicht das Recht besäße, die Kuratoren zu kontrollieren oder ihnen in ihre Arbeit hineinzureden. Doch das ist ein durchsichtiges Scheinargument. Möglich, dass die Kulturstaatsministerin Schormann zu dieser Aussage riet, denn auch Roth, als sie noch keinen Antisemitismus erkennen wollte, argumentierte so. Roth verteidigte die Kuratoren wie immer identitätspolitisch: „Die Herkunft aus einem bestimmten Land sollte nicht vorab zu Verdächtigungen führen, möglicherweise antisemitisch zu sein.“

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Das hatte aber niemand getan, das unterstellt Roth nur, um die Diskussion aufs Abstellgleis zu schieben, sie zu delegitimieren. Wenn Roth aber auf dieser Aussage besteht, muss ihr und Schormann die Frage gestellt werden, ob die Herkunft aus einem bestimmten Land Antisemitismus ausschließt oder gar rechtfertigt, weil dann die Verbreitung antisemitischer Klischees erlaubt wäre, wenn die Betreffenden aus einem bestimmten Land stammten und eben eine „andere“ Perspektive auf den Antisemitismus hätten? Kann man eine „andere“ Perspektive auf Antisemitismus haben?

Wer so, wie Schormann es hier unternimmt, die Freiheit der Kunst instrumentalisiert, der hat nur ein instrumentelles Verhältnis zur Freiheit der Kunst, also gar keins. Denn die Verantwortung dafür, wer als Kurator eingeladen wird – und um diese Frage geht es eigentlich, die Roth und Schormann hektisch zu vertuschen suchen –, diese Verantwortung trägt Sabine Schormann schon – und auch Claudia Roth. Schormann wusste, wen sie einlädt, wen sie ins Boot holt.

Philipp Peymann Engel fragt zurecht: „Wie konnte es so weit kommen, dass die in Handlungen und Zielen antisemitische BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) ihren Hass auf Israel und Juden bei der documenta ungehindert verbreiten konnte?“, und erklärt: „Kuratiert wird die documenta von dem indonesischen Kollektiv ruangrupa, dessen Mitglieder zum Teil offene Unterstützer des BDS sind oder sich nicht von der Boykottbewegung distanzieren mochten. Für ruangrupa-Mitglieder und einige von ihnen für die Ausstellung verpflichtete Künstler repräsentiert der jüdische Staat ein koloniales System »weißer Menschen«; Israel erfülle die Merkmale einer Apartheid, es praktiziere wie seinerzeit Südafrika die Trennung der einzelnen ethnischen Bevölkerungsgruppen, deshalb sei Israel allumfassend zu ächten.“

Wenn Schormann davon nichts gewusst hat, ist sie fehl am Platz, wenn sie nicht einmal weiß, wen sie beauftragt. Oder sie sympathisiert mit dem BDS? Von der Kulturstaatsministerin Claudia Roth kann man zumindest diesen Eindruck gewinnen. Als der Deutsche Bundestag im Mai 2019 einen Antrag unter dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ verabschiedete, verweigerten Abgeordnete der Grünen, unter ihnen die heutige Familienministerin Lisa Paus und die heutige Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die Zustimmung. Ihre Gegenstimmen begründeten sie unter anderem mit der Feststellung: Mit dem Antrag „werden weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch vereinzelte israelische Initiativen, die sich gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung einsetzen und vor diesem Hintergrund BDS unterstützen, in die antisemitische Ecke gestellt.“

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Denn: „Seit Jahren ruft die 2005 aus der palästinensischen Zivilgesellschaft entstandene Bewegung ‚Boycott, Divestment and Sanctions‘ (abgekürzt BDS) zur Isolation und zum wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Boykott des Staates Israel auf. Sie will damit gewaltfrei ein Ende der israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete sowie des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten erreichen.“ Dass der BDS, wie sie selbst schrieben, „kein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Regelung oder zum Existenzrecht Israels“ ablegten, war für die grünen Abgeordneten, war für Claudia Roth anscheinend kein größeres Problem. Den „BDS für seine Ablehnung einer Zwei-Staaten-Lösung zu kritisieren, sein fehlendes Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zu kritisieren, die ungenügende Auseinandersetzung mit Antisemitismus in den eigenen Reihen zu verurteilen, ist richtig“.

Doch eigentlich falsch, denn, so fahren die Abgeordneten fort: „Es ist aber etwas ganz anderes, BDS, alle beteiligten Organisationen und Einzelpersonen pauschal als antisemitisch zu bezeichnen, wie es der Antrag bereits in der Überschrift insinuiert. Damit werden weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch vereinzelte israelische Initiativen, die sich gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung einsetzen und vor diesem Hintergrund BDS unterstützen, in die antisemitische Ecke gestellt.“

Am aller Verwerflichsten ist es jedoch in den Augen der grünen Abgeordneten, wenn der Antrag die Bundesregierung auffordert, „keine Projekte mehr finanziell zu fördern, die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Damit drohen diverse entwicklungspolitische Projekte in Palästina, aber auch die Zusammenarbeit politischer Stiftungen mit zahlreichen Akteur*innen der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung in Frage gestellt zu werden“. Die Gefahr konnte auch dank Claudia Roth gebannt werden, denn die Bundesregierung fördert mit Beträgen in Millionenhöhe eine Veranstaltung, auf der antisemitische Hetze ausgestellt werden konnte.

Der Skandal zum Skandal ist, dass Claudia Roth versucht hat, die Kritik zu ignorieren und die Kuratoren zu decken. Erst als der Protest stärker wurde, lenkte sie ein und will nun die Leitung der Aufklärung des Skandals übernehmen. Verfügt Claudia Roth über genügend Selbstkritik, dass sie wirklich aufklären könnte? Würde sie zu dem einzig möglichen Schluss kommen, dass sie zurücktreten müsste, schon weil Kultur nicht in die Hände von Ideologen gehört? Wie schrieb die Jüdische Allgemeine doch richtig: „Schuld daran sind, man muss es ganz klar sagen, die Entscheider im sonst so auf korrekte Haltung bedachten Kultur- und Politikbetrieb. Konkret: Dass die documenta nun weltweit mit Antisemitismusskandalen statt mit feinsinnigen Kunstbetrachtungen Schlagzeilen macht, dafür ist – neben documenta-Chefin Sabine Schormann, Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) und Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) – allen voran Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verantwortlich.“

Die Jüdische Allgemeine kritisiert Roth zudem dafür, dass sie ein „Koschersiegel für die BDS-Ideologie“ ausgestellt habe. Es führt also ein Weg von der Ablehnung des Antrages gegen eine Organisation, zu der Antisemitismus gehört, wie Roth, Paus und andere selbst einräumen, bis zur Ausstellung von antisemitischer Hetze im Stürmer-Stil auf der zuvor noch renommierten Documenta. Das Renommee ist weg. Roth hatte noch die Auswahl der Kuratoren mit den Worten verteidigt: „Ich werde nicht als Kulturpolizistin den Daumen heben oder senken.“ Jedenfalls nicht im linken und linksliberalen Spektrum.

Vielleicht denkt Sabine Schormann, vielleicht denkt Claudia Roth auch, wenn sie äußert: dass „die Herkunft aus einem bestimmten Land … nicht vorab zu Verdächtigungen führen“ sollte, „möglicherweise antisemitisch zu sein“, dass People of Color nicht rassistisch sein können und weiße Menschen schon dadurch rassistisch sind, weil sie weiß sind, dass Indonesier, weil sie Indonesier, dass People of Color, weil sie People of Color sind, nicht antisemitisch sein können?

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Doch eine antisemitische Darstellung bleibt eine antisemitische Darstellung. Schormann schwärmt im Interview von der „wunderbar anregenden, einladenden Atmosphäre dieser documenta“. Fiel ihr wirklich nicht auf, dass israelischen Künstlern diese „wunderbar anregende, einladende Atmosphäre“ vorenthalten wurde? Kulturstaatsministerin Claudia Roth versprach: „Das wird eine neue, sehr provokative, auflösende Form von Kunst und Kultur sein.“ Stimmt, man konnte Karikaturen besichtigen, die den Konsens, Antisemitismus weder zu fördern noch zuzulassen, aufgelöst haben; stimmt, dass „Abhängen“ der Künstler miteinander, stellt die Auflösung von Kunst dar, denn nicht um Kunst und Künstler geht es auf dieser Documenta, sondern um das Gegenteil, um die Auflösung des Individuums im Kollektiv, um einen Kollektivismus, der mit den Kulturrichtlinien des Maoismus und Stalinismus wetteifert.

Roth verkündete, dass man sich auf eine „produktive Debatte“ freuen könne. Doch leider durften an der „wunderbar anregenden, einladenden Atmosphäre“ in BDS-Manier Künstler aus Israel nicht teilnehmen. Roths Debatten-Begriff ist nicht von der Freiheit, nicht von der Aufklärung, die ohnehin nur ein Projekt alter weißer Männer des verachteten „globalen Nordens“ ist, geprägt, sondern von Cancel Culture, Ausschluss, Ideologie und Kollektivismus, eben vom miteinander abhängen.

Neben Antisemitismus bot die Documenta Fifteen das künstlerische Kochprojekt PAKGHOR oder im Geiste des Kollektivismus Gudskul: „Praktiken und Medien wie Installation, Video, Sound, Performance, Medienkunst, Bürger*innenbeteiligung, Grafik, Design und Pädagogik. Diese Vielfältigkeit trägt zur Diversifizierung der Themen und Zusammensetzung in den Gemeinschaftsprojekten bei – die in sozialen, politischen, kulturellen, ökonomischen, ökologischen oder pädagogischen Kontexten stattfinden. Gudskul steht allen offen, die sich für kooperatives Lernen, die Entwicklung kollektivbasierter künstlerischer Praktiken und einer auf Zusammenarbeit basierenden Kunstproduktion interessieren“. Denn Gudskul ist ein „ kollektives Lernmodell“. „Die Schule bildet einen Versammlungsort und einen Ausgangspunkt für Verbindungen mit anderen. Unter Verwendung von nongkrong (Indonesisch für „gemeinsam abhängen“) als Lernmethode entwickelt die Schule die nongkrong Curricula. Geselligkeit und Freundschaft prägen die Organisation. Die nongkrong-Lehrpläne sehen drei Cluster mit Aktivitäten vor: Freundschaften schließen, von Freund*innen lernen und sich selbst organisieren … Temujalar stammt aus dem laufenden kollektiven Studienprogramm der Gudskul. Es fungiert als künstlerisches und nachhaltiges Modell, bei dem die Teilnehmer*innen die Möglichkeit bekommen, Teil eines Kollektivs zu sein … Temujalar dauert 50 Tage, doch der Geist des Kollektiven wird die Teilnehmer*innen weiter begleiten.“ Hinter dem Eisernen Vorhang hat der Geist des Kollektiven die „Teilnehmer“ am Sozialismus nie verlassen, sondern sie sogar noch überwacht und weiterbegleitet, ein Leben lang.

Das Künstlerkollektiv Taring Padi, der Urheber des antisemitischen Wimmelbildes, behauptet, dass das Gemälde „in keiner Weise mit Antisemitismus in Verbindung“ stünde. Schließlich sei Taring Padi „ein progressives Kollektiv, das sich für die Unterstützung und den Respekt von Vielfalt einsetzt“. Mit anderen Worten, selbst wenn ein Künstlerkollektiv ein antisemitisches Bild erschafft, kann das antisemitische Bild nicht antisemitisch sein, weil das Künstlerkollektiv progressiv ist – und außerdem stammt es aus dem globalen Süden. Wer aus dem globalen Norden darf da die Stimme zur Kritik erheben? Tarding Padi ist natürlich das Opfer und inszeniert sich die Documenta verhöhnend dreist als Opfer, denn nun werde ihr Bild durch die Verhüllung „zu einem Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs in diesem Moment“.

Welchen Dialog und vor allem mit wem wollte denn Taring Padi den Dialog führen? Mit den nicht eingeladenen israelischen Künstlern? Mit BDS-Funktionären? Taring Padi trauert, Taring Pardi ist das Opfer von Zensur, so wird auch künstlerisch Minderwertiges zum Ereignis. Vielleicht provozierte das Künstlerkollektiv auch, um über die fehlende künstlerische Substanz ihres Wimmelbildes hinwegzutäuschen. Es ist ein Merkmal des Kollektivismus, dass diese Ideologie nur Monologe und nicht Dialoge zulässt. Taring Pardi hat jedenfalls Claudia Roth und Sabine Schormann und den Beirat gnadenlos vorgeführt. Und führt sie weiter vor – in ihrer großen, großen Trauer.

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Die Documenta bildet dennoch sehr genau den Zustand Deutschlands ab. Wie in des Kaisers neuen Kleidern wird das Dümmste und Banalste plötzlich zur Kunst erhoben, indem man zuvor die Kunst zum kollektivistischen Infantilismus gemacht hat, indem man unsere Werte, unsere Vorstellungen und unsere große Kunstgeschichte bekämpft und zu zerstören trachtet, unsere Kultur ständig an eilig von Unkundigen errichtete Schandpfähle zerrt, indem Antisemitismus verdrängt und verschwiegen wird, wenn er von links, oder aus dem „globalen Süden“ oder von Migranten kommt.

Was erwartet man von einer Kulturstaatsministerin, deren engster Kontakt zur Kunst im Managen der Rockgruppe Ton Steine Scherben, die sich laut Wikipedia „1985 unter anderem wegen finanzieller Probleme auflöste“, besteht, nachdem sie nach zwei Semestern ein Studium in Theaterwissenschaft, Geschichte und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München abbrach. Stimmt, nicht zu vergessen, dass sie 1976 in einer Struwwelpeter-Aufführung mitwirkte. Eine Fachfrau, also.

Obwohl Roth zurücktreten müsste, wird sie es nicht tun, sie ist ja eine Grüne, und Grüne machen keine Fehler und treten eigentlich nicht zurück. Auch Sabine Schormann, die anstatt die vom Steuerzahler hochsubventionierte Documenta zu einem künstlerischen Ereignis, zu einem Happening von Menschen machte, die gern miteinander „abhängen“, indonesisch nongkrong, wie wir gelernt haben, den Kollektivismus, der keinen groß werden lässt, lieben, statt Kunst ein endloses Geschwätz von Infantilität, eine Wiederbegegnung mit den achtziger und neunziger Jahren, mit den Dritte-Welt-Läden, gemacht hat, wird keinesfalls ihren Posten aufgeben.

Und so schwärmt Schormann im Interview: „Das grundlegend Neue an Ruangrupas Konzept ist demgegenüber der radikal ergebnisoffene Prozess, der den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern sowie Kollektiven Freiraume eröffnet und neue Erfahrungen ermöglichen will, und das alles auf Basis von Werten wie etwa Freundschaft, Solidarität, Ressourcenschonung.“ Schon klar: Die Grundlage unserer Basis ist das Fundament unserer Beziehung. Mit diesem Statement kann Schormann im Kabarett auftreten, aber es ist weit von allem entfernt, was Kunst ausmacht, denn Erfahrungen auf der Basis von Werten zu gewinnen, mag für die große Gruppe in der Kita wertvoll sein, nicht aber für Künstler. Die machen ihre Erfahrungen eben in der Arbeit – und nicht im gemeinsam abhängen, nicht im nongkrong. Übrigens hinter der Formulierung, dass auf der Documenta ein radikal ergebnisoffener Prozess stattfindet, steckt doch nur, dass sie nicht wissen, was sie tun, außer miteinander abzuhängen.

Und was sagt der Beirat zu dem Eklat? Laut Jüdischer Allgemeine hat der Beirat nun den Kuratoren, dem Künstlerkollektiv Ruangrupa „zu ihrer außergewöhnlichen Leistung“ gratuliert. „Insgesamt fanden wir die Präsentationen großzügig, zum Nachdenken anregend, fröhlich und einladend“. Zwar sei der Beirat „erschüttert über die Entdeckung von Karikaturen, die nicht anders als antisemitisch gelesen werden können“. Dennoch möchte der Beirat „Respekt für das indonesische Kunstkollektiv Taring Padi“ (dem Kollektiv, das für die „Karikaturen, die nicht anders als antisemitisch gelesen werden können“ verantwortlich ist) „und ihren langen Kampf gegen die Unterdrückung und Diktatur der Suharto-Jahre in Indonesien zum Ausdruck bringen“. Und Taring Padi trauert.

Niemand wird die Verantwortung übernehmen, niemand wird zurücktreten, am Ende wird der Eindruck entstehen, dass an dem Eklat um die Karikaturen eigentlich die Rechten schuld sind, die wieder Hass und Hetze verbreiten, und die man demzufolge bekämpfen muss. Die Documenta hat zwar nichts mit Kunst zu tun, aber sie war – und darauf kommt es nunmehr an – fröhlich. In der DDR habe ich noch das Lied lernen müssen:

„Fröhlich sein und singen, stolz das blaue Halstuch tragen,
andern Freude bringen, ja, das lieben wir.
Hallo, hört ihr die Fanfaren, hört ihr unsre Lieder,
das sind wir! Fröhlich sein und singen, ja, das lieben wir.“

Doch noch eines zeigt die Documenta: dass in Deutschland momentan keine Documenta veranstaltet werden kann. Deutschland verliert seine Identität, die Herrschenden sehnen sich nach einem Kollektivismus – fürs Volk. Zum neuen Kollektivismus gehören Habecks permanente Sparaufrufe, wie das gemeinsame Abhängen, gemeinsame Kochen, und natürlich, sich weniger zu duschen, denn all das gehört zur neuen Solidarität, der brutalen Umverteilung, der Ausplünderung der Bürger in der großen Transformation, einem Prozess, der so ganz und gar nicht ergebnisoffen ist.


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