Tichys Einblick
Interview

WerteUnion: Über Ellwangen und Angela Merkels politische Verantwortung

In Ellwangen rebellieren hunderte Asylbewerber, der Staat reagiert mit Verzögerung. Dann aber mit harter Hand. Angela Merkels humanitärer Imperativ verschorft. Was sagen konservative Kritiker innerhalb der Union dazu?

© Thomas Niedermüller/Getty Images

Wir sprechen mit einem Vertreter der WerteUnion. Das ist eine bundesweite Dachorganisation konservativer Initiativen innerhalb von CDU und CSU. Nach Selbstbekunden verfolgt sie das Ziel, konservative Positionen wieder verstärkt in der Politik der Unionsparteien zu verankern. Gesprächspartner Stefan Koch ist Bundespressesprecher der Vereinigung.

Tichys Einblick: Sprechen wir zunächst über Ellwangen. Die Polizei hat ihre Fehleinschätzung von Mittwoch korrigiert und am Donnerstag im Morgengrauen Nägel mit Köpfen gemacht. Ein Erfolg? Und eine Hinweis an die Kollegen in anderen Bundesländern, wie man es richtig macht?

Stefan Koch: Absolut ein Erfolg und richtiges und wichtiges Signal. Zum einen an die Täter, das so etwas in Deutschland nicht geduldet wird, aber auch an die Bevölkerung. Der Staat zeigt, dass er nicht vor Gewalttätern kapituliert und das Recht durchsetzt. Daher auch vorbildlich für andere Bundesländer! Großes Lob und Anerkennung an die Polizei!

Ja, aber was nutzt es, selbst, wenn der oder die Gesuchten und Festgenommenen nun tatsächlich abgeschoben oder nur umverteilt aber morgen wieder da bzw. untergetaucht sind? Zudem wird es aller Voraussicht nach auch hier engagierte Anwälte und NGOs geben, die Abschiebungen mit allen nur möglichen Mitteln verhindern.

Konsequente Abschiebungen können nur der erste Schritt sein. Selbstverständlich muss im zweiten Schritt dann auch ein konsequenter Schutz der Außengrenzen inklusive Verweigerung der Einreise erfolgen. Grundsätzlich gilt es, die vorhandenen Gesetze einzuhalten. Bei konsequenter Anwendung des Artikels 16a GG, des Asylgesetzes und des Dublin-Abkommens, wäre ein großer Teil der nun abzuschiebenden Personen nicht im Land. Daher liegt die politische Verantwortung hier auch klar bei der Bundeskanzlerin!

Nun müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, in wie weit Ihre Haltung in der Bevölkerung überhaupt mehrheits- oder wenigstens anschlussfähig ist. Sie unternehmen ja gerade erste Anstrengungen, sie in der Union mehrheitsfähig zu bekommen. Gerade eben habe ich mit Ellwangen telefoniert, mit einem Mann der Kirche, ein netter älterer Herr, ein Pater, schon fast 80 Jahre alt, der dort in besagter Einrichtung ehrenamtlich u.a. Deutschunterricht gibt.

Der hatte „teilweise Verständnis“ für besagte Afrikaner und hob insbesondere die Solidarität untereinander hervor, als man die Polizei an der Festnahme hinderte. Zwar sei die Bereitschaft, an seinen Sprachhilfen teilzunehmen, gering, aber auch dafür hatte er eine Erklärung: Deutsch-Unterricht sei die dritte oder vierte Nebensache, wenn man einen Ausweg aus einer ausweglosen Situation suchen würde. Muslime seien in Ellwangen übrigens fast in der Minderheit. Was Respekt und Benehmen angehe, hätte es bisher keine Probleme gegeben. Also noch mal: Wie sieht es überhaupt aus mit der Mehrheitsfähigkeit ihrer Haltung in der Union und nicht zuletzt in der Bevölkerung?

Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Positionen in der Union und in der Bevölkerung nicht nur mehrheitsfähig sind, sondern die Ansichten einer absoluten Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren. Die Teddybär-Werfer am Münchner Hauptbahnhof vertraten nie die Mehrheit der Bevölkerung und spätestens mit den Ereignissen der Silvesternacht von Köln hat sich die Mehrheitsmeinung auch ganz offiziell geändert.

Es gibt eine Reihe von Umfragen, die dies bestätigen, vor allem zeigen es aber auch die Wahlergebnisse seit 2016. Um es einmal mit Jens Spahn zu sagen, wir haben bei der Bundestagswahl in Baden-Württemberg nicht fast 12 % wegen der Pflegepolitik verloren.

Innerhalb der Union nimmt auch die offizielle Zustimmung zu den Forderungen der WerteUnion stetig zu. Hinter vorgehaltener Hand war dies eh schon lange der Fall.
Darüber hinaus müssen wir hier sehr deutlich zwischen den Mandats- und Funktionärsträgern und den „ normalen“ Mitgliedern unterscheiden. Unterschiede gibt es zudem noch zwischen CDU und CSU. In der CSU waren unsere Positionen schon immer ganz deutlich und offiziell die Mehrheitspositionen. Bei der CDU arbeiten wir mit Nachdruck daran, dass wir uns auch hier ganz offiziell durchsetzen.

Kurz noch was zu dem älteren Herrn. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, hier häufig ein geschöntes Bild von der Realität haben. Andererseits muss man sehr deutlich sagen, dass diese Menschen Großes leisten und ohne dieses bürgerliche Engagement die Zustände noch deutlich schlechter wären.

In einem muss ich ihnen Recht geben: Tapfer sind Sie ja, Mitglied einer Partei bleiben zu wollen, deren Regierungspolitik seit nunmehr drei Jahren exakt dem widerspricht, was Sie hier fordern für Deutschland. Sie fordern ja nicht etwa einen anderen Kurs gegen die Opposition oder den Koalitionspartner, sondern direkt einen gegen die eigene Kanzlerin und ihre Entourage aus der Unionsspitze. Interessante Frage auch: Wie grenzen Sie sich von der AfD ab? Und wie von der Behauptung, dass man auch sagen könnte, Ihr Engagement kommt den Mandats- und Funktionärsträgern der Union gerade recht als Alibifunktion und Abschöpfbecken rechts außen?

Für die Mitglieder der WerteUnion stellt sich die Frage nach Verlassen der CDU nicht. Die WerteUnion wurde gegründet, um die Union, insbesondere die CDU, wieder auf Kurs zu bringen und Positionen, die über Jahrzehnte selbstverständlich in der Union waren, wieder in der Politik der Union zu verankern. Unser Hauptantrieb ist dabei die Liebe zu unserem Land und seinen Menschen. Aus unserer Sicht ist der Weg die Union wieder konservativer zu machen alternativlos. Die AfD ist definitiv keine Alternative für Konservative. Da wo es Überschneidungen mit denen gibt, liegt es ganz einfach daran, dass die AfD klassische CDU-Positionen übernommen, quasi kopiert hat. Das Original ist immer besser als die Kopie! Völkisches Gedankengut, Antiamerikanismus, Antisemitismus, Putin-Verehrung dagegen gibt es in der WerteUnion nicht und würde von uns auch niemals geduldet. Hierin unterscheiden wir uns sehr deutlich von der AfD.

Wenn wir uns die Entwicklung in den letzten 13 Monaten anschauen dann lässt sich sagen, die WerteUnion wirkt in der Union. Wir sind in der Partei angekommen und werden akzeptiert, nachdem wir am Anfang eher kritisch beäugt wurden. Und hierdurch wird sich auch der Einfluss der WerteUnion auf die politischen Inhalte der Union deutlich erhöhen. Keinesfalls werden wir uns als Abschöpfbecken missbrauchen lassen. Wir wollen und werden der Stachel im Fleisch der linksliberalen Kräfte innerhalb der Union sein.

Ich will Ihre Metaphern nicht überstrapazieren, aber ein Stachel im Fleisch wird definitiv nicht ausreichen – jedenfalls, wenn ich mir ihren Forderungskatalog so anschaue, der eine fundamentale Umkehr dessen verlangt, was Wesensmerkmal der Merkelregierung ist. Was glauben Sie, möglicherweise krankt es ja am Parteiensystem selbst, was würden Sie solchen Systemkritikern mit auf den Weg geben? Und weiter: Wenn sie die AfD völkisch, antiamerikanisch und antisemitisch nennen, das bitte kurz begründen, damit es der AfD-affine Leser besser versteht.

In der Tat befindet sich das Parteiensystem so wie wir es seit langer Zeit kennen, in einer existenziellen Krise. Für die SPD gilt dies schon seit geraumer Zeit. Ob man die SPD heute noch als Volkspartei bezeichnen kann, darf bezweifelt werden. Und auch die Union muss stark aufpassen, dass sie nicht den Status der letzten echten Volkspartei verliert.

Genau deshalb ist es so wichtig, dass die Union wieder alle drei Flügel, den sozialen, den liberalen und eben auch den konservativen Flügel gleichberechtigt behandelt und sich deren Inhalte und Positionen gleichermaßen in der Politik der Union wiederfinden. Dies war über lange Zeit das Erfolgsrezept der Union und hat CDU und CSU zu den erfolgreichsten Parteien Europas gemacht. Wer aus rein wahltaktischen Überlegungen wie Frau Merkel und ihre Anhänger dieses Erfolgsrezept aufgibt, spielt mit dem Feuer, denn er treibt letztlich die hierdurch heimatlos gewordenen Wähler in die Hände der AfD.

Man kann das sehr gut am Beispiel Österreichs sehen. Durch die Aufgabe konservativer Positionen durch die ÖVP ist die FPÖ erst so stark geworden, dass ein Bundeskanzler Strache schon so gut wie fest stand. Österreich zeigt aber auch, dass eine bürgerliche Volkspartei wie Phönix aus der Asche auferstehen kann, wenn sie sich ihrer konservativen Inhalte erinnert und sie in praktische Politik umsetzt. Und genau hierum geht es auch in Deutschland. Wir brauchen ein deutliches Mehr an konservativen Inhalten in der CDU um den Niedergang als Volkspartei zu stoppen. Da dies mit Angela Merkel als Parteivorsitzende schwer möglich sein dürfte, fordern wir die Wahl eines neuen Vorsitzenden, einer neuen Vorsitzenden, auf dem nächsten Bundesparteitag. Wir als WerteUnion werden dies jedenfalls weiterhin vehement fordern. Darüber hinaus werden wir uns intensiv in den Prozess zur Erstellung eines neuen Grundsatzprogrammes einbringen. Auch werden wir mittels Anträge auf allen Parteiebenen für unsere Positionen werben und kämpfen.

Zur AfD: Dass diese zumindest in Teilen völkisch ist, kann man sehr leicht an den Forderungen und Reden des sogenannten Flügels um Herrn Höcke festmachen. Denken Sie nur einmal an seine fürchterliche Dresdner Rede oder auch die Rede von Poggenburg am Aschermittwoch. Und wer einen Herren Gedeon wieder in der Fraktion mitarbeiten lässt, der lässt einen Antisemiten mitarbeiten und hat anscheinend mit solchen Positionen kein größeres Problem. Was den Antiamerikanismus angeht, verweise ich zum Beispiel auf den Russland-Kongress der AfD Sachsen-Anhalt. Hier hieß es unter anderem, es sei ein Kongress „gegen den Versuch des US-Imperialismus, Europa zu unterjochen“. Solche Töne werden immer wieder aus AfD Veranstaltungen kolportiert.

Darf man die Werte-Union als so etwas wie eine innerparteiliche Merkel-muss-weg-Demonstration verstehen nur eben nicht auf dem Jahrmarktplatz und ohne Antifa-Gegendemonstration?

Nein, die WerteUnion ist keine Merkel-muss-weg-Demonstration. Es geht uns in erster Linie um eine Veränderung von Inhalten. Und wir fordern auch nicht den Rücktritt von Angela Merkel als Kanzlerin, wohl aber einen Zeitplan zu einer geordneten Übergabe des Amtes an einen geeigneten Nachfolger(in).

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