Stephan Paetow: Herr Wendt, Sie gelten als einer der wenigen in Politik und Verwaltung, die ohne Maulkorb herumlaufen …
Rainer Wendt: Ich werde ja gelegentlich gefragt, warum man sich das eine oder andere antut. Ich habe fünf Kinder und vier Enkelkinder. Das neue Jahr hat gut angefangen mit der Nachricht, dass im August mein fünftes Enkelkind kommt. Ich habe also genügend intrinsische Motivation, um mich ein bisschen um die Zukunft des Landes zu kümmern. Dieses Motiv ist nachvollziehbar. Ich möchte, dass auch meine Nachkommen in einer Welt groß werden, in der man frei sein kann. Ich bin jetzt 61 und habe immer nur Frieden kennengelernt, und meinen Kindern soll es auch so gehen. Wir haben in einem Paradies gelebt. Ja, das ist so. Und ich fürchte, die guten Zeiten sind vorbei. Wenn man sich die europäische Geschichte anguckt, war das ja auch fast unnatürlich. Um uns herum tobt die Welt, viele Staaten liegen in Trümmern. In den 90er-Jahren kamen die osteuropäischen Freiheitsbewegungen, dann der Arabische Frühling, und wir haben wirklich geglaubt, auf der Welt bricht jetzt der ewige Frieden aus. Viele haben’s geglaubt. Aber einige Mahner gab’s schon immer.
Trotzdem kam Schengen, macht hoch die Tür!
Als es darum ging, die stationären Grenzkontrollen wegfallen zu lassen – ich bin in Duisburg aufgewachsen, mich hat nie gestört, dass ich meinen Ausweis vorzeigen musste, wenn wir nach Venlo gefahren sind zum Tanken und Einkaufen –, da haben wir als DPolG (Deutsche Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund) drei wichtige Voraussetzungen formuliert und als Forderung gegenüber der Politik erhoben. Erstens: Ihr müsst innerhalb der Europäischen Union die Regionen wirtschaftlich und kulturell so weiterentwickeln, dass die Leute keine Veranlassung haben, aus ihrer Heimat wegzuziehen. Hat nicht geklappt, wie man unter anderem an den Rumänen sieht, die zum Beispiel nach Duisburg gekommen sind. Zweitens: Schutz der europäischen Außengrenze. Das klappte auch nicht, weil die Italiener und Griechen gesagt haben, wir machen das alles selbst. Und drittens: vorherige Installation vernünftiger Ausgleichsmaßnahmen. Alles drei ist nicht oder nicht ausreichend gemacht worden. Und wir haben immer gesagt, wenn ihr das nicht macht, dann könnt ihr auch die stationären Grenzkontrollen, die Filterfunktion haben, nicht einstellen. Wir haben das ja beim G-7-Gipfel in Elmau gesehen. Da wurde an einem Tag mal das Licht eingeschaltet, und Tausende wurden aufgegriffen. Das heißt, wir wissen, dass da Schleuser und Kriminelle im Dunkeln wirken. Das war alles schon erwartbar damals, und es ist alles so gekommen, wie wir’s gesagt haben. Alles. Aber wir sind beschimpft worden, als Modernisierungsverweigerer, als Antieuropäer, als Rechtspopulisten.
Wer den richtigen Job in Deutschland hat und die falschen Zeitungen liest, bekommt wenig von den Zuständen mit. Im Gegensatz zu den Polizisten. Wie ist dort die Stimmung?
Zunächst drückt natürlich der Personalmangel, wobei sie in der bayerischen Polizei – und das wissen auch die Kolleginnen und Kollegen – im Vergleich zu anderen Polizeien in Deutschland besser bezahlt werden, besser ausgestattet sind und immer noch über die dichteste Personaldecke verfügen. Und noch viel wichtiger ist, dass sie einen großen Rückhalt in der Landespolitik haben. Dennoch ist die Belastung hoch.
Die bayerische Bereitschaftspolizei ist nicht nur in Bayern sehr gefragt, ein Drittel der Arbeitskraft wird für Fußballeinsätze verbraucht, in vielen Fällen länderübergreifende Einsätze. Und auch in anderen Bundesländern ist sie sehr gefragt, weil sie so gut ist. Die bayerische Bereitschaftspolizei mit ihren Einsatzkräften, die ist gut ausgerüstet und gut ausgebildet …
Wolfgang Kubicki lobte nach den G-20-Krawallen die sächsische Bereitschaftspolizei…
Andere sagen, die Berliner. Wieder andere, die Bundespolizei.
Die Berliner? Die sind doch beim G 20 durch Disziplinlosigkeit aufgefallen.
Das ist doch auch Schmarrn. Das ist skandalisiert worden. Im Moment wird ja auch alles Mögliche wieder hochgejubelt, gerade aus Berlin. Die Bereitschaftspolizei insgesamt in Deutschland ist so gut wie nie. Aber man hat ja in Köln gesehen: Kaum machen die mal einen Einsatz wie in der Silvesternacht, der wirklich gelungen war, schon kommen morgens Grüne und fallen über die Polizei her. In Hamburg die Linke und die Grünen. Eine Politikerin, die sich bei der Antifa bedankt! Da sagen die Kollegen: Was machen wir da überhaupt? Man muss den Grünen und Linken klarmachen: Ihr seid daran beteiligt, wenn staatliche Autorität den Bach runtergeht.
Das wissen die nicht?
Die wissen genau, was sie tun. Und die wissen, dass sie damit die Einsatzkräfte verunsichern und gefährden. Wenn die Antifa Fahndungsplakate nach Polizisten aushängt, dann hängen die in den Geschäftsstellen der Linken. Ich habe noch nie solche Staatsferne gesehen.
Warum wird man dann heute noch Polizist? Die Bezahlung kann es doch nicht sein?
Menschen helfen können – so ach, wie sich das anhört. Sie können schon an den gesellschaftlichen Schnittstellen ganz segensreiche Dienste leisten. Ich habe mir neulich in Bamberg die neue Ausbildungseinrichtung der Bundespolizei angeguckt, dieses neue Aus- und Fortbildungszentrum. Klasse junge Leute, die man da sieht. Hochdiszipliniert, konzentriert, und sie wissen genau, auf was sie sich da vorbereiten. Ich würde immer wieder Polizist wer den. Auch heute noch. Nach 43 Dienstjahren. Auch in Berlin.
Heute stellt sich die Lage mit wachsender Migrantengewalt anders dar. Sie werden von den Medien gern als eine Art Erklärbär hinzugezogen. Zuletzt in Donauwörth.
Da war ich im Frühstücksfernsehen und einigen anderen Interviews. In Donauwörth sind 600 Migranten untergebracht, in dem kleinen Städtchen. Den Einwohnern und der Polizei hatte man immer gesagt, es kommen nur Familien mit Kindern, die bleiben nicht lange. In Wahrheit sind da jetzt nur Männer, davon 300 aus Gambia, die permanent durch diesen Ort ziehen und auffallen, Leute belästigen, Straftaten begehen. Die Ausländerbehörde wollte zwei Abschiebungen vornehmen, daraufhin hat’s richtig Krawalle gegeben. Die Polizisten mussten sich zurückziehen und die Bereitschaftspolizei holen.
Waren linke Störer dabei?
Nein, nur die aus Gambia.
Wie muss ich mir diese Krawalle vorstellen? Wie die, die man von den Bildern aus Italien kennt?
Genau so. Und ich fürchte, an solche Bilder werden wir uns auch gewöhnen müssen. Was jetzt in Donauwörth neu ist: Es sind 30 Haftbefehle erlassen worden, 30 Mann sind in Untersuchungshaft gewandert. Nun bleibt natürlich nur zu hoffen, dass die, wenn man ihnen den Prozess macht, auch verurteilt werden, am besten zu Freiheitsstrafe. Die dürfen ruhig zur Bewährung ausgesetzt werden, aber wenn sie mindestens ein Jahr bekommen, kann man sie sofort abschieben.
Wenn von 600 Gambiern nur zwei abgeschoben werden sollten, entzieht sich das doch jeder Logik.
Abschieben geht erst, wenn die Verfahren zu Ende sind. Und mir erschließt sich auch nicht, warum jemand, der irgendwie deutschen Boden erreicht hat und das Wort „Asyl“ sagt, zunächst einmal Anspruch auf mehrjährigen Aufenthalt hier bei uns hat, auch wenn er mehrere völlig ungefährliche Länder passiert hat. Dann die Massenklagen gegen Asylablehnung. Das deutet daraufhin, dass das ganze System, das da aufgebaut ist, vielleicht für friedliche und ruhige Zeiten geeignet war, aber für solche Herausforderungen nicht. Das ist das, was ich von Anfang an gesagt habe – einfach zu sagen: „Ihr schafft das schon“ … Frau Merkel meinte ja „ihr“, nicht sich, ihr, die Kommunen, ihr, das Bundesamt, ihr, die Länder. Jetzt hat sie gesagt: „Wir haben zu lange weggeschaut.“ Mit Verlaub, ich habe noch nie weggeschaut, und die Polizeikräfte auch nicht. Sie hat zu lange weggeschaut.
Hoppla! Sie sind in der CDU und widersprechen der Kanzlerin?
Ich bin ganz glücklich, Mitglied einer Partei zu sein, in der man auch mal eine andere Auffassung vertreten darf als die Vorsitzende. Unüblich ist vielleicht, dass ich vieles auch öffentlich sage. Ich bin mit 16, zur Zeit der Ostverträge, in die CDU eingetreten und war viele Jahre Mitarbeiter einer Abgeordneten, deren Wahlkämpfe ich organisiert habe. Das war in Duisburg kein Zuckerschlecken, in so einer sozialdemokratischen Stadt. Wir hatten immer dann einen Wahlsieg errungen, wenn wir die SPD unter 60 Prozent gedrückt hatten. Ich bin’s gewohnt, es nicht leicht zu haben.
Das klingt ja wie in Bayern, nur umgekehrt. Glauben Sie, dass Markus Söder die schwierige Flüchtlingslage entschärfen kann?
Bislang haben wir dieses System mit dem Bundesamt (BamF), da gibt es offenbar erhebliche Defizite, und es ist nicht absehbar, wie die abgebaut werden sollen. In diesem Sinne ist Markus Söder ausdrücklich zuzustimmen, wenn er sagt, ich baue hier Strukturen auf, die diesen Namen auch verdient haben, und ich schaffe ein eigenes Amt, und die sollen das mal überprüfen. Denn wenn man sich vorstellt, erstmal werden diese Hunderttausende Verfahren durchgezogen beim BamF, dann landen die Fälle vor Gericht, und jede Menge Entscheidungen werden da korrigiert – daran sieht man, irgendetwas stimmt hier nicht.
Es scheint sich eine Milliarden-Justiz-Asyl-Industrie zu entwickeln.
Wir haben eine Abschiebeverhinderungsindustrie, bestehend aus Sozialverbänden, die prächtig verdienen, aus Anwaltskanzleien und Ärzten und aus Nichtregierungsorganisationen, die dazwischen hängen. Die setzen alles daran, dass die Leute im Land bleiben, und zwar ein jeder. Und dann kommen noch Politiker dazu, wie in Berlin, die sagen, es ist uns eigentlich völlig wurscht, was das BamF oder die Gerichte entscheiden. In Berlin leben mehr als 40.000 Menschen, die abgelehnt sind. Härtefallregelungen können doch nur Einzelfälle sein. Und irgendwann muss doch mal gut sein. Nein, die kriegen alle eine Duldung und dürfen bleiben. Also eines von beiden können wir uns sparen: Entweder müssen die Leute, die abgelehnt wurden, das Land verlassen, oder wir sparen uns das BamF und die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn sowieso nicht durchgezogen wird, was da entschieden wurde.
Die Polizei hat zwei Gewerkschaften, die GdP und Ihre DPolG …
… und als dritte Berufsorganisation den Bund Deutscher Kriminalbeamter, den BDK. Die Deutsche Polizeigewerkschaft wollte nie in den deutschen Gewerkschaftsbund, sondern in den Deutschen Beamtenbund. Die Funktionäre, die der SPD nahestanden, wollten in den DGB. Aber der DGB beheimatet gelegentlich die Antifa! Auf die Idee kämen wir gar nicht. Das wäre für mich der Anlass, aus dem DGB rauszugehen. Ich weiß, dass die GdP in Bayern darau in im DGB ordentlich Theater gemacht hat. Die hat sogar den Antrag gestellt, aus dem DGB auszutreten. Ich habe mir mal überlegt, wir würden als DPolG im Beamtenbund in Berlin unser Forum für eine AfD-Versammlung freigeben. Was meinen Sie, was dann los wäre in Deutschland.
Trotz Ihrer häufigen, sagen wir mal, „eigenwilligen“ Kommentierungen des Tagesgeschehens, haben Sie bei der Presse eigentlich einen guten Stand.
Mal so, mal so. Ich bin ein großer Freund unserer Pressefreiheit, auch wenn sie nicht immer bequem ist. Ich war zum Beispiel bisher mit keinem Porträt zufrieden, das über mich geschrieben wurde. In der „Zeit“ nannte mich der Reporter „der Weichgespülte“. Na ja. Manche Kommentare sind auch von einer Wut auf meine Person geprägt, die ich gar nicht mehr nachvollziehen kann.
Auch Ihre Besoldung war Thema.
Das stimmt, meine Person ist derzeit wieder Thema beziehungsweise ein Verwaltungsermittlungsverfahren, das in NRW geführt wird. Das Strafermittlungsverfahren ist ja schon länger zu Ende. Das lief auch gar nicht gegen mich, sondern gegen Unbekannt. Was jetzt noch anhängig ist, ist das Disziplinarverfahren. Ich habe mich zu keinem der Verfahren jemals öffentlich irgendwo geäußert, das wird auch so bleiben.
Heute wird mehr denn je über Religionszugehörigkeiten geredet im Land.
Ich bin mal evangelisch getauft worden. Zur Zeit des NATO-Doppelbeschlusses bin ich aus der Kirche ausgetreten, als im Kirchenunterricht russische Friedenstänze eingeübt wurden. Da hat’s mir gereicht, das ist nicht mein Klub. Ich bin aber immer in der CDU geblieben und bleibe da auch mit großer Überzeugung, weil die CDU alle großen Herausforderungen der letzten 70 Jahre gemeistert hat. Bausteine wie Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz, da gucke ich als Gewerkschafter drauf. Dann Westbindung, Wiederaufbau, deutsche Wiedervereinigung, europäische Integration, Euroeinführung – die großen politischen Baustellen wurden alle unter Führung der Union bewältigt. Das wird sie auch jetzt machen. Wenn die CDU endlich ihre Politik ändert, dann kriegen die auch den Kontrollverlust wieder in den Griff. Europa, unsere eigene, hausgemachte Flüchtlingskrise. Wir müssen uns der bayerischen politischen Linie anschließen, und deshalb bin ich auch hoffnungsvoll, wenn Seehofer und Söder wirklich Doppelpass machen, dann wird das gut. Übrigens, das wäre ein Doppelpass, der mir gefiele! Markus Söder verstärkt jetzt massiv die Schleierfahndung, er schafft Ankerzentren, beschleunigt die Verfahren und schiebt die Leute ab, die unser Land verlassen müssen. Dann werden die anderen Länder nachziehen müssen, denn das wird sich ja ganz schnell rumsprechen. Was machen dann die Sachsen, die Brandenburger, die Baden-Württemberger? Wenn die nicht genau das Gleiche machen, sind die Schleuserrouten morgen ganz andere, und dann haben diese Länder das Problem.
Was man über die Berliner Polizeiakademie liest, erinnert an den Film „Police Academy“.
Ich bin ganz weit davon entfernt, alle diese Geschichten zu glauben. Dem Polizeipräsidenten Klaus Kandt hat man wirklich Unrecht getan. Berlin ist eine ganz, ganz schwierige Behörde. Die zu führen ist schon eine große Herausforderung, weil sie sehr politisch ist. In Berlin gibt’s eine richtige Skandalpresse, die jeden tropfenden Wasserhahn zum Polizeiskandal hochschreibt. Und Kandt hat Dinge übernommen, die er gar nicht zu vertreten hat. Kaputte Schießstände. Was hat er damit zu tun? In Berlin gibt es 1,2 Milliarden Investitionsstau an den Gebäuden. Wie viel Geld kriegen die? 37 Millionen. Da kann man sich ausrechnen, dass es 30 Jahre brauchen wird, um den Investitionsstau aufzuheben. Und 30 Jahre heißt in Berlin immer 60 Jahre und doppelt so teuer. Klaus Kandt ist ein politisches Bauernopfer. Und was die Polizeischüler angeht: Da ist vieles Quatsch von dem, was da erzählt wurde. Ich bin da gewesen. Ganz normale junge Leute. Die jungen Leute kommen nicht als Polizisten zu uns, sondern als Polizeischüler. Da muss die berufliche Sozialisation als Polizei natürlich noch in der Ausbildung vermittelt werden, sonst wird das nichts mit der Disziplin, die dringend nötig ist. Wenn ich das nicht mache, dann sitzen manche im Unterricht, Basecap falsch rum auf, eine Cola auf dem Tisch und Handy an. Bei uns war das noch ein bisschen anders. Mein Ausbilder, Obermeister Neugebauer – nach über 40 Jahren weiß ich noch den Namen –, hat immer gesagt: „Sie fliegen hier nur zweimal raus. Einmal aus der Klasse und einmal aus der Polizei.“ Das heißt, Sie haben einen Schuss frei. Das war eine Ansage. Aber wenn man jungen Leuten zu viele Freiräume gibt, dann nutzen sie die auch, und das ist im Ergebnis dann nicht immer in unserem Sinne. Der Berliner Polizeinachwuchs hat etwa 40 Prozent Migrationsanteil, aber in einer Stadt, in der 200 Nationen leben, nicht verwunderlich. Umso mehr braucht es klare Regeln. Junge Menschen vermissen das auch. Das sind ganz normale junge Leute, die aber in der Schule oft nicht so mitbekommen haben, was wir uns vorstellen. Deshalb müssen wir da nacharbeiten, aber eben nicht nur in Berlin.
Die Kommunikation der Polizei wird wegen mangelnder Offenheit kritisiert.
Gerade in diesem Bereich ist es mittlerweile unglaublich schwierig, etwas Vernünftiges zu sagen, ohne damit gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wie kommt so etwas überhaupt zustande? Weil wir mittlerweile in unserer Sprache so verschwurbelt geworden sind, um nirgendwo anzuecken. In Deutschland steht man heute schon unter Rassismusverdacht, wenn man einen festen Wohnsitz hat und einen Anzug trägt. Jetzt ist Heino auch schon Nazi, weil da ein paar alte Lieder auf einer Schallplatte waren. Das ist doch völlig irre geworden! Und deshalb schaffen wir es auch nicht mehr, unbefangen unsere Meinung zu sagen. Man kann nicht mal mehr sagen, ich bin anderer Meinung als du, sofort wird man als Person angegriffen, statt dass die Position bewertet wird.
Die Leute freuen sich über jeden, der noch halbwegs normal spricht. Wie hoch ist der Preis dafür?
Ich habe noch nie einen so großen Rückhalt verspürt. Innerhalb der Polizei sowieso. In meiner umfangreichen Familie auch, ich habe sieben Geschwister.
Ständig wird gemahnt, die Integrationsbemühungen zu verstärken. Zu Recht?
Ich halte Integration beziehungsweise unsere Integrationsbemühungen für eine der ganz großen Lebenslügen der deutschen Politik. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass man Menschen aus islamisch geprägten Kulturkreisen bei uns nicht integrieren kann – und wenn, dann nur in wenigen Einzelfällen. Etwa junge Männer, die gar nichts anderes kennengelernt haben. Die zum 14. Geburtstag, wenn sie dann Mann werden, nicht Handy oder Tablet oder Tennisschläger geschenkt bekommen, sondern ein Messer. Und dann wundern wir uns darüber, wenn die alle bewaffnet in die Schule kommen. Frauenverachtung, Antisemitismus und viele andere kulturelle Prägungen sind häufig so verfestigt, die werden bleiben. Natürlich gibt es positive Beispiele von Menschen, die hart daran arbeiten, sich hier einzubringen, eine Ausbildung zu machen und hier eine neue Heimat zu finden. Aber Hunderttausende Menschen nur mit Sprach- oder Integrationskursen zu integrieren hat schon vor 30 Jahren nicht geklappt und wird in den allermeisten Fällen auch jetzt scheitern. Und auch der Familiennachzug ist kein Mittel, die Integration zu fördern, das ist doch schon wieder die nächste Fehldiagnose. Die arabischen Großfamilien in Berlin, im Ruhrgebiet und anderswo, die sind alle komplett. Aber von Integration kann da keine Rede sein.
Und wohin führt das?
Ich glaube, dass sich diese Parallelgesellschaften in Deutschland und Europa verfestigen werden, viele Menschen werden sich zu ihrem Schutz in abgeschlossenen Gemeinschaften zusammenschließen. Aber nicht diejenigen spalten die Gesellschaft, die auf diese Probleme aufmerksam machen, sondern jene, die diese Prozesse forcieren. Es gibt Leute, die machen aus der Dienstwagenperspektive Politik, ich eher aus der U-Bahn-Perspektive.
Apropos: Steinmeier war auf einer seiner ersten Dienstreisen in einer polizeibekannten Berliner U-Bahn-Station, hat aber nichts Auffälliges gesehen.
Kann ich mir gut vorstellen. Das einzige Publikum um ihn herum war beamtet und schwer bewaffnet.