Tichys Einblick
Gerhard Papke (FDP) im Interview

„Die FDP ist in der Ampelregierung bisher ein Totalausfall“

Gerhard Papke, Ex-Fraktionschef der FDP im Düsseldorfer Landtag, sieht seine Partei nach der Wahl-Katastrophe in NRW „in akuter Lebensgefahr“. Das liege an der verheerenden Arbeit in der Berliner Ampel. Rettung sieht er nur, wenn sie aufhört, „den gefügigen Erfüllungsgehilfen der Grünen zu spielen“.

Gerhard Papke

Olaf Opitz

Tichys Einblick: Herr Papke, der Wähler hat die FDP in Nordrhein-Westfalen bei der Landtagswahl ordentlich rasiert. Im Saarland kamen die Liberalen nicht in den Landtag und im Kubicki-Land Schleswig-Holstein gab es das schlechteste Wahlergebnis seit 1996. Kassiert die FDP jetzt die schmerzhafte Quittung für ihre Beteiligung an einer Ampelregierung mit SPD und Grünen im Bund?

Gerhard Papke: Ganz offensichtlich! Drei krachende Niederlagen hintereinander wird man ja nicht ernsthaft auf landespolitische Ursachen zurückführen können.

Die FDP verlor mehr als die Hälfte ihrer Stimmen von vor fünf Jahren. Es waren minus 6,7 Prozentpunkte. Wollten viele FDP-Wähler keine weitere Ampel, sondern lieber eine starke CDU-Regierung?

Es ist eine große Illusion der FDP-Führung, dass man Wähler der Freidemokraten für eine Ampel begeistern kann. Die gehen dann lieber zur CDU, selbst wenn deren Personal nicht gerade überzeugend ist.

Fühlen sich klassische FDP-Wähler nach der Bundestagswahl durch das gebildete Ampelbündnis regelrecht getäuscht?

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Das will ich nicht sagen. Denn mit dem gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet war die CDU nach der Bundestagswahl ja kaum koalitionsfähig. Das Problem ist eher, dass die FDP in der Ampelregierung bisher ein völliger Totalausfall ist. Die Inflation droht zweistellig zu werden, die Energiepreise explodieren und wir steuern auf eine Rezession zu. Aber die Marktwirtschaftspartei FDP findet in der Regierung nicht statt.

Staatsschulden ins Uferlose erhöhen ist schließlich auch kein FDP-Ziel?

Im Gegenteil: Gesunde Staatsfinanzen gehören zum Markenkern der FDP. Wenn ausgerechnet ein FDP-Bundesfinanzminister die Staatsverschuldung völlig aus dem Ruder laufen lässt, ist das dem FDP-Wähler nicht zu vermitteln.

Ist die FDP schon nach einem halben Jahr Ampelregierung im Bund auf ihren harten Kern in der Wählerschaft reduziert?

So sieht es aus. Die FDP hat in Nordrhein-Westfalen in alle Richtungen verloren, vor allem aber natürlich an die CDU.

Immerhin musste Parteichef Lindner anders als am Wahlabend von Schleswig-Holstein eine „desaströse Niederlage“ einräumen. Wer übernimmt denn nun für das schlechteste FDP-Ergebnis in NRW seit 1995 die Verantwortung?

NACH DER Landtagswahl in NRW
Das NRW-Desaster der FDP ist auch ein Lindner-Desaster
Obwohl auch im größten Bundesland Fehler gemacht worden sind, liegt die Ursache für die Wahlniederlagen eindeutig beim Erscheinungsbild der Bundes-FDP. Jetzt geht es nicht um personelle Konsequenzen, sondern darum, die FDP in der Berliner Ampel überhaupt erst sichtbar zu machen. Wenn die Partei das nicht schafft, wird der Absturz schon bei den nächsten Wahlen in Niedersachsen weitergehen. Die FDP befindet sich in akuter Lebensgefahr.

Keine Konsequenzen? Früher übernahmen Spitzenpolitiker Verantwortung und traten für solche „desaströsen Niederlagen“ zurück. Heute gehört das selbst für instinktloses Handeln, wie der Fall von SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zeigt, offensichtlich nicht mehr zum politischen Alltag. Warum?

Christian Lindners Versagen
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Man muss schon unterscheiden zwischen strukturellen Problemen, wie jetzt bei der FDP, und offensichtlich persönlichem Versagen. Dass Frau Lambrecht noch die SPD-Verteidigungsministerin spielen darf, ist angesichts ihrer politischen Leistung und ihrer persönlichen Skandalgeschichten ein schlechter Witz.

Bis zum Sommer fliegt die FDP womöglich aus den Regierungen in Schleswig-Holstein und NRW und zittert im September in Niedersachsen um die Fünf-Prozent-Hürde. Sollen die Liberalen jetzt erneut eine Ampel im größten Bundesland bilden oder besser gleich sagen: Schwarz-Grün hat die Wahl gewonnen. Wir sind dann mal weg?

Die FDP hätte noch am Wahlabend eine Ampel in NRW klipp und klar ausschließen müssen. Nach der Katastrophe auch noch mit Rot-Grün im größten Bundesland zu koalieren, wäre Selbstmord mit Ansage.

Gibt es in der FDP inzwischen Zweifel an der Strategie des Mitschwimmens im Ampelstrom von Parteichef Lindner?

Es gibt keiner zu, doch seit der desaströsen Niederlage in Nordrhein-Westfalen sind die Zweifel bei vielen Abgeordneten der FDP schlagartig gewachsen. Denn sie fürchten, nach der nächsten Wahl keine Abgeordneten mehr zu sein.

Wie kommt die FDP aus ihrer Existenzkrise heraus?

Nur dann, wenn sie sofort aufhört, den gefügigen Erfüllungsgehilfen der Grünen zu spielen. Wenn die FDP in der Regierung nicht endlich eine Politik der marktwirtschaftlichen Vernunft erkennbar macht, wird ihr freier Fall weitergehen.

Die Grünen werden vom Wähler belohnt, weil sie sich angeblich der Realität zugewandt hätten …

… das ist eine völlige Mär! Wenn der grüne Energieminister Robert Habeck allen Ernstes erzählt, wir könnten unsere Energieversorgung durch Windkraftanlagen und Solarzellen sichern, verbreitet er schlicht ideologischen Unsinn. Realitätsnahe Politik wäre, unsere verbliebenen deutschen Kernkraftwerke weiter laufen zu lassen. Die Grünen verhindern das, und die FDP schaut nur zu und lässt sie gewähren.

Früher war alles besser, erzählt Fußballikone Stefan Effenberg gerne in TV-Runden. Früher gab es noch anständige Wahlbeteiligungen. Heute gehen in NRW so wenige Menschen wie noch nie seit 1945 zur Wahl. Was sagen die kümmerlichen 55,5 Prozent Beteiligung bei der „kleinen Bundestagswahl“ im größten Bundesland über den Zustand von Politik und Gesellschaft nach 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkels aus?

Viele Bürger fühlen sich von den Parteien nicht mehr vertreten und wenden sich ab. Das ist ein Alarmsignal. Es gibt in Deutschland keine Politik der konservativ-freiheitlichen Mitte mehr, die auf den gesunden Menschenverstand statt auf linke Umgestaltungsphantasien setzt. Leider gilt das mittlerweile auch für die FDP.

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