Tichys Einblick
INSA-Umfrage

Parteiendämmerung: Die AfD ist demoskopisch zweitstärkste Partei

Würde an diesem Sonntag gewählt, gäben 20 Prozent der Wähler ihre Stimme der AfD, genauso viele wie der SPD. Die CDU treibt die Mitte der Gesellschaft, die sie aus dem Blick verloren hat, zur Notwehr. Die Umfrageergebnisse sind Ausdruck dieser Notwehr.

IMAGO / IlluPics

Die Zahlen zuerst, denn die sprechen Bände: Würde an diesem Sonntag gewählt werden, gäben laut einer Umfrage von INSA für die CDU/CSU 26,5 Prozent, für die SPD 20 Prozent, für die Grünen 13,5 Prozent, für die FDP 7,5 Prozent, für die Linke 4,5 Prozent und für die AfD 20 Prozent der Wähler ihre Stimme ab. Damit liegt in der Umfrage die AfD gleichauf mit der SPD und teilt sich mit der SPD den zweiten Platz im Parteienspektrum. Rechnet man die CSU heraus und schaut nur auf die CDU, dann liegen CDU, SPD und AfD annähernd gleichauf.

Nun sind Wahlumfragen keine Wahlergebnisse, und ob die Wähler am Ende wirklich ihr Kreuz dort machen, wie sie es jetzt angegeben haben, ist fraglich, da der Weg in die Wahlkabine in der Ferne liegt. Außerdem gibt es immer eine gewisse Toleranz in der Verarbeitung der Rohdaten. Aber – und das darf man nicht unterschätzen: Wahlumfragen geben immer ein Stimmungsbild wieder. Und das ist deutlich. Alle Parteien, die sich gern die demokratischen Parteien nennen und sich erschöpfen im Errichten von Brandmauern, büßen an Vertrauen ein.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Dafür gibt es handfeste Gründe. Die rigorose, freiheitsfeindliche und undemokratische Pandemiepolitik, die Brutalität, mit der die Regierung gegen die friedlichen Proteste vorgegangen ist, hat in der Tiefe Störungen im Vertrauensverhältnis hinterlassen. Man hat CDU/CSU, SPD und ihrem illiberalen Charakter entsprechend sehr stark die Grünen doch zu sehr in ihrer Lust an der Einschränkung der Freiheitsrechte und des Föderalismus beobachten müssen. Auch wenn sich das nicht äußerte, hat es doch tiefe Spuren hinterlassen.

Für immer hat sich der Alarmismus, das ständige Weltuntergangstremolo, die Hysterisierung des politischen Diskurses als purer Propagandatrick zur Durchsetzung der Großen Transformation, des kompletten Gesellschaftsumbaus entlarvt. Nur sind diejenigen, die die deutsche Gesellschaft umbauen wollen, Laien und Dilettanten. Womit man zum Hauptgrund kommt.

Das Land befindet sich in der Rezession, es geht einer schweren und vor allem langwierigen Wirtschaftskrise entgegen. Die wesentlichen Gründe für diese Wirtschaftskrise sind hausgemacht, sind selbst verschuldet, denn es ist Deutschland, das die europäische Wirtschaftsleistung nach unten zieht. Hohe Inflation, getrieben durch hohe Energiepreise, Energieunsicherheit, ausufernde Bürokratie, vor allem in den Berichtspflichten, Klimaschutz als Propagandamittel, um jede auch noch so unsinnige Maßnahme zu rechtfertigen, eine verfehlte Sanktionspolitik gegenüber Russland, eine Wirtschaftspolitik, die die Firmen ins Ausland treibt und die den Weggang der Firmen sogar noch subventioniert, mehr noch, die Freude darüber, dass Firmen ihre Wertschöpfung ins Ausland verlagern, wie man noch vor kurzem aus dem Bundeswirtschaftsministerium hörte, der innere Zusammenbruch Deutschlands begonnen bei der inneren Sicherheit, über die Infrastruktur bis hin zum öffentlichen Nah- und Fernverkehr, dessen Benutzung inzwischen zu einer Art Verkehrsroulette wird, sind die Gründe für die Unzufriedenheit der Bundesbürger mit den Parteien. Ständige Bevormundung und Belehrung seitens der Regierung, Gender-Diktat und Diskriminierung der Deutschen ohne Migrationshintergrund, der von der Regierung mitfinanzierte und unterstützte Angriff von Transgender-Aktivisten auf die Familie und den geschützten Bereich der Kindheit kommen hinzu.

Interview Sebastian Münzenmaier
Krise am Wohnungsmarkt: „Die Bundesregierung muss Bauen wieder bezahlbar machen“
Die Leute merken, dass sie immer mehr zahlen müssen für die Masseneinwanderung in das deutsche Sozialsystem, die dann noch dreist mit dem „Fachkräftemangel“ begründet wird. Und sie zahlen nicht nur mit Geld, sondern mit der wachsenden Gefahr für ihre persönliche Sicherheit und körperliche Unversehrtheit. Jeden kann es wie aus heiterem Himmel treffen, mit einem Messer angegriffen zu werden. Die Regierung beschließt ein Einwanderungsgesetz, das die Türen noch weiter aufmacht, indem es gleißnerisch die Grenzen zwischen Arbeits- und Asylmigration verwischt.

Gegen den Fachkräftemangel gibt es nur eine Lösung: eine durchgreifende Bildungsreform. Deutschland benötigt Ingenieure, keine Genderprofessoren, keine Barden des zivilen Ungehorsams, die, man weiß nicht warum, Philosophen genannt werden, keine Diversitätskommissare.

Vor allem dämmert den Bürgern, dass sie ihren Wohlstand verlieren und sich die eigene und die Zukunft ihrer Kinder verdunkelt. Sie spüren, dass sie von Leuten regiert und in der Opposition vertreten werden, die außer innerparteilichen Intrigenkampf und Sprechzettelrhetorik nichts zu bieten haben, Leute, die glauben, dass frische Farben die Baufälligkeit des Gebäudes übertünchen.

Ermüdend ist, dass man jetzt schon die Reaktion der Parteien voraussagen kann. Es wird die Propagandamühle gegen „rechts“ angeworfen. Vielleicht findet man auch Anzeichen für einen neuen Rolatorputsch, um auch dem Letzten die Gefahr, die von Rechts ausgeht, zu verdeutlichen. Rechtsextremismus-Experten werden wieder zur großen Form auflaufen. Die Grünen werden ein bisschen Selbstkritik üben und sich zerknirscht zeigen, Habeck wird die alte Leidensmiene aufsetzen unter tadellos frisiertem Wirrhaar, ansonsten wird man der CDU und Hubert Aiwanger die Schuld an den Zahlen zuschieben.

Warum die CDU, wenn sie doch wie die Grünen behaupten „populistische Aussagen“ tätigt, in der Wählergunst nicht steigt, wird ein Mysterium der Grünen bleiben. Und das Gerede, dass man nicht die Kopie, sondern das Original wählt, geht völlig an der Realität vorbei. Es sei den Grünen verziehen, mit der Wirklichkeit haben sie es ohnehin nicht so. Die CDU wird den Vorwurf zurückweisen, wird ansonsten nur ihre eigene Ratlosigkeit überspielen, denn so einige AfD-Positionen sind CDU-Positionen der Vormerkelzeit. Schon deshalb hilft die Plattitüde von Original und Kopie nicht weiter.

Man wird wohl den Bürgern auch nicht die erbärmliche Erklärung ersparen, dass die Politik zwar weiß, wohin es geht, aber sie es den Bürger nicht gut genug erklärt hat. Wenn Politiker drohen, dass sie die Bürger mitnehmen wollen, dann dürfen sich die Bürger von diesem demokratisch unsittlichen Angebot belästigt fühlen. Fehlen wird auch nicht die Verunglimpfung kritischer Medien, das verschwörungstheoretische Raunen von Fake News und von Wladimir Putins Machenschaften.

Doch wie faktensicher man ist, haben gut ausgebildete und im Berufsleben erfahrene Politiker wie Katrin Göring-Eckardt vor kurzem wieder unter Beweis gestellt. Mit welcher Überheblichkeit Politiker ohne Abschluss, ohne Lebenserfahrung wie Ricarda Lang oder Jamila Schäfer meinen, Bürger, die erfolgreich im Job stehen, Lebenserfahrung besitzen und für ihre Kinder sorgen, belehren zu dürfen, stellt eine Farce und ein demokratisches Problem dar. Das Problem der deutschen Demokratie besteht im Verhältniswahlrecht, wir benötigen ein Mehrheitswahlrecht.

Aber darin liegt im Kern der Grund für die Umfragewerte, in der Arroganz von Politikern, in deren Augen der Bürger ein stets verführbares, unselbständiges, naives Wesen ist, das bei ansonsten großer Liebe zur antiautoritären Erziehung sehr autoritär erzogen werden muss, und der offensichtlichen Unfähigkeit der politischen Eliten, außer Deindustrialisierung, Verarmung, Bürokratiemonster, rasant wachsender Verschuldung bei Rekordsteuereinnahmen und Vetternwirtschaft etwas geregelt zu bekommen.

Der Weg ins gestern:
Die CDU hat endlich einen Chef-Ideologen
Die Ideologieseligkeit der Regierung und die konsequente Verweigerung von CDU/CSU, die Rolle einzunehmen, die ihr nun politisch zukommt, werden die AfD weiter stärken und ihre Werte auf hohem Niveau verstetigen. Bis jetzt sind die Werte volatil, doch sie verfestigen sich. Gefährlich kann der AfD im Augenblick nur die AfD werden. Sie muss allzu große Fehler vermeiden und ansonsten eine solide Bescheidenheit pflegen, Bodenständigkeit statt Triumphalismus, vernünftige Argumentation statt greller Phrasendrescherei vermitteln.

Die Werte für die CSU sind auch in Bayern nicht blendend, Söders sinkende Beliebtheitswerte eine heftige Warnung, die Werte für die CDU in NRW alles andere als stabil. Merkels Politik und die ihrer Erben, Hendrik Wüst und Daniel Günther, führen die CDU ins grüne Nirwana. Sie sollte bei ihrer Kumpanei mit den Grünen nicht vergessen, dass die Grünen eigentlich keine politische Partei, sondern ein Weltanschauungsverein sind.

Überall in Europa ist ein moderner Konservatismus auf dem Vormarsch, nur die CDU meint, es sich in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik auf dem Beifahrersitz der Grünen bequem zu machen. Teils will sie in der Wirtschaftspolitik die Grünen noch grüner überholen. Nie war die CDU reaktionär, sie droht es nun zu werden, wenn sie alten sozialistischen Ideen unter grünem Lack hinterherläuft. Wer sich zu seinem Grundwertekonvent einen Fücks als Berater holt und seit Jahren die der CDU nahestehenden Intellektuellen düpiert, der muss sich über 20 Prozent AfD nicht wundern. Die CDU befindet sich auf dünnem Eis, bereits der nächste Schritt kann zum Einbruch führen. Sie sollte ihre Rolle als die große bürgerliche, als die große liberale und konservative Kraft der Gesellschaft annehmen, mit den Günthers und Wüsts brechen – oder sie wird nicht sein.

Die CDU treibt die Mitte der Gesellschaft, die sie vollkommen aus dem Blick verloren hat, zur Notwehr, die Umfrageergebnisse sind nur ein Ausdruck dieser Notwehr.


Die mobile Version verlassen