Tichys Einblick
Leerlauf-Aktionismus

Innenminister wollen härtere Strafen für Angriffe auf Politiker

Die deutschen Innenminister wollen in einer Sondersitzung mehr Polizeipräsenz, mehr Schutz von Wahlkämpfern, schnellere Aburteilung der Gewalttäter, ein schärferes Strafgesetz gegen solche Gewalttaten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will 8,3 Milliarden Euro mehr: Zufall?

Andy Grote, Innen- und Sportsenator Hamburgs, und Nancy Faeser (beide SPD), Bundesinnenministerin, nach der Sonder-IMK am 7. Mai 2024

picture alliance/dpa | Georg Wendt

Die 17 Innenminister (1-mal Bund, 16-mal Länder) verlangen bei einer eilends einberufenen, abendlichen Videokonferenz vom 7. Mai eine Verschärfung des Strafmaßes bei Angriffen gegen Politiker, Wahlkämpfer, Ehrenamtler usw. Auslöser: die jüngsten Angriffe auf Wahlkämpfer. Unter anderem war am 3. Mai in Dresden der SPD-Kandidat Matthias Ecke (41), als sogenannter Nachrücker Mitglied des EU-Parlaments seit Oktober 2022, beim Plakatekleben von vier jugendlichen Gewalttätern schwer verletzt worden. Solche Angriffe sind kriminell und widerlich, ohne Zweifel. Dass die Politik Konsequenzen fordert, ist klar. Von wem fordert? Von sich selbst!

Konsequenzen sollen laut Innenministerkonferenz sein: mehr Polizeipräsenz, mehr Schutz von Wahlkämpfern, schnellere Aburteilung der Gewalttäter, ein schärferes Strafgesetz gegen solche Gewalttaten. Bundesinnenministerin Faeser (SPD) will darüber mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) reden.

Realistisch blieb offenbar nur Herbert Reul (CDU), Innenminister von NRW. Er sagte dem WDR vorab: „Ist doch irre zu glauben, wir könnten alle Politiker einzeln beobachten. Allein von der Menge geht’s nicht, Es sind doch Zehntausende.“ Er betonte, dass es gar nicht genug Polizisten gebe, um dies zu bewerkstelligen, zumal diese auch noch andere Aufgaben zu erfüllen hätten.

Reul vergaß allerdings zu sagen: Kaum minder gefährdet als Politiker sind Zigtausende Polizisten, Zigtausende von Bediensteten in Ausländer- und Sozialämtern, Zigtausende Ärzte und Klinikkräfte, Zigtausende Lehrer, Zigtausende Bahnbedienstete, Zigtausende Kräfte von Krankenwagen, Feuerwehr, THW usw.

Pardon, aber da kann es keine Privilegien geben – nach der Methode: Es gibt Opfer erster Klasse. Und was ist mit Zigtausenden von Gewaltopfern, die keine Politiker sind, die einfach als Passanten in Parks, auf Bahnhöfen, in der Bahn, in Clubs, in Einkaufszentren Opfer von Gewalt werden? Wie die Anfang April 2024 vorgestellte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) belegt: immer häufiger auch Opfer migrantischer Gewalt.

Das Strafgesetzbuch ist jetzt schon eindeutig

Nur mal als Erinnerung an die vielen Innenminister, die in der Mehrzahl Juristen sind: Es gibt ein Strafgesetzbuch (StGB), das eindeutig ist und härteste Strafen vorsieht. Siehe dort:

§ 223 Körperverletzung
(1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

§ 224 Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begeht,
wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 226 Schwere Körperverletzung
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. 

Was spricht dagegen, diese Paragraphen anzuwenden? In Verfahren, die nicht Monate und Jahre dauern. In Verfahren, die nicht durch psychiatrische Gutachten weichgespült werden. In Verfahren, in denen 18 bis 21 Jahre alte Gewalttäter nach Jugendstrafrecht (siehe Jugendgerichtsgesetz JGG) behandelt werden. Was spricht dagegen, die Strafbarkeitsgrenze von 14 auf 12 Jahre zu senken?

Richtig ist aber auch, was der Richterbund sagt: „Die Forderungen der Bundesinnenministerin nach einer schnellen Strafverfolgung helfen wenig. Sie bleiben Wortgeklingel, solange die Ampelkoalition die personell ausgelaugte Strafjustiz weiterhin im Regen stehen lässt.“ Bei den Staatsanwaltschaften stapelten sich inzwischen mehr als 900.000 offene Verfahren, ein Viertel mehr als vor zwei Jahren. Wolle Faeser das wirklich ändern, müsse die Ampel endlich ihr Versprechen eines Bund-Länder-Rechtsstaatspakts für schnellere Strafverfahren einlösen. Bis heute blockiere der Ampel-Streit um die Prioritäten ihrer Politik aber die zugesagte Co-Finanzierung neuer Stellen für Staatsanwälte und Strafrichter.

Weiter: Warum muss eine Bundesinnenministerin Faeser zum Beispiel migrantische jugendliche Gewalt relativieren, wenn sie sagt: „Wir müssen bei den sozialen Ursachen ansetzen, die sich hinter Kriminalität und Gewalt verbergen. Dazu gehören fehlende Schulabschlüsse und Perspektivlosigkeit. Dazu gehört Kinderarmut. Das bedeutet auch: Gute Sozial- und Bildungspolitik ist die wirkungsvollste Prävention.“ Ansonsten sei an allem die Verrohung der Sprache schuld – klar: die Sprache des „rechten Randes“. Dass ihre Parteigenossin und Parteichefin Saskia Esken diese Verrohung ständig mitbetreibt? Egal! Für Esken in ihrem schlichten Weltbild sind alle in der AfD und damit auch die Millionen AfD-Wähler „Nazis“. Das hat sie erneut am 2. Mai im ORF kundgetan.

„Law and order“ – und dann kuschen

Faeser macht gerne vollmundig auf „law and order“. Wenn es zum Schwur kommt, war alles aber nicht so hart gemeint. Siehe ihre Untätigkeit beim Verbot von islamistischen Organisationen, die in Deutschland ein Kalifat samt Scharia errichten wollen.

Wie sie ja überhaupt Linksextremismus und Islamismus gar nicht so sehr auf dem Schirm hat. Der Antisemitismus kommt für sie ohnehin nahezu ausschließlich von rechts, notfalls wird auch der Islamismus für rechts erklärt.

Oder siehe ihr Hinwegsehen über die Zahlen der Landeskriminalämter. Demnach sind Parteimitglieder der Grünen im Jahr 2023 am häufigsten Opfer von Angriffen geworden – insgesamt 1219 Mal. Mit Abstand folgen die AfD (478), SPD (420), FDP (299) CDU und CSU (295) sowie die Linke mit 79 Angriffen. Alles schlimm genug. Aber 478 Angriffe auf AfD-Politiker? Peanuts? Zweierlei Maß! TE hat das aufgegriffen: hier und hier.

Wichtig scheint Faeser aktuell etwas anderes zu sein: Sie will ihr Ministerium samt untergeordneten Behörden aufblähen. Vermutlich, um zum Beispiel noch mehr Verfassungsschützer einzustellen, die „nach dem Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ fahnden. Trotz aller Maßhalteappelle von Finanzminister Lindner (FDP) will sie 8,3 Milliarden Euro mehr als ursprünglich anmelden. Das ist ein Plus von 68 Prozent zu den 12,20 Milliarden, die Lindner für sie geplant hat.

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