Tichys Einblick
Flüchtlinge am Berliner Hauptbahnhof

Doch, Frau Innenministerin, es gibt sehr wohl einen Kontrollverlust

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bestreitet einen Kontrollverlust angesichts der Hunderttausenden in Deutschland ankommenden Flüchtlingen. Sie macht es damit nur noch schlimmer. Ein Widerspruch

IMAGO / Stefan Zeitz

Es gebe „keinen Kontrollverlust“ bei Kriegsflüchtlingen. Das behauptete allen Ernstes Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in einem BR-Interview.

Frau Ministerin, Sie verschließen damit die Augen vor der offenkundigen Wirklichkeit. Denn es herrscht ein verheerender Kontrollverlust an den Grenzen und am Berliner Hauptbahnhof.

„Wir wissen genau, wer kommt“ – Nein, keiner weiß, wer kommt

Kontrollverlust? – „Quatsch“, behauptet die Innenministerin. Davon, dass Faeser am 7. März selbst vor Ort gewesen ist, merkt man im Interview jedenfalls sehr wenig. Offenbar hat es beim Besuch nur für gute Fotos und schöne Worte gereicht. Denn Faeser sagt: Die Bundespolizei sei „sehr stark unterwegs“ beim Grenzübertritt der Züge. Dort gehe „sie rein, guckt sich alle Pässe an“. Da könne man, so Faeser, „mitnichten von Kontrollverlust reden“. Und: „Wir wissen genau, wer kommt.“

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Dass Deutschland „genau“ weiß, wer kommt, davon spürt man weder an der deutschpolnischen Grenze noch am Berliner Hauptbahnhof etwas. An Drehkreuzen wie Frankfurt/Oder wird „kontrolliert“. Zusammen mit Bundespolizisten stieg ich selbst in Flüchtlingszüge ein – das sollten Sie auch einmal tun, Frau Faeser. Dann werden Sie sehen: Es handelt sich dabei lediglich um einen kurzen Sekundenblick auf die Pässe. Eine echte „Kontrolle“ ist dies keineswegs. Selbst Bundespolizisten geben vor Ort zu, dass ein gefälschter Pass dadurch nicht erkannt werden könnte. Auf einem Notizzettel wird hinterher die Anzahl der Passagiere festgehalten.

Am Hauptbahnhof Berlin findet überhaupt keine Kontrolle statt. Polizisten stehen am Gleis, schätzen per Augenmaß, wie viele hunderte und tausende Menschen aus den überfüllten Zügen steigen. Wer da genau kommt, weiß keiner. Besonders skeptisch macht: Obwohl an der Grenze eine kurze Passkontrolle abgehalten wird und Polizisten ihre Augen nach illegalen Einwanderern offen halten, steigen in Berlin auch einige Menschen aus, die offenkundig keine Flüchtlinge sein können.

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Die Menschen, die in Berlin aussteigen, gehen vielfach schnell ihrer eigenen Wege: Entweder fragen sie eine Unterkunft an oder sie fahren weiter, verlassen den Bahnhof. Wohin diese Menschen gehen, die weder warmen Tee noch Hilfe erfragen, das weiß niemand. Die blitzartigen Passkontrollen sind keine Identitätsaufnahmen. Mittlerweile kamen weit über 200.000 Menschen aus der Ukraine in Deutschland an, aber offenkundig kommen viele auch ursprünglich von woanders. Davon kommen alleine bis zu 15.000 täglich in Berlin an – Tendenz steigend. Dass wir von über 200.000 Menschen „genau wissen“, wer sie sind, ist mehr als nur eine sicherheitspolitische Illusion.

Wer keinen biometrischen Pass hat, werde sofort durch die Bundespolizei und das Bundesamt für Migration „erfasst“, erklärt Faeser. In der Realität sieht diese Umsetzung an der deutschen Grenze dann so aus: Jeder wird durchgewunken, denn jeder hat heutzutage einen biometrischen Pass, ob echt oder gefälscht. Einige mit diesen gefälschten Pässen sind Männer aus Afrika oder Afghanistan, die behaupten, sie seien Studenten. In Berlin und Frankfurt/Oder traf ich mehrere solcher Männer persönlich an.

Ein freiwilliger Helfer am Berliner Hauptbahnhof machte den „Sprachtest“, wie er erzählte: Eine Gruppe Männer afrikanischer Herkunft behauptete, sie seien Studenten aus der Ukraine, konnten aber weder Russisch noch Ukrainisch sprechen. Dasselbe auch in Frankfurt/Oder, wo ein Mann aus Pakistan behauptete, er studierte Medizin in Kiew, doch er konnte kein einziges Wort Russisch und kaum Englisch. Und plötzlich existierten seine angepriesenen Kriegsfotos auf dem Handy nicht mehr, als ich sie zu zeigen anforderte. Er nahm dann übrigens nicht den von Polizisten kontrollierten Zug nach Berlin, sondern den nicht kontrollierten Zug am anderem Gleis in eine andere Richtung. Über welchen Weg er zuvor nach Frankfurt/Oder kam, weiß wohl nur er selbst. Und wieso hat Faeser, die vor Ort das ehrenamtliche Engagement der Helfer würdigen wollte, sich nichts davon erzählen lassen?

Ihre Uneinsichtigkeit macht den Kontrollverlust noch gefährlicher

Allein dass Faeser als verantwortliche Bundesinnenministerin diese Situation so völlig verkennt, in der sich Menschen mit welchen Absichten auch immer unter die Menge an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine mischen, macht diesen Kontrollverlust noch gefährlicher. Besonders gefährlich für Schutzsuchende: Vor kurzem wurde eine 18-jährige geflüchtete Ukrainerin auf einem Hotelschiff, das als Flüchtlingsunterkunft diente, vergewaltigt. Die mutmaßlichen Täter: zwei Männer, einer aus Nigeria, der andere aus Irak. Womöglich hatten beide gefälschte ukrainische Pässe, dies wird von Ermittlern derzeit geprüft.

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Der durch Faesers Politik des Wegsehens verursachte Kontrollverlust machte möglich, dass die vom Krieg traumatisierte Frau ein weiteres Mal massivst geschädigt wurde. Die junge Frau musste wegen dieser sicherheitspolitischen Versäumnisse ein zweites Mal fliehen: dieses Mal nach Polen. Dort fühlt die junge Frau sich sicherer, obwohl es sie geographisch wieder näher an Russland bringt.

Jeden Tag verschwinden Menschen am Berliner Hauptbahnhof spurlos – darunter immer wieder Frauen und Kinder: entführt. Längst ist bekannt, dass Pädophile und Menschenhändler dort derzeit verstärkt ihr Unwesen treiben, die das Chaos und die unglaublichen Menschenmassen für sich ausnutzen und inmitten des Trubels zugreifen. Jeden Tag wird ein neuer Zettel an Bahnhofswänden aufgehängt, auf dem in großen Lettern „MISSING“ geschrieben steht.

Wenn Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen, entführt und missbraucht werden, dann gibt es einen massiven Kontrollverlust, dann ist Alarmstufe rot! Wenn Sie, Frau Faeser, das als zuständige Bundesinnenministerin negieren, negieren Sie auch das Schicksal dieser Menschen.

Sorgen Sie für den Schutz vor eingeschleusten Putin-Spionen und Islamisten?

„Wir registrieren direkt“, behaupten sie, Frau Faeser. Nein, am Hauptbahnhof wird niemand direkt registriert. Von den bislang über 200.000 Angekommenen kennen die Behörden nicht die Identitäten. Wer am Bahnhof ankommt, kann sich von nun an in ganz Deutschland frei bewegen. Die aussteigende Mehrheit sind Geflüchtete vor Putins Krieg. Doch Sie müssen als Bundesinnenministerin wissen, dass Sie die Menschen auch vor Putins Fünfter Kolonne und religiösen Extremisten in Deutschland beschützen müssen.

Tagelang konnten freiwillige Helfer und auch ich vor Ort beobachten, wie aus den Zügen auch immer wieder Männer tschetschenischer Herkunft stiegen. Diese Tschetschenen hatten auffällig gute Laune, sind jung, athletisch gebaut. Stets mit den gut bekannten Kadyrov-Bärten. Da ukrainische Männer das Land nicht verlassen dürfen – wer sind dann also diese Männer? Keiner von ihnen wurde kontrolliert oder registriert. Die Identität bleibt dem Staat verborgen, weil Sie, Frau Innenministerin, nach wie vor keinerlei Kapazitäten zur Identitätserfassung schaffen.

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Ein Verdacht drängt sich regelrecht auf: Bei eben diesen jungen Männern kann es sich um Putin-Agenten mit islamistischen Motivationen handeln. Diesen Eindruck bestätigte ein Bundespolizist an der Grenze: „Ja, davon haben wir auch bereits gehört“. So seien die Bundespolizisten bereits durch Verantwortliche am Berliner Hauptbahnhof darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie auf Tschetschenen achten sollen.

Die Bundespolizei untersteht Ihnen Frau Bundesinnenministern – also haben Sie bereits Informationen vorliegen, die unsere Sicherheit gefährden? Doch Sie entscheiden sich weiterhin dafür, konkrete Gefahren wie diese zu negieren, statt ihnen entschlossen zu begegnen.

Diese Männer sind jetzt hier. Eine sekundenschnelle „Passkontrolle“ hat genau was ergeben? Wo befinden sich diese Männer nun?

Spätestens seit einem ZDF-Bericht im Jahr 2017 ist dieses Spionage-Phänomen bekannt. Ein Ex-Agent Putins packte gegenüber dem ZDF aus, dass der russische Geheimdienst seit 2002 Tschetschenen mit gefälschten Pässen als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland schleust. Nun tut Putin es ganz offensichtlich wieder – und unsere Innenministerin schaut in völliger Verantwortungslosigkeit darüber hinweg und schweigt mit einem lapidaren „kein Kontrollverlust“ alle Hinweise darüber weg.

Wir kennen noch nicht Putins Plan, was diese vermutlich neu eingeschleusten Tschetschenen in Deutschland vorhaben. Sollen Oppositionelle verfolgt werden? Soll Chaos durch Kriminalität und Anschläge gestiftet werden? Auch das könnte eine Art von Putins Kriegsführung werden. Diese Gefahr ist real. So sprach auch der Bund der Kriminalbeamten (BKD) in einem Brandbrief die Gefahr an, dass die Regierung der Russischen Föderation den Strom Schutzsuchender ausnutzen könne, um eigene Leute mit entsprechenden Absichten nach Deutschland einsickern zu lassen – Stichwort: „Tiergarten-Mord“.

Der Bundesverfassungsschutz vermutet seit Jahren, dass der russische Geheimdienst bewusst radikale Islamisten – darunter tschetschenischer Herkunft – nach Deutschland befördert. Das Ziel: Spionage, Chaos und Destabilisierung. Sie, Frau Faeser, sind die oberste Dienstherrin des Verfassungsschutzes. Was gedenken Sie zu tun? Ignorieren Sie einfach die kürzlich herausgegebene Warnung des Thüringer Verfassungsschutzes, also Ihrer Mitarbeiter, dass Islamisten sich derzeit vermehrt nach Deutschland einschmuggeln könnten?

Während Sie als Innenministerin vor ganz Deutschland und ihren Mitarbeitern behaupten, es gäbe keinen Kontrollverlust, sagt mir ein Polizist am Berliner Hauptbahnhof: „Wir können nur zuschauen. Die Folgen müssen wir dann austragen, wenn es zu spät ist.“

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