Tichys Einblick
Grüner Zwischenruf

Die Infantilisierung der Politik

Der Zwischenruf im Berliner Abgeordnetenhaus offenbarte nicht nur den Mangel an Respekt der Grünen für die Exekutive, sondern auch die Infantilität, die mittlerweile weite Teile der Politik plagt. Was der Mangel an Selbstkontrolle mit den Auswüchsen des Feminismus zu tun hat.

Imago / Collage: Tichys Einblick

Als ich ungefähr 7 oder 8 Jahre alt war, genau kann ich mich nicht mehr erinnern, urlaubte ich für zwei Wochen alleine bei Verwandten in Bayern. Eines Tages läutete eine Nachbarin an der Tür, meine Tante unterhielt sich mit ihr über eine gemeinsame Bekannte, Frau Schmatzer. Wie es dem kindlichen Hirn zu eigen ist, reagiert es zwar mitunter schnell, verfügte aber noch nicht über die sozialen Filter, die Erwachsenen zu eigen sind. Der Gedanke war mir noch nicht vollends durch den Kopf geschossen, da entfloh er bereits meinem Mund: „Frau Schmatzer? Schmatzt die immer?“

Unangenehm berührt wies mich meine Tante daraufhin zurecht und als ich meinen sozialen Fauxpas erst einmal begriffen hatte, schämte ich mich auch zutiefst, sodass ich mich selbst 35 Jahre später noch gut an diese Peinlichkeit erinnere. Es war einer jener Lernmomente im Leben, die dazugehören und die den Kompass des sozialen Anstands bei jungen Menschen justieren.

Dass Kinder ihre Gedanken oftmals ungefiltert in die Welt posaunen, ist hinlänglich bekannt und wird allgemein toleriert. Dass aber erwachsene Politiker, obwohl sie von Berufs wegen noch mehr auf ihre Wortwahl achten sollten, diese Grundregeln nicht beherrschen, ist bezeichnend für den Status quo unserer Politik.

Wenn Politiker nicht auf kindische Wortspiele verzichten können

Nirgendwo wurde das deutlicher als im Zwischenruf von Tuba Bozkurt, ihres Zeichens Vertreterin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Zur Erinnerung: Als die SPD-Innensenatorin Iris Spranger anhob, den tragischen Mord an Rouven L. in Mannheim zu thematisieren, setzte der Filter bei Bozkurt aus wie bei einem 7-Jährigen. „Der schreckliche Tod von Mannheim“ ließ die kleinen grauen Zellen Bozkurts in Windeseile den mäßigen Wortwitz „Mannheim ist tot?“ entwerfen, doch die für die Zensur zuständige Selbstkontrolle versagte bei der Grünenpolitikerin. Wie bei einem Kind, das soeben die Welt der Ironie entdeckt, platzte es aus Bozkurt heraus. Nur dass Bozkurt eben nicht 7 Jahre alt ist, sondern mittlerweile 41. Und die wahre Ironie lag nicht in ihrem geschmacklosen Wortwitz, sondern in der Tatsache, dass Bozkurt unter anderem Sprecherin für Antidiskriminierung der Grünen-Fraktion ist.

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Es ist kein Geheimnis, dass Fraktionen meist uneingeschränkt zueinander stehen. Im Fall von Bozkurt beschränkte sich das aber nicht nur auf nachträgliche Schadensbegrenzung, sondern kam im Moment selbst durch Gelächter der Fraktion zum Ausdruck. Nicht nur, dass Bozkurt wie eine 7-Jährige Witzchen reißt, ihre Parteigenossen befanden sich offensichtlich auf demselben Entwicklungsstand, als sie dies auch noch für amüsant befanden.

Im Nachgang gab es natürlich die obligate Rüge von oben, sowie den Canossagang von Bozkurt. Geschenkt. Denn Bozkurts „Ausrutscher“ mag zwar den neuesten Tiefpunkt der rhetorischen Verrohung der deutschen Politik darstellen, er ist aber dennoch nur die Spitze des Eisbergs der Infantilisierung der Politik.

Mangelnde Autoritätsfiguren führen zur Infantilisierung der Politik

Diese Infantilisierung ist aber keineswegs nur eine Domäne der Grünen (auch wenn diese dabei eine besondere Meisterschaft an den Tag legen). Als Olaf Scholz sich sein Kichern angesichts eines verzweifelten Bäckers, der von Strom auf Gas umgestiegen war, nicht verkneifen konnte, zeugte dies von ebensolcher Infantilität.

Und selbst die ansonsten alles andere als kindlich auftretende Marie-Agnes Strack-Zimmermann griff unlängst bei einer Konfrontation mit anderen Meinungen auf schlagkräftige Argumente aus der Sandkastenzeit zurück, als sie ihrem Gegenüber entgegenschmetterte: „Ihr seid zum Teil zu blöd, um ’ne Pfeife in den Mund zu stecken!“

Was man dabei ungeachtet der Partei und des Geschlechts erkennt, ist der kindlich anmutende Mangel an Selbstkontrolle, der in solchen Momenten zum Ausdruck kommt. Wie konnte es aber dazu kommen? Wie bei allen schlechten Angewohnheiten, die selbst im Erwachsenenalter noch zum Ausdruck kommen, muss auch hier festgestellt werden: Es fehlte wohl das nötige Regulativ.

Auf individueller Ebene würde dies bedeuten, dass in der Erziehung ein Versäumnis stattgefunden hat. Auf politischer Ebene ebenso. Wenn aber beim Kind die Eltern – allen voran die Väter – gefragt sind, um Grenzen des Anstands durchzusetzen, müsste es in der Politik ebenso von oben Signale geben. Wenn aber selbst Parteispitzen und Regierungsmitglieder sich folgenlos solche Fehltritte leisten können, dann bedeutet dies für die „Kinder“ in der Partei vor allem sturmfreie Bude.

Die notwendige Rückkehr des ordnenden Prinzips

Der kanadische Psychologe Jordan Peterson erlangte weltweiten Ruhm damit, dass er altbekannte Einsichten in die Natur von Männern und Frauen wieder salonfähig machte. Das männliche Prinzip stehe dabei für Ordnung, während das weibliche Prinzip für Chaos stehe. In unserer heutigen Empörungskultur führt alleine diese Feststellung zu Gezeter und Geschrei, auch wenn diese Begriffe gar nicht als Wertung aufgefasst werden sollten. Denn weder die reine Ordnung noch das reine Chaos stellen ein Ideal dar, so wie auch kein Mann und keine Frau zu 100 Prozent einem dieser Prinzipien entsprechen.

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Was sich allerdings feststellen lässt, ist, dass mit dem Primat des Feminismus das männliche, ordnende Prinzip zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde, zumal selbst jene Karriere-Feministinnen, die sich in ehemaligen Männerdomänen behaupten, ihre natürliche physische und psychische Disposition überwinden müssen, um es den Männern gleich zu tun.

Besonders offensichtlich wird dies im Diktum der „feministischen Außenpolitik“, die schon längst als Chiffre für diplomatische Patzer und Versprecher im In- und Ausland gilt. Dies ist aber keine Neuigkeit, sondern höchstens ein neuer Name für ein Prinzip, das schon längst weite Teile von Politik und Gesellschaft erfasst hat.

Denn wo der Feminismus das Zepter schwingt, so sieht man immer wieder, hält keineswegs die Empathie Einzug, sondern regieren Gefühle und Befindlichkeiten. Einhalt ist dem nur zu gebieten, wenn das ordnende Prinzip wieder Oberhand gewinnt und Werte wie Ordnung und Selbstkontrolle wieder an Bedeutung gewinnen. Doch bis dahin dürfte es noch ein weiter Weg sein, zumindest auf der Straße, auf der sich Deutschland zurzeit befindet.

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