Tichys Einblick
Was für eine Klatsche im Bundestag

Impfzwang gescheitert – Blamage für Kanzler Scholz und Noch-Gesundheitsminister Lauterbach

Olaf Scholz hat alles versucht: Baerbock musste den Nato-Gipfel schwänzen, Abstimmungstricks sollten den Weg ebnen. Das nützte alles nichts. Nach 120 Tagen ist die Ampel angezählt – zumindest Gesundheitsminister Lauterbach ist spätestens jetzt rücktrittsreif.

IMAGO / photothek

Bis zuletzt hatten die Anhänger einer Impfpflicht alles versucht, um ihr Vorhaben irgendwie durchzubringen. Doch trotz aller Tricks: Der Bundestag hat die Impfpflicht heute abgelehnt. Mit deutlicher Mehrheit.

Am Ende war es nicht so knapp wie erwartet. Mit 378 zu 296 Stimmen hat der Bundestag den Antrag auf eine Impfpflicht ab 60 Jahren abgelehnt und damit eine Zäsur durch eine Covid-Impfpflicht verhindert. Dem vorangegangen war eine lebhafte Bundestagsdebatte, an deren Ende sich die besseren Argumente durchgesetzt haben – das ist heutzutage in der Politik alles andere als selbstverständlich.

Bis zuletzt hatten die Anhänger einer Impfpflicht alles versucht, um ihr Vorhaben irgendwie über die Ziellinie zu bringen. Das letzte Aufgebot versammelte sich hinter einem weitgehend sinnlosen Antrag, die Impfpflicht zunächst ab 60 Jahren einzuführen – mit der verdeckten Möglichkeit, diese später auf alle Erwachsenen auszuweiten. Doch auch Lauterbachs wirre Rede, in der er von 300 Toten täglich sprach, brachte nichts: Der angeschlagene Minister konnte das Parlament nicht überzeugen. Auch diese letzte Verteidigungslinie ist zusammengebrochen: Die Impfpflicht scheint nun beerdigt.

Für Lauterbach der GAU: Der ohnehin strauchelnde Gesundheitsminister ist mit seinem Prestige- und Ego-Projekt bruchgelandet. Erst seine Lügen zur Impfstoff-Inventur, dann das Chaos um den Genesenenstatus, zuletzt das Hick-Hack zur Quarantäne und jetzt die Niederlage im Bundestag. Karl Lauterbach ist wie König Midas – nur dass alles, was er anfasst, nicht zu Gold, sondern zur Panne wird. Ob er sich noch im Ministeramt wird halten können, scheint heute fraglicher denn je.

Doch diese Niederlage ist größer als für Lauterbach allein: Sie trifft vor allem auch Bundeskanzler Olaf Scholz schwer. Nicht nur, weil der SPD-Politiker sich prominent und unerbittlich für eine Impfpflicht ausgesprochen hatte: Als Bundeskanzler der Ampel-Koalition steht er einem Dreierbündnis vor, welches nun nach kurzer Zeit angezählt ist. Immerhin waren es vor allem FDP-Politiker, die durch eine klare Haltung gegen die Impfpflicht die Regierungsmehrheit blockierten und dem maßgeblich von Rot-Grün gestützten Projekt so den Todesstoß versetzten. Seine letzte Hoffnung war ohnehin nur noch die Unterstützung der Opposition.

Dass die Koalition weder in der Abstimmung zur Tagesordnung noch in der eigentlichen Abstimmung eine Mehrheit zusammenbekam, ist ein Lebenszeichen des Parlamentarismus. Es belegt aber auch: Kaum gilt das freie Mandat, ist es mit der trauten Einigkeit nicht mehr weit her. Ein Graben geht durch die Ampel, und nach 120 Tagen scheint er so tief wie nie. Das Scheitern der Impfpflicht werden rote und grüne ihren gelben Kollegen übel nehmen – vielleicht ist der ohnehin nur zähneknirschende Koalitionsfrieden mit dem heutigen Tag dahin.

Doch auch, wenn der Bundestag heute nichts beschlossen hat, gibt es Sieger. Gewonnen haben vor allem die Freiheit und der demokratische Rechtsstaat: Dass die Parlamentarier heute einen schwerwiegenden, aber weitgehend sachgrundlosen Eingriff in die Grundrechte abgelehnt haben, lässt zumindest auf ein Restverständnis für Freiheit in der Politik hoffen.

Nach fragwürdigen Lockdowns, willkürlichen Ausgangssperren und einem Verfassungsgericht, welches das alles willfährig abgenickt hat, hat man kaum mehr geglaubt, dass diese letzte Haltelinie der Freiheit tatsächlich halten würde. Doch Abgeordnete wie Max Lucks von den Grünen, Wolfgang Kubicki von der FDP oder Sahra Wagenknecht von den Linken haben den Antrag mit Union und AfD verhindert.

Der Schaden einer Impfpflicht wäre immens gewesen. Viele Schäden sind bereits angerichtet worden. Doch die kontrafaktische, gesetzliche Manifestierung des zigfachen politischen Wortbruchs bei einer solch elementaren Grundrechtsfrage hätte das Vertrauen vieler Menschen in diesen Staat zurecht weiter erschüttert – und in vielen Fällen unwiederbringlich zerstört.

Olaf Scholz hat alles daran gesetzt, die faktisch längst widerlegte Impfpflicht durchzudrücken – nur um Führungsstärke zu beweisen. Doch jetzt fällt ihm auf die Füße, dass er keinen klaren Kurs fand. Und es fällt ihm auf die Füße, dass er einen Gesundheitsminister berief, nur um die mediale Öffentlichkeit milde zu stimmen.
Lauterbach ist politisch und inhaltlich am Ende. Wenn Scholz ihn jetzt nicht abwirft, wird Lauterbach ihn mit die Schlucht ziehen.

 

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