Jetzt wo das Internet und seine sozialen Medien immer mehr den öffentlichen Diskurs bestimmen, versuchen vermehrt Firmen, Parteien und Organisationen – allgemein alle möglichen Erwachsenen – sich bei jungen Leuten anzubiedern. Das versuchen sie durch den Gebrauch von Jugendsprache, die schon längst überholt ist, gekünstelten Anglizismen, die kein Mensch benutzt, und oftmals so vielen Emojis, dass man denken könnte, die guten Herrschaften hätten einen Schlaganfall auf der Tastatur erlitten. Bei allen jungen Leuten, die ich kenne, kommt das so gar nicht gut an – unabhängig vom politischen Spektrum. Denn wir sind vielleicht jung, aber nicht bescheuert. Wir merken, dass der Politiker, der seit 1967 seinen Stock nicht mehr aus dem Allerwertesten gekriegt hat, nicht automatisch einer von uns ist, nur weil er mal in monotoner Stimmlage „Ey jo Diggah ist das fetzig“ gesagt hat.
Trotzdem will die Bundesregierung nicht aufgeben – sie will einer von den „Coolen“ sein, von der Jugend akzeptiert werden. Ich bin nicht Siegmund Freud, aber wenn ich mir Personen wie Ralf Stegner, Helge Lindh, Anton Hofreiter oder Claudia Roth so anschaue, kann ich mir vorstellen, dass viele Politiker damit etwas aufarbeiten wollen, was sie in der Jugend verpasst haben. Und jetzt, wo sie Milliarden Euro Steuergeld zur Verfügung haben, glauben sie, sie könnten sich die Freunde kaufen, die sie nie hatten.
Das würde jedenfalls die neue Impfkampagne erklären, die die Bundesregierung jetzt finanziert. Mehrere „Influencer”, von denen ich vorher nie gehört habe, wurden von der Regierung gesponsert, um kleine Filmchen auf Instagram zu posten, in denen sie die junge Bevölkerung zum Impfen auffordern wollen. Allerdings scheinen diejenigen, die die Texte geschrieben haben, zu glauben, dass Jugendsprache automatisch Aggression und einen IQ niedriger als die eigene Schuhgröße bedeutet.
Also, liebe Bundesregierung, Sie arbeiten für mich. Und ich verbitte mir diesen Ton. Nur weil ich noch nicht 60 bin, heißt das nicht, dass Sie mich nicht mit Respekt behandeln müssten. Und wann haben wir uns bitte das „Du“ angeboten? Ich will ganz sicher nicht, dass irgendein selbsternannter „Influencer” von meinem Steuergeld bezahlt wird, damit er mir „Also gib dir den Stich“ auftragen kann. Ich finde es absolut nervig, wenn die Politik einen „kumpelhaften Kontakt“ aufbauen will – denn diese Beziehung besteht einfach nicht. Wenn der eine den anderen unfreiwillig finanziert und im Gegenzug nur Befehle bekommt, die er befolgen muss, weil er sonst bestraft wird, und sich nicht wehren kann – dann ist das eine verdammt toxische Beziehung. Daraus kann und sollte keine „Freundschaft“ entstehen – und im Ernst will das auch keiner von beiden. Also warum behandeln wir uns nicht gegenseitig wie die Bürger, die wir sind, und reden nicht weiter um den heißen Brei herum.
Und wenn wir schon mal dabei sind, dann können Sie sich auch gleich abschminken, dass Sie es sich bei uns so einfach machen können, wie im Fall dieser Videos. Auf die Sorge hin, die Impfung könnte nicht sicher sein, mit „Ja, aber du willst doch nicht Corona kriegen“ zu antworten, ist kein Argument. Dann bleibt immer noch die Frage, ob ich lieber eine Woche mit Corona im Bett liege, mit der Gefahr von LongCovid, oder ob ich eine Woche mit Impfnebenwirkung im Bette liege, mit der Gefahr von Thrombosen und anderen möglichen Impfschäden.
Und auch auf die Aussage „Ich habe Angst vor Spritzen“ hin, zu behaupten, dass man die Angst einfach abstellen könne, schließlich hat man sich ja auch Botox oder Tattoos stechen lassen können – ähhh was? Ich persönlich bin nicht sonderlich scharf auf Spritzen und werde mir weder Tattoos noch Botox stechen lassen. Und ich bezweifle, dass diejenigen, die eine Nadelphobie haben, sich ohne weiteres Tattoos stechen lassen können. Sehr unsensibel, so zu tun, als würden die Betroffenen sich einfach theatralisch anstellen, statt ihre Ängste ernst zu nehmen und Hilfe anzubieten.
Ich weiß, mit ihrem „Diggah, geh impfen, gib dir den Stich, ich schwör ey, stell dich nicht so an“ wollen sie klingen wie die coolen Kids von der Straße, während die Sprache eher an drogensüchtige Straßenschwalben erinnert. Der Ton wirkt auf mich eher wie eine Standpauke von meiner Mutter. „Wie du willst dich mit Freundinnen treffen, hast du überhaupt schon deine Hausaufgaben gemacht? Geh in dein Zimmer?“ „Du willst mir jetzt erzählen, du hast keine Zeit, dein Zimmer aufzuräumen, hängst aber den ganzen Tag am Handy? Komm in die Puschen!“
Und da sieht man mal wieder, dass man so viel Geld ausgeben kann, wie man will, seine Texte von so jungen Gören vortragen lassen kann, wie man will – am Ende hört man doch immer wieder raus, dass es einfach nur der Staat ist, der uns gerade auf unser Zimmer schickt. Da hilft es auch nichts, wenn der irgendwelche hirnrissigen „Influencer“ vorschickt.
Es kauft euch keiner ab. Gott im Himmel, werdet endlich erwachsen, selbst die Drogendealer im Görli können das subtiler als ihr.