Tichys Einblick
Achtung, keine Glosse

Im Stuhlkreis gegen die Klimaangst

Wenn kein Schnee mehr fällt, machen sich manche Menschen eben selbst zu Schneeflocken. Das angesagte neue mentale Krankheitsbild heißt: Panikattacken aus Sorge um das Weltklima. Rund um die Armageddon-Phobiker bildet sich eine ganze Industrie. Unsere Medien schaffen dafür gerne sehr viel Aufmerksamkeit.

Adobe, Screenprint: Zeit - Collage: TE

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ ist zeitlebens ein Zentralorgan. Einst war sie das gedruckte Statussymbol des deutschen Studienrats, aber daran erinnern sich nur die Älteren. Unter dem Herausgeber Helmut Schmidt war sie dann eine Art Sprachrohr des rechten SPD-Flügels, den es damals ja tatsächlich gab.

Dann kam Bernd Ulrich in die Redaktion, der frühere Büroleiter der Grünen im Bundestag. Seitdem ist die „Zeit“ das Amtsblatt der woken Neo-Puritaner (genau wie inzwischen auch die anderen jakobinischen Publikationen aus dem Holtzbrinck-Verlag: das „Handelsblatt“, die „Wirtschaftswoche“ und der Berliner „Tagesspiegel“).

Ein eingefleischter Gegner der freien Wirtschaft zu sein, hindert Ulrich nicht daran, die Gesetze des Marktes für seine ureigenen Zwecke zu nutzen. Zum Beispiel hat er das Potenzial des sogenannten Cross-Marketings erkannt. So nennt man das Werben für eine Sache auf mehreren verschiedenen Kommunikationskanälen.

Und so rührt die „Zeit“ gerade im Zusammenspiel mit dem Grünen-Mitglied Luisa Neubauer die Werbetrommel für die sogenannte „Klimaangst“. Das ist die Sorge davor, dass es demnächst so heiß auf der Welt werden könnte, dass die Erde untergeht. Oder zumindest die Menschheit.

Neubauer, Deutschlands bekannteste Weltuntergangs-Prophetin, warnt in ihrem neuen Buch mit schrillen Farben und in düsterem Ton vor dieser „Klimaangst“. Und – Zufall, Zufall – genau jetzt widmet sich auch die Hamburger Wochenzeitung ausführlich den Angeboten, die gegen das Mode-Phänomen helfen sollen.

„Eine Glocke läutet. Eine Minute Schweigen. Atmen. Spüren, was ist.“

Ergriffen berichtet die „Zeit“-Autorin von ihrem Besuch in Hannover im Stuhlkreis einer Selbsthilfegruppe gegen Klimaangst. „In der Mitte des Kreises lagen Zweige, Blätter, Steine. Annika, Mitte 30, nahm einen Tannenzapfen aus Holz. ‚Ich habe mir diesen künstlichen Tannenzapfen genommen. Er symbolisiert für mich die tolle Kultur, die mit der Natur untergehen wird, wenn alles den Bach runtergeht. (…) Meine Gefühle sind auf jeden Fall hier im roten Bereich: Resignation. Frust. Wut.‘“

Dass „alles den Bach runtergeht“, ist hier die unhinterfragte Grundwahrheit. Dass es seit ein paar zehntausend Jahren die Natur des Menschen ist, sich an Umweltveränderungen anzupassen, sogar an die selbst verursachten – das kommt als Konzept hier nicht vor. Technik als anthropologisches Grundmuster des Menschen zur Selbsterhaltung (und somit als Lösungsvorschlag für den Angst erzeugenden Klimawandel) spielt keine Rolle.

Es geht nicht um rationale Gedanken, sondern allein um die eigene Emotion: Angst.

Mit der wurden schon immer glänzende Geschäfte gemacht. Und so hat sich vor einiger Zeit die „Climate Psychology Alliance“ gegründet: eine Vereinigung, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Psyche befasst. Hunderte sogenannte „Hosts“ hat sie, nun ja, ausgebildet. Die leiten jetzt international Stuhlkreise wie den in Hannover.

Dort beschreibt die „Zeit“-Reporterin sicher unabsichtlich, aber deshalb nicht weniger eindrucksvoll, wie die von Menschen wie Neubauer und Ulrich nach Kräften geschürte Angst vor dem Klimawandel unser Gemeinwesen zersetzt und den sozialen Kitt auflöst:

„Barbara, eine schlanke Frau in ihren Sechzigern, nahm einen Zweig. Ihr Gesicht sah aus, als würde sie es mit Kraft zusammenhalten. ‚Mich macht es fassungslos, wenn ich in der Qigong-Gruppe eine Frau höre, die sagt: Ich bin gerade nach Dubai geflogen. Ich finde die Frau sympathisch, ich finde sie nett. Aber ich stehe fassungslos davor, wenn Leute so leben.‘“

Tja, die meisten Leute wollen sich von Sorgen und Ängsten, berechtigten oder unberechtigten, halt einfach nicht lähmen lassen, sondern ihr Leben weiterleben – auch ganz ohne Selbstkasteiung und Stuhlkreise.

Für apokalyptische Hypochonder ist das ein Problem.

Meistens durch von anderen Leuten erarbeitetes Steuergeld bestens versorgt und also existenziell sorgenfrei, können sie sich ausgiebig um den Planeten sorgen – weil sie sich um sich selbst keine Sorgen machen müssen.

Unsere Republik lebt halt doch in einer spätrömischen Dekadenz: Es gibt anstrengungslosen Wohlstand für immer mehr Profiteure – aufgrund der Anstrengungen von immer weniger Wertschöpfern. Und dann machen die Profiteure den Wertschöpfern auch noch schlimme Vorwürfe, wenn Letztere sich einen Urlaub in Dubai gönnen.

Wie könnt ihr es wagen…?

Manche Menschen sind anfälliger für Angst als andere. Das war schon immer so, und es ist kein Problem. In den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es mehrere Angst-Epidemien: vor einem Atomkrieg, vor dem Waldsterben, vor einem Karriere-Ende der Back Street Boys. Sowas kommt, und sowas geht auch wieder.

Lohnend ist aber immer der Blick auf diejenigen, die daraus Honig saugen: auf die Ulrichs und die Neubauers und die Thunbergs dieser Welt, die davon leben, angstanfälligen Menschen Angst zu machen. Die Profiteure von Angstneurosen verdienen unsere volle Verachtung.

Bei den Grünen, bei der „Zeit“ und auch überall sonst.

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