Tichys Einblick
Die wahren Schuldigen

Ich wage nicht zu behaupten: „Je suis Samuel“

Wieder ist es passiert. Wieder wird geschwiegen. Dieses laute Schweigen kommt von jenen, die auch sagen, der Islam gehöre zu Europa. Den meisten Europäern ist nicht einmal im Ansatz bewusst, wie tief sich die islamische Ideologie bei den meisten Menschen aus islamischen Ländern eingebrannt hat.

imago images / PanoramiC

In einem Tweet von Heiko Maas zu dem abscheulichen Mord an Samuel Paty heißt es: „Ich verurteile den abscheulichen Anschlag in #ConflansSainteHonorine. Wir stehen fest an der Seite unserer französischen Freundinnen und Freunde. Von Terror, Extremismus und Gewalt dürfen wir uns nie einschüchtern lassen.“

Obwohl mich die Tat so sehr bis ins Mark erschrocken hat, dass ich kaum darüber nachdenken konnte und wollte, wühlten mich diese Aussagen derart auf, dass ich es mir vor Wut nicht verkneifen konnte, diesen Politiker Folgendes zu fragen: „Wenn eine Enthauptung auf offener Straße nicht „einschüchternd“ sein darf, dann wüsste ich gerne, was genau passieren müsste, damit FÜR SIE „Eingeschüchterte“ ernst zu nehmen sind?“

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Natürlich gibt es auf solche Fragen keine Antworten. Aber wir brauchen Antworten. Was darf uns noch „nachvollziehbar“ schockieren, wenn die Enthauptung eines Lehrers nicht dazu gehört? Denn schockierend ist in diesem Kontext nicht nur der Mord an sich, sondern – ich erwähne es noch einmal, um eindringlich darauf hinzuweisen, worum es geht: eine religiös motivierte Enthauptung!

Schockierend ist das laute Schweigen. Dieses laute Schweigen ist das von jenen, die auch sagen, der Islam gehöre zu Europa. Und am schlimmsten ist das Gefühl, das aufkommt, wenn man sich bei dem Gedanken erwischt: „Das war klar.“ Und an alle, die es nicht wahrhaben wollen: Es war wirklich klar, dass es passieren würde. Wer was anderes behauptet, hat die Lehren der jüngeren Vergangenheit ignoriert. Diese Fakten sind unumstößlich, unbestreitbar und zäh. Der Anschlag auf Charlie hebdo hat es uns gezeigt. Samuel Paty erneut. Und unzählige andere Taten beweisen es uns auch.

Es sind oftmals Opfer, die uns zeigen, was passieren kann, wenn wir Gebrauch von unseren Rechten machen. Wir müssen nämlich feststellen, dass diese Rechte  leere Phrasen geworden sind, und dass es keinen Schutz gibt, wenn wir uns auf diese berufen.

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Dem Opfer wurde brutal der Kopf abgetrennt, weil er Zielscheibe einer islamischen Fatwa war. Vielleicht wird dem einen oder anderen nun auch einmal mehr deutlich, was solch eine Fatwa bedeutet. Was es bedeutet, wenn gegen einen Autor wie Hamed Abdel-Samad eine Fatwa ausgerufen wurde, weil er den Islam kritisierte, und ihm trotz Personenschützern eines Tages Furchtbares passieren könnte.

Es geht um eine Religion, deren Hauptmerkmal ist, eben nicht „nur“ religiös zu sein, sondern ein politisch radikales Lebensmodell. Mir ist klar, dass den meisten Europäern nicht einmal im Ansatz bewusst ist, wie tief sich die islamische Ideologie bei den meisten Menschen aus islamischen Ländern eingebrannt hat. Wie tiefgreifend sie wirkt, selbst bei vielen Säkularisierten.

Aber ich weiß es. Ich kenne es selbst. Ich war selbst Dozentin für Flüchtlingsprachkurse. Das Thema Mülltrennung wird in diesen Kursen sehr ausschweifend und intensiv behandelt, wenn es um „Alltag und Werte in Deutschland“ geht. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, diese Bilder im Unterricht zu behandeln. Wieso? Ich weiß eben, was dadurch passieren kann, noch bevor in den Medien über abgetrennte Köpfe berichtet wurde. Intuitiv.

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Weil ich und viele andere, die es schafften, sich aus den Fesseln des Islams zu lösen, wissen, dass wir in Wahrheit nur Glück gehabt haben, dass wir offensichtlich nicht allzu tief im Islam lebten und uns neu orientieren konnten an dem was auch Deutschland mal ausmachte: Freiheit.

Nennen sie es Feigheit. Aber weder Sie noch ich können ernsthaft behaupten: „Je suis Samuel“ – „Ich bin Samuel“. Denn jeder, der auch nur ein klein wenig Ahnung davon hat, was es bedeutet, diese Religion zu kritisieren, weiß: Er begibt sich in Sphären, in denen weder der Staat noch das Recht hinter einem stehen.

Ich werde nicht für dieses Land sterben, Familie und Kinder zurücklassen. Nicht für ein Land, das mich und viele andere verraten hat, indem es ausgerechnet denen in den Rücken fällt, die für seine Werte einstehen wollten, und denen den Rücken stärkt, die es mit Füßen treten.

Unter den sinnlosen Toden steht dieser von Samuel Paty weit oben. Der französische Staat hat sich schuldig gemacht, indem er ihn den Wölfen zum Fraß vorwarf.

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Warum? Weil Samuel Paty nur deshalb ein Opfer wurde, weil er im Namen der Freiheit, die unser und der französische Rechtsstaat angeblich garantiert, tat, was ihm vom Staat als Lehrer aufgetragen wurde. Er lehrte die Säulen der freiheitlichen Werte und wurde dafür geköpft, von jenen, die die Regierungen freiwillig ins Land hineinlassen. Und das Groteske daran ist, dass man das tut im Namen der Menschlichkeit.

Das Ekelhafte ist, dass wir hier nun zwei Märtyrer haben. Der Mörder und das Opfer werden auf beiden Seiten für ihr Sterben gefeiert.

Fragt sich nur, wer hier verloren hat.
Etwa nur die Menschlichkeit?
Oder wieder einmal die Freiheit ?

Oder ist wieder nur ein Mensch von uns gegangen, der seinen Beruf als Lehrer zu ernst nahm, anstatt einfach nur „Haltung“ zu zeigen?

Letztendlich hinterlässt Samuel Paty ein großes Loch und unendliches Leid in seiner Familie und seinem Wirkungskreis. Ein Vater, der Familie und Kinder zurücklassen musste. Kein Beileid der Welt kann ihnen zurückgeben, was nun fehlt.

Und das Traurigste daran ist zu wissen, wofür er gestorben ist.

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