Im Gespräch mit Hubertus Knabe, Leiter der Stasigedenkstätte Berlin – Hohenschönhausen, über Linksextremismus und seine Gründe.
Torsten Preuß: Herr Knabe, in ihrer Gedenkstätte kann man hautnah erleben, welche Verbrechen Linke 40 Jahre lang in Deutschland begangen haben. Wie kommt es, dass ihre Ideologie heute trotzdem wieder salonfähig ist? Sich sogar schon wieder auf der Straße austoben kann. Wie gerade in Hamburg.
Hubertus Knabe: Also offen gestanden habe ich nach dem Ende der DDR auch gedacht, dass sich diese Ideologie erledigt hätte. Das hat sich leider nicht bewahrheitet.
Was hat dazu alles beigetragen?
Das liegt vor allem daran, dass die damalige Staatspartei SED nicht aufgelöst wurde. Sie hat sich immer nur umbenannt. Dadurch hat diese Ideologie, die so verheerend gewirkt hat in der Geschichte, eine politische Organisation, in der sie weiterleben kann. Dazu kam, dass es gerade in Westdeutschland viele intellektuelle Meinungsführer gab und gibt, die der Meinung sind, dass die Idee des Kommunismus eigentlich nicht schlecht sei und es nur an der Ausführung gehapert hätte.
Die ist gerade hier im Stasigefängnis nicht zu übersehen. Jeder Zentimeter ein erschütternder Beweis dafür, dass dieses System ein Verbrechen war. Trotzdem scheint das im öffentlichen Bewusstsein noch immer nicht angekommen zu sein.
Das liegt sicher auch daran, dass diejenigen, die an diesem System beteiligt waren, naturgemäß nicht daran interessiert sind, das System im Nachhinein als verbrecherisch zu beurteilen.
Auch viele, die nicht direkt daran beteiligt waren, haben damit immer noch ihre Schwierigkeiten.
Weil die kommunistische Ideologie bis heute deutlich anziehender ist als die nazistische, da sie vorgibt, im Namen der Humanität zu argumentieren.
Mit dem Ergebnis, dass Linke heute schon wieder im Namen des Guten Verbrechen begehen. Anschläge auf Bahnstrecken, Andersdenkende mit Gewalt angreifen, sogar Polizisten stehen auf ihrer roten Feindbildliste. Ohne das es deshalb einen medialen wie politischen Aufschrei gibt.
Es stimmt, dass öffentliche Kritik an diesen Positionen kaum festzustellen ist. Im Gegenteil: Es gibt Medien, politische Parteien und Gruppierungen, die diesen Gewalttätern erst den öffentlichen Raum geben, auf dem sie politisch wirksam werden. Ohne diesen wären sie weitgehend bedeutungslos.
Wer mit Gewalttätern sympathisiert oder sich mit ihnen zusammentut ist, selbst einer.
Von ihrem eigenen Verständnis her sicher nicht. Sie sagen, wir üben keine Gewalt aus, wir haben damit nichts zu tun. Aber es ist immer das gleiche Schema: Die Linke ruft zu Protesten auf, von denen sie weiß, dass diese auch gewaltsam sein werden. Sie legen damit quasi das Fundament, auf dem andere Gewalt anwenden können Da sich die Nicht-Gewalttätigen nicht klar von den Gewalttätigen distanzieren, vermitteln sie denen das Gefühl, sie sind Teil einer gemeinsamen Protestwelle.
Wenn ‚Rechte‘ zu so einer Gewaltorgie wie in Hamburg aufrufen würden, wären die Reaktionen ganz anders.
Die öffentliche Stigmatisierung von linksextremistischen Straftaten ist deutlich schwächer als die von rechtsextremistischen – leider. Das hat dazu führt, dass linksextreme Gewalt in manchen Kreisen durchaus hoffähig ist.
Hat der ‚Kampf gegen Rechts‘, der seit einiger Zeit politisch wie medial geführt wird, dazu beigetragen, dass die linke Gewalt in seinem Schatten erst so groß werden konnte, wie sie jetzt ist?
Die Ungleichbehandlung links – und rechtsextremer Gewalt in vielen Medien und Parteien wie der Linken oder den Grünen ist tatsächlich ein Problem. Die Frage ist, wie man das ändern kann. Um linksextremistische Gewalt zurückzudrängen, müsste man diese, so wie die rechte, politisch so isolieren, dass sie für niemanden mehr bündnisfähig ist. Man müsste sich aber auch mit den ideologischen Grundsätzen, die dort populär sind, kritisch auseinandersetzen. Ist Kapitalismus wirklich schlecht? Ist direkte Demokratie tatsächlich eine Alternative zum Parlamentarismus? Ist Gewalt ein sinnvolles Mittel, um bestimmte politische Ziele zu erreichen? Deswegen bieten wir zu diesen Themen spezielle Seminare für Jugendliche an. Diese merken dann meist sehr schnell, dass man den Kapitalismus nicht dadurch aus der Welt schaffen kann, indem man Polizeiautos anzündet. Stattdessen müssen viele kleine Steuerzahler nur ein neues Polizeiauto bezahlen.
Und wer bezahlt die Linksradikalen?
Es gibt vor allem einen Bereich, in dem der Staat politische Aktivitäten fördert – das ist der Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Bürger sollen sich engagieren, um Rechtsextremisten zu isolieren und ihre Argumente kritisch zu hinterfragen. Allerdings gibt es immer wieder Berichte, dass diese Gelder des Bundesfamilienministeriums auch an Gruppierungen fließen, die mit der Demokratie nichts am Hut haben, sondern die selbst extremistisch orientiert sind.
Also Linksradikale die den ‚Kampf gegen Rechts‘ nutzen, um sich zu finanzieren?
Die frühere Familienministerin Kristina Schröder hatte es deshalb den Zuwendungsempfängern zur Auflage gemacht zu erklären, dass sie das Geld nicht an Organisationen weitergeben, die selbst extremistisch sind. Diese sogenannte Extremismusklausel wurde von ihrer Nachfolgerin Manuela Schwesig aber wieder außer Kraft gesetzt. Das ist, glaube ich, keine kluge Entscheidung gewesen.
Mit welchen Folgen?
Dass jetzt auch Gruppierungen empfangsberechtigt sind, die nicht die Gewähr bieten, nicht extremistisch zu sein. Dadurch können Personen subventioniert werden, die nicht für die parlamentarische Demokratie sind, sondern sie bekämpfen.
Das ist staatlich finanzierter Terror.
Das würde ich so nicht behaupten wollen. Ich kenne jedenfalls bislang keinen Fall, wo eine gewalttätige Gruppe vom Staat Geld für ihre Aktionen bekommen hat.
Aber Gruppierungen, die aus ihrer Vorliebe für Gewalt kein Geheimnis machen. Dazu gehören heute auch viele Jugendliche. Sie bieten denen in ihrer Gedenkstätte ein Programm an, indem vor linksextremer Gewalt gewarnt wird. Kommt das bei denen an?
Die Jugendlichen finden das sehr interessant. Weil sie mit dem Thema sonst praktisch nie konfrontiert werden. Es gibt in den Schulen so gut wie keine kritische Auseinandersetzung mit linksradikalem Gedankengut fehlt. Viele junge Leute vertreten deshalb eher linksextreme als rechtsextreme Ideen.
Weil alles Linke immer noch als gut gilt.
Jugendliche rebellieren eher gegen Autoritäten als 60jährige. Sie sind auch eher für Schlagwörter wie Gleichheit oder Gerechtigkeit zu begeistern – weil sie sich ja selbst meistens noch keinen Besitz erarbeitet haben. Und sie tendieren auch eher zu einfachen politischen Erklärungsmuster. Wenn man zum Beispiel sagt, Schuld am Hunger in Afrika ist der Kapitalismus, klingt das für viele erst einmal einleuchtend. Ähnlich ist es, wenn man behauptet, dass die Banken für das Elend dieser Welt verantwortlich sind. Erst wenn man sich näher mit den Dingen beschäftigt, stellt man fest: So einfach ist das alles nicht. Im Gegenteil, durch den Kapitalismus, finanziert durch Banken, ist die Armut in der Welt massiv zurückgegangen. Wir reden mit den Jugendlichen darüber und reflektieren mit ihnen diese Behauptungen. Wir versuchen also gleichsam zu beschleunigen, was ein altes Bonmot so formuliert: Wer in seiner Jugend kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer in seinem Alter noch Kommunist ist, hat keinen Verstand.
Den sollten sie eigentlich schon an den Schulen bekommen. Wie sieht es da aus?
In den Schulen spielt das Thema Linksextremismus praktisch keine Rolle. Rechtsextremismus, Nationalsozialismus ja, aber nicht Linksextremismus.
Der so immer gefährlicher wird?
Zumindest beobachten wir mit Sorge, dass dem jüngsten Verfassungsschutzbericht zufolge die Gewaltbereitschaft der linksradikalen Szene zugenommen hat. Manche schrecken auch nicht mehr davor zurück, Menschenleben zu gefährden – zum Beispiel das von Polizisten.
Das sind keine guten Aussichten.
Mich erinnert das vom Duktus und von der Sprache her oft an die Anfänge der Roten Armee Fraktion. Damals, 1970, hatte Ulrike Meinhof auch gesagt, dass der Polizist kein Mensch ist, sondern ein Schwein, weshalb „natürlich“ auch geschossen werden könne.
So sind die nächsten Mörder schon unter uns?
Ich hoffe, nicht! Das hängt vor allem davon ab, wie man ihnen entgegentritt.