Der IS ist ein formidabler Gegner, ihn zu vernichten eine enorme Herausforderung. Es spricht viel dafür, dass wir uns dieser Herausforderng nicht stellen werden, sondern uns an steigende Opferzahlen und weiteres Relativieren und Verharmlosen werden gewöhnen müssen.
„Homosexuelle sollten in der schlimmst möglichen Art und Weise getötet werden.“
Das ist nicht die Meinung eines durchgedrehten Salafisten. Gesagt hat das Großajatollah Ali al-Sistani, die Autorität für Millionen Schiiten weltweit, auf die Frage: „Was ist das Urteil (des Islam) über Sodomie und lesbische Liebe?“
Sein ähnlich bedeutender Kollege Yusuf al-Qaradawi von der sunnitischen Seite der Religion des Friedens sieht das ganz ähnlich. Da passt kein Blatt zwischen die beiden hochrangigen Rechtsgelehrten. Auf die Frage, wie Homosexuelle nach den Regeln des Islams zu bestrafen seien, erklärte er:
“Muslimische Juristen haben unterschiedliche Meinungen über die Bestrafung für diese abscheuliche Praxis. Sollte es die gleiche wie die Strafe für Unzucht sein, oder soll sowohl der aktive als auch passive Teilnehmer zu Tode gebracht werden? Während solche Strafen grausam erscheinen mögen, erscheinen sie angemessen, um die Reinheit der islamischen Gesellschaft zu erhalten und vor perversen Elementen zu bewahren“.
Die Inspiration für Muslime, Homosexuelle zu ermorden, stammt mithin nicht vom IS oder al-Qaida. Sie ist tief im islamischen Recht verwurzelt und immer wieder von Gelehrten bekräftigt worden. Man findet sie bereits in den Hadithen, den Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten.
Danach sind diejenigen, die Sodomie betreiben, zu töten, betrifft es einen unverheirateten Mann, dieser zu steinigen ist (Hadithe 4447 und 4448).
Die Todesstrafe für Homosexuelle ist geltendes Recht im Jemen, Iran, Mauretanien, Nigeria, Qatar, Saudi-Arabien, Somalia, im Sudan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Afghanistan, Pakistan, wie man dieser Aufstellung der „Washington Post“ entnehmen kann.
Diesen Kontext zwischen dem Massenmord in Orlando und der Religion des Täters herzustellen, fällt den Beobachtern hierzulande schwer. Im Süddeutschen Beobachter schreibt ein besonders exzeptionell gemütsverrotteter Spitzbube, der Täter hätte „genauso gut auch ein evangelikaler Christ gewesen sein können“, wie das bekanntlich bei sämtlichen vorangegangenen Massenmorden an Schwulen, Lesben, Intersexuellen und Klingonentransen der Fall war.
Paris, Brüssel, Chattanooga, Garland (Texas), San Bernardino, Orlando. Die Intervalle der Anschläge werden kürzer, die Opferzahlen steigen. Ändern wird sich daran in absehbarer Zeit nichts. Der Preis ist den Regierungen in den USA und Europa und der Bevölkerung in Europa (nicht in den USA) zu hoch („Massaker von Paris – Warum Frankreich nichts tun wird“).
Der Erfolg von Jihadisten gebiert mehr Jihad. Wenn Terroristen Rückzugsräume haben (ob in den Banlieues von Paris, in Molenbeek oder in Afghanistan), haben sie Zeit zum Planen, Vorbereiten und Ausführen neuer Anschläge. Die wiederum weitere Terrorakte inspirieren. Man sollte meinen, dass die Erinnerung an al Qaida, die in Afghanistan genau diese Rückzugsräume hatten, was zu 9/11 führte, noch gegenwärtig ist.
Die muslimischen Terroristen haben wieder Oberwasser. Seit dem Siegeszug des IS in 2014 besitzen sie ein Kalifat, Territorium, Bevölkerung, Einnahmequellen. Kurz: einen Staat. Eine enorme Quelle der Identifikation für Jihadisten weltweit. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Attentäter den Befehl für den Anschlag aus Raqqa erhalten haben oder nie Kontakt zum IS hatten. Dessen Existenz, dessen Erfolge und die weltweit zugänglich Propaganda genügen.
Wesentlich für die machtvolle Ausdehung des IS im Irak verantwortlich war die katastrophale Fehlentscheidung der USA, die Truppen nach einem mit großen Opfern gewonnenen Krieg aus dem weitgehend befriedeten Land abzuziehen. Die Präsenz der US-Truppen hat keineswegs Märtyrer geschaffen, wie viele meinen. Im Gegenteil. Die „surge“ war ein voller Erfolg. Als Petraeus mit dem Aufständischen fertig war, herrschte Ruhe im Irak.
Jihadisten und Terroristen lieben ihren eigenen Tod nämlich nur dann mehr als das Leben, wenn sie für eine siegreiche Sache kämpfen. Nicht, wenn sie von einer überlegenen Armee pulverisiert werden und mit loderndem Kaftan die Flucht ergreifen müssen. Rekruten kommen, wenn der IS den Eindruck vermitteln kann, erfolgreich zu sein. Nicht, wenn er Territorium, Städte, Schlachten verliert.
Wenn der Westen nicht den Mut und den (politischen) Willen aufbringt, die Inspirationsquelle IS zu vernichten, werden Attentate wie in Orlando häufiger, schlimmer und auch in Deutschland stattfinden. Der IS ist ein formidabler Gegner, ihn zu vernichten eine enorme Herausforderung. Es spricht viel dafür, dass wir uns dieser Herausforderng nicht stellen werden, sondern uns an steigende Opferzahlen und weiteres Relativieren und Verharmlosen werden gewöhnen müssen.
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