Tichys Einblick
Schon als Landesvater eine Fehlbesetzung

Weshalb Hendrik Wüst nicht Kanzler werden kann

Die Frage, wie sich ein Ministerpräsident als Demokrat richtig verhalten hätte, zu beantworten, ist sehr einfach. Er hätte nicht die Aufmärsche gegen die Demokratie unterstützen, nicht noch Öl ins Feuer kippen dürfen, sondern hätte klarstellen müssen, dass es das Recht und die Pflicht einer Partei ist, ihren Parteitag abzuhalten. Die Nominierung Wüsts zum Kanzlerkandidaten der CDU wäre ein Wahlkampfgeschenk für die CDU an andere Parteien.

Das beste Deutschland, das wir je hatten, im Jahr 2024: Die Delegierten der zweitgrößten Oppositionspartei im Bundestag – einer Partei, die in vielen Landesparlamenten zweistellig ist und im Osten die Umfragen anführt – können nur an dem sogar gesetzlich vorgeschriebenen Parteitag teilnehmen, weil eine hohe Polizeipräsenz herrscht. Einige Delegierte erreichten die Grugahalle in Essen nur unter Polizeischutz. 28 Polizisten wurden verletzt, einer von ihnen schwer.

Einige der Menschenfreunde, die gegen „Rassismus“, gegen „Antidemokraten“, gegen „Hetze, Hass & Rechtsextremismus“ auf die Straße gehen, wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst selbstzufrieden auf X gepostet hat, haben „ein starkes Zeichen“ gesetzt. Indem sie zwei Polizeibeamten, die bereits am Boden lagen, in schwere Verletzungen getreten haben, brutal, unbarmherzig für die Demokratie, wie sie Hendrik Wüst vorzuschweben scheint. Das mag polemisch klingen, übertrieben. Doch welche Vorstellungen von Demokratie darf man bei einem Ministerpräsidenten vermuten, der aus Steuermitteln finanzierte Meldestellen unterhalb der Strafbarkeit, also Denunziantenämter zur Gesinnungsschnüfelei einführt, an die man sich im Osten nur allzu gut erinnert?

Unerkannt konnten die Schläger, die ein „starkes Zeichen für unsere Demokratie …gegen Antidemokraten“ setzten, weil in „#NRW…kein Platz für Hetze, Hass & Rechtsextremismus“ ist, in der mit ihnen sympathisierenden Menge untertauchen. Für Gesinnungsterror, Bespitzelung und Denunziation scheint in Wüsts NRW des Jahres 2024 offenbar viel Platz zu sein. Und die Hofbarden der woken Gesinnung des märchenhaft zwangsgebührenfinanzierten WDR sprechen von friedlichen Demonstrationen. Später müssen sie verdruckst die Gewalt erwähnen. Für den WDR sind 28 Polizisten, teils schwer verletzt, anscheinend Kollateralschäden einer friedlichen Demonstration, die nur deshalb friedlich genannt wird, weil es gegen die AfD ging. Man stelle sich nur eine Sekunde lang die Berichterstattung vor, wenn die Aufmärsche, so wie sie stattgefunden haben, sich gegen die Grünen gerichtet hätten.

Für die öffentlich-rechtlichen Medien ging Gewalt deshalb vor allem von einem AfD-Delegierten aus, der einen zeichensetzenden Demonstranten angespuckt haben soll und laut WDR natürlich von der Polizei, die „robust“ vorging. So robust, dass ihrer Polizisten-Kollegen nun mit teils schweren Verletzungen kämpfen. Der AfD-Delegierte soll die stellvertretende Juso-Vorsitzende angespien haben, das ist für die ÖR-Medien gravierender als verletzte Polizisten. Doch Details, wie es zu dazu gekommen ist, erfährt man natürlich nicht. Es geht nicht um die Wahrheit, sondern um Framing. Irgendwie musst man es noch hinbekommen, dass eigentlich die AfD schuld an der Gewalt ist.

Wie der Herr, so das Gescherr möchte man sagen, denn auch Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen findet, dass Parteien außerhalb der Brandmauer in Essen nichts zu suchen haben, vielleicht sich noch erfrechen, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen und einen sogar vom Gesetz vorgeschriebenen Parteitag durchzuführen. Wäre es da nicht angemessen, wenn sich die Parteizentrale der CDU in NRW künftig Otto-Nuschke-Haus oder Gerald-Götting-Haus benennt?

Unsicher, welche Phrase die beste ist, dachte sich anscheinend Thomas Kufen, wer alle Phrasen bringt, vergisst keine und schrieb brav: „Wir wollen heute gemeinsam für unsere Demokratie, für Freiheit, Vielfalt und Toleranz einstehen und uns klar gegen Ausgrenzung und Extremismus stellen“. Nur hat Thomas Kufen nicht nur die AfD, sondern auch die Wähler der AfD ausgegrenzt. In Zeiten, in denen „die Stimmen derer, die unsere Demokratie und unsere freiheitliche Gesellschaft offen ablehnen, immer lauter werden, ist es gut so viele Menschen zu sehen, die dagegen ein starkes Zeichen setzen.“ Es ist nur so, dass Wüst und Kufen die Freiheit des politisch Andersdenkenden nicht akzeptieren, das sie keinerlei Toleranz für andere Meinungen aufbringen, dass sie essentiell und substantiell gegen die Demokratie agieren, wenn sie alle jene Kräfte hofieren, die Polizisten ohne mit der Wimper zu zucken, ins Krankenhaus treten. Die verhindern, dass Parteien ihre ordentlichen und gesetzlich vorgeschriebenen Parteitage abhalten. Das mag dann ihre Demokratie sein, nur hat diese Demokratie, „unsere Demokratie“ soviel mit Demokratie zu tun, wie der Kaffeesatz mit dem Satz des Pythagoras. Denn Brandmauerparteien wird immer mehr zum aktuellen Namen für Blockparteien.

Es ist hingegen eindeutig, wirkliche, nicht „unsere“ Demokraten setzen sich auf der Ebene des Arguments und des Meinungsstreites, des politischen Wettbewerbs auseinander, doch Wüst und Kufen loben all jene, die Diskussion und Meinungsstreit verhindern wollen, sie treten mithin gegen „Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Toleranz“ auf. Und es geht hierbei in keiner Weise darum, was die AfD will und denkt, mit der gleichen Leidenschaft würde ich für die Grünen eintreten, wenn sie von einer AfD-Regierung so behandelt werden würde. Martin Luther mahnte schon vor gut 500 Jahren: „Denn Ketzerei kann man nimmer mit Gewalt wehren. Es gehört ein anderer Griff dazu, und es ist hier ein anderer Streit und Handel als mit dem Schwert. Gottes Wort soll hier streiten; wenn’s das nicht ausrichtet, so wird’s wohl von weltlicher Gewalt unausgerichtet bleiben, wenn sie auch gleich die Welt mit Blut füllte. Ketzerei ist ein geistlich Ding, das kann man mit keinem Eisen zerhauen, mit keinem Feuer verbrennen, mit keinem Wasser ertränken.“ Dort, wo es das Argument nicht ausrichtet, bleibt es unausgerichtet.

Die Frage, wie sich ein Ministerpräsident und ein Oberbürgermeister als Demokrat, wenn sie denn Demokraten sein wollen, richtig verhalten hätte, zu beantworten, ist sehr einfach. Sie hätten nicht die Aufmärsche gegen die Demokratie unterstützen, nicht noch Öl ins Feuer kippen dürfen, sondern sie hätten klarstellen müssen, dass es das Recht und die Pflicht der AfD ist, ihren Parteitag abzuhalten, dass man sich mit dem politischen Gegner auf der Ebene des Inhalts und nicht auf der Ebene der Gewalt auseinandersetzt, denn Delegierte körperlich davon abhalten zu wollen, den Versammlungsort zu erreichen, ist Gewalt und es ist Gesinnungsterror.

Man nennt es wohl Heuchelei oder Tartuffes Disziplin, wenn man Aufmärsche gegen den politischen Mitbewerber unterstützt, Aufmärsche, die ihn daran hindern sollen, seine demokratischen Rechte wahrzunehmen, und die erwartbare Gewalt gegen Polizisten routiniert und pflichtschuldig bedauert.

Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen kann wirklich stolz darauf sein, dass in dem von ihm regierten Bundesland, Abgeordnete des deutschen Bundestages nur unter Polizeischutz ihren Bundesparteitag besuchen können. In NRW dürften sich ein Ministerpräsident und ein Oberbürgermeister, die der CDU angehören, nicht mehr auf die Demokratie berufen. Es ist kein Wunder, dass Hendrik Wüst im Osten nicht willkommen ist. Begrüßen würde ihn wohl nur Marco Wanderwitz. Die Nominierung Wüsts zum Kanzlerkandidaten der CDU wäre ein Wahlkampfgeschenk für die CDU, im Osten ist er aus historischen Erfahrungen nicht vermittelbar.

Im Polizeibericht von Essen heißt es über die von Wüst und Kufen gelobte und unterstützte Veranstaltung:

„Leider gab es immer wieder größere Personengruppen von zum Teil mehreren hundert Personen, die durch gewaltsame Störaktionen versuchten die Delegierten an der Teilnahme des Bundesparteitags zu hindern oder Sperrstellen zu durchbrechen. Im Rahmen dieser gewalttätigen Aktionen mussten unsere Kolleginnen und Kollegen wiederholt Gebrauch vom Schlagstock und Reizgas machen. Als Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei gegen kurz nach 10 Uhr einen Delegierten der AfD zur Grugahalle geleiteten, wurden sie im Bereich Grugaplatz / Alfredstraße von ca. 200 Personen attackiert. Hierbei wurden ein Polizist sowie eine Polizistin durch Schläge und Tritte schwer sowie sieben weitere Einsatzkräfte leicht verletzt. Nach der Behandlung im Krankenhaus stellten sich die zunächst als schwer eingestuften Verletzungen der Beamtin glücklicherweise als nicht so gravierend dar. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden bei den bisherigen Auseinandersetzungen insgesamt 28 Kolleginnen und Kollegen (27x leicht, 1x schwer) verletzt.“

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