Tichys Einblick
Entwurf in letzter Minute

Heizungsgesetz: Ohne Rücksicht auf Parlament und Bürger

Bis Freitag will die Ampel das Heizungsgesetz durch den Bundestag jagen. Nicht nur inhaltlich ist die "Lex Wärmepumpe" fraglich. Auch in der Form sorgt der Prozess für Kritik: 111 Seiten wollen erst einmal gelesen werden. Rücksichtslosigkeit prägt das Vorgehen der Ampel.

IMAGO / Frank Ossenbrink

„Eine Missachtung des Parlaments! Keine ausreichende Vorbereitung möglich.“ So schrieb der Ausschussvorsitzende Klaus Ernst (Linkspartei) auf Twitter, als er gegen Freitagmittag den Entwurf für das neue Heizungsgesetz erhielt. Die Ampel ging damit auf die Aufforderung ein, den Entwurf noch in dieser Woche abzuliefern. Das Heizungsgesetz, das einen Konflikt in der Koalition, einen Streit im Parlament und den Protest auf den Straßen heraufbeschworen hat, soll noch nächste Woche durch den Bundestag geboxt werden.

Zu wenig Zeit, sagt die Opposition. Alles richtig gemacht, hält die Ampel fest. „Wir hatten eine erste Lesung, wir hatten eine Fachanhörung und haben sogar beschlossen, dass es eine zweite Fachanhörung geben wird. Und dann erst die zweite und dritte Lesung – das ist komplett das übliche Verfahren, das der Bundestag vorsieht“, sagt Katharina Dröge, Fraktionschefin der Grünen in der ARD.

Dröge versucht, die „zweite Fachanhörung“ als Besonderheit hervorzuheben. Das ist sie tatsächlich. Aber nicht, weil die Ampel so sehr an parlamentarischen Verfahren hängt, sondern, weil sie dies eben nicht tut. Eine zweite Fachanhörung ist deswegen notwendig, weil den Sachverständigen bei der ersten Anhörung kein Entwurf vorgelegt werden konnte. Er existierte schlicht nicht. Stattdessen legten die Ampel-Politiker den Experten den alten, überholten Entwurf samt „Leitplanken“ auf den Tisch. Die Sachverständigen zeigten sich verwirrt, über was man nun beraten würde. Hätte man keine zweite Anhörung herbeizitiert, wäre der gesamte Ausschuss zur Farce verkommen.

Das Prozedere ist demnach ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn wenn den Sachverständigen am Montag der Entwurf vorgelegt wird, blieben bei Kritik und Änderungsbedarf nur zwei bzw. drei Tage Zeit, um sämtliche Korrekturen vorzunehmen, je nach dem, ob das Gesetz am Donnerstag oder Freitag durch das Parlament soll. Freilich dürften die Ampel-Parteien sowohl im federführenden Ausschuss wie auch im Plenum für das Gesetz stimmen. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann dagegen will versuchen, mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht das Prozedere noch zu verhindern.

Immerhin 111 Seiten sollen die Abgeordneten durchblättern und verstehen, um nächste Woche eine Entscheidung zu fällen. Zu Recht besteht die Vermutung, dass zwischen den Paragrafen Formulierungen stecken, die erst ihre wahre Bedeutung enthüllen, wenn das Gesetz das Parlament passiert hat. Ob dahinter grüne Finte oder Ampelschluddrigkeit steckt, ist zweitrangig: ein Gesetz, das im Rekordtempo durch den Bundestag gepaukt wird und zugleich so viele Unwägbarkeiten enthält, ist kein schlecht kommuniziertes Gesetz, sondern ein schlechtes Gesetz mit Ansage.

Demnach ist nicht nur der Inhalt des Heizungsgesetz problematisch, sondern auch die Form, wie es den Bundestag passieren soll. Beim Inhalt haben die Ampelparteien zwar nach politischem, medialem und gesellschaftlichem Druck nachjustiert. Doch im Kernpunkt folgen sie lediglich den Forderungen der Vertreter im Sachverständigenrat: fördern, entlasten, finanzieren. Das sieht man in den öffentlich-rechtlichen Medien bereits als Grund für Lob. Förderungen von bis zu 70 Prozent, zinsvergünstigte Kreditprogramme und Härtefallklauseln sollen den Einbau einer „klimaschonenden“ Heizung abfedern. Dass das Geld nicht gedruckt wird, sondern aus den Taschen derselben Steuerzahler stammt, die auch die Wärmepumpe einbauen, will man vergessen machen. In Wirklichkeit wird der Bürger mehrfach geschröpft.

Ein anderer Trick betrifft die kommunale Wärmeplanung. Sie bedeutet einerseits eine Verschiebung: sollte eine Kommune noch keinen Wärmeplan haben, dann greift auch das Heizungsgesetz nicht. Neuerlich geht es nicht nur um Inhalt, sondern auch Form. Denn die Gesetzgebung für die Wärmeplanung wird im Bundestag vom Heizungsgesetz abgekoppelt. Heißt: der Bundestag berät vor der Sommerpause über ein Heizungsgesetz, bei der die kommunale Wärmeplanung ein Kernelement ist. Doch über die Wärmeplanung selbst wird erst nach der Sommerpause gesprochen. Den Kritikpunkt haben Fachleute wie Opposition vorgebracht und die Verknüpfung beider Themen betont; da aber das Gesetz aus politischen Gründen – vulgo: Koalitionsfrieden – durch den Bundestag muss, findet keine gemeinsame Gesetzgebung statt.

Der amüsante wie befremdliche Passus, beim Einbau einer Öl-, Gas-, oder Holzheizung zuerst einen „qualifizierten Energieberater“ konsultieren zu müssen, changiert irgendwo zwischen der Schwangerenkonfliktberatung und den Zeugen Jehovas an der Klingel („Haben Sie Zeit, mit uns kurz über Ihre Heizung zu reden?“). Die Grünen zeigen, dass ein heiliger Ernst der Sache innewohnt, und während man einerseits den Abtreibungsparagrafen aufweichen möchte, zeigt die Koalition bei der Heizung inquisitorische Ambitionen: denn der Energieberater soll sich an eine staatlich vorgegebene Richtlinie halten. Die Bundesregierung werde nämlich Informationen zur Verfügung stellen. Das ist beeindruckend, kann doch die jeweilige Situation von Ort zu Ort wechseln, sich Ressourcen- und Energiepreise ändern, kurz: der Markt bleibt nach Verabschiedung des Gesetzes nicht der Gleiche. Oder der Staat will dafür sorgen, dass der Markt so bleibt, wie er ist. Weiß die FDP eigentlich, was sie angesichts solcher planwirtschaftlichen Allüren unterschreibt?

Ja, weiß sie. Fraktionschef Christian Dürr bestätigte am Freitag, dass seine Partei den Entwurf als Beratungsgrundlage freigegeben habe. Er betonte, dass niemand seine funktionierende Heizung ausbauen müsse und sie auch jederzeit reparieren könne. Der Eindruck soll erweckt werden, das über Monate zurechtgeflickte Stückwerk hätte nur ein paar Schwächen im Detail gehabt, die nunmehr ebenfalls geflickt seien. In Wirklichkeit herrscht in der Ampel offenbar die Hoffnung, das Heizungskapitel am kommenden Freitag endlich abzuschließen, bevor sich die dilettantisch gestrickten Fäden wieder auflösen. Mit den Fetzen müssen dann Kommunen und Bürger fertigwerden.

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