Tichys Einblick
Geschichtsklitterung ist kurzlebig

Heißt Aufarbeitung des SED-Unrechts jetzt: „Kampf gegen rechts“?

ZEIT-Interviewerin und Bundeskanzlerin halten die Ostdeutschen für kulturell zurückgeblieben, weil viele von ihnen nicht die politischen Auffassungen der ZEIT und der Bundeskanzlerin teilen.

© GERARD MALIE/AFP/Getty Images

Kritik an der Regierung oder an den Grünen gilt neuerdings als rechts, was inzwischen zum schlimmsten nur denkbaren politischen Attribut geworden ist. Der Kampf gegen „Rechtsabweichler“, gegen „die Rechten“, „das rechte Zentrum“ kann auf eine stabile stalinistische und maoistische Tradition zurückblicken, auch die Geringschätzung des Rechts, denn wer aus Unrecht Recht machen möchte, macht aus Recht Unrecht.

Verbale Kniebeuge vor der Kanzlerin
Journalismus mit dem Bauchpinsel
Da nun ausgerechnet auch von DDR-Bürgerrechtlern Kritik an der Regierungspolitik und der faktischen Verengung der Meinungs- und Pressefreiheit kommt, soll nun die moralische Reputation dieser Bürgerrechtler zerstört werden. Dieses unwürdige Geschäft wurde vom SPIEGEL-Redakteur Hammerstein begonnen und von der unvermeidlichen Jana Hensel in der ZEIT fortgesetzt. Mit wohligen Grausen berichtete die ZEIT-Schreiberin darüber, dass sich „Aufarbeiter“, die man ehrlicherweise hätte DDR-Bürgerrechtler hätte nennen müssen und die teils unter schwersten Haftbedingungen in Stasi-Gefängnissen eingekerkert waren, sich rechtspopulistischen Bewegungen annäherten.

Hubertus Knabe wurde vorgeworfen, dass er „die DDR-Aufarbeitung mit den Jahren zu einer Art Geheimwissenschaft gemacht“ hat. Meint Jana Hensel, die sogleich doziert, dass das Nebeneinanderstellen der nationalsozialistischen und sozialistischen Diktatur „nicht nützlich für das Verständnis der DDR“ sei. Ihre große Bundeskanzlerin hätte gesagt „nicht hilfreich“.

Wenn das Ziel des „Kampfes gegen rechts“ darin besteht, wieder mehr DDR-links zu bekommen, hat sie allerdings recht, dann ist der Vergleich nicht nützlich. Da ist es nur folgerichtig, dass die lässige Jana Hensel für einen lässigeren Blick plädiert und vollmundig verkündet, dass die „DDR-Aufarbeitung … tatsächlich einen Neuanfang“ braucht.

Öffentlichkeit ausgeschlossen
Amadeu Antonio Stiftung: Geheimtagung?
Und um allen zu demonstrieren, dass ihr Plädoyer für Lässigkeit und Neuanfang die Billigung ihrer Bundeskanzlerin findet, gewährte ihr Angela Merkel ein Interview. Bemerkenswert an dem Interview ist, dass ZEIT-Autorin und Bundeskanzlerin die Ostdeutschen für kulturell zurückgeblieben halten, weil viele von ihnen nicht die politischen Auffassungen der ZEIT und der Bundeskanzlerin teilen. Das liegt ganz auf der wieder verstärkt propagierten ideologischen Linie, dass die Ostdeutschen nun mal ein bedauerliches Manko an Demokratieerfahrung besitzen. Verschwiegen wird gern, dass sie sich die Demokratie erkämpft und den Traum der westdeutschen Linken von dem besseren Deutschland, den sie hegen durften, aber nicht Leben mussten, dadurch zerstört hatten.

Aber was weiß die Bundeskanzlerin davon und was will sie davon wissen? Ist da nicht ein Neuanfang der DDR-Aufarbeitung „nützlicher“ oder „hilfreicher“, als sich mit den deprimierenden Realitäten des Jahres 2019, mit der eigenen desaströsen Regierungsbilanz auseinanderzusetzen?

Hubertus Knabe
SED-Erben verjagen Stasi-Jäger aus Stasi-Kontrollstiftung
Nachdem der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, unter – freundlich ausgedrückt – beunruhigenden Umständen entlassen wurde, schritt die umstrittene Amadeu Antonio Stiftung zur Tat. Angemerkt sei, dass die Stiftung laut eines Berichtes von Ansgar Neuhof zum 31.12. 2017 ein Eigenkapital von 2 Millionen Euro besaß, wovon nur ¼ zum Stiftungskapital gehörte, den Rest bildeten Rücklagen. Allein im Jahr 2017 erhielt die Stiftung 967.000 Euro vom Bund, also Steuermittel, Ihres und mein Geld, Geld, das u.a. eigentlich vom Bundesministerium für Familien hätte ausgegeben werden können, um die 2,5 Millionen Kinder in Deutschland, die in Kinderarmut leben, zu fördern, diese Not zu lindern. Aber was interessierten Familienministerin Schwesig arme Kinder, wo es doch um den „Kampf gegen rechts“ ging? Liest man das Vorwort ihrer Nachfolgerin im Amt, Franziska Giffey, für die Handreichung der Stiftung zur Ausspionierung von Kita-Kindern, scheint sich Ministerin Giffey für Kinder eher als Informanten zu interessieren.

Dass Stiftung und Stiftungschefin sich einen Neuanfang in der DDR-Aufarbeitung im von Hensel bereits formulierten Regierungssinne wünschen, erstaunt niemanden.

Erstaunlich ist aber, dass die Geheimtagung, die in den Räumen der Amadeu Antonio Stiftung gestern stattfand, von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung reichlich bezuschusst wurde. 5.000 Euro durfte man geben, 4.900 hat man laut B.Z. gegeben – und das für eine Veranstaltung, die in den Räumen der Stiftung und mit sehr kleinem Teilnehmerkreis stattfand. Nur diejenigen, die willig für diesen „Neuanfang“ eintreten und ihn propagieren würden, wie der Journalist Decker, der TE, Cicero und die NZZ als Zeitungen in der „Grauzone zum Rechtspopulismus“ denunzierte, waren zur „Fachtagung“ zugelassen.

Es ist bereits abzusehen, dass die Stiftung als Ergebnis der Tagung mitteilen wird, dass die Aufarbeitung von Rechtspopulisten unterlaufen wurde und deshalb ein inhaltlicher und personeller Neubeginn unter maßgeblicher Beteiligung der Amadeu Antonio Stiftung notwendig sei. Die Stiftung schwingt sich immer stärker zu einer Art outgesourcter Zensurbehörde oder Inquisition auf.

Haben also der Berliner Senator Klaus Lederer von den Linken, die Grüne Marianne Birthler und die Amadeu Antonio Stiftung unter stillschweigender Duldung der CDU die Aufarbeitung des SED-Unrechts beendet oder einfach in einen „Kampf gegen rechts“ verwandelt? Ist man der institutionellen Absicherung des berühmten Schlussstriches nähergekommen? Das wird abzuwarten sein.

Transparenz bitte
Fachtagung oder Geheimtreffen? Aufarbeitung oder Schlussstrich?
Während die Fachtagung lief, demonstrierten DDR-Bürgerrechtler vor der Tür der Stiftung gegen den Skandal, der in den Räumen der Stiftung staatlich gefördert und deshalb wohl auch gewollt stattfand. Allerdings schienen sich die kühnen Kämpfer für das Gute und gegen das Böse in den Räumen der Stiftung vor den DDR- Bürgerrechtlern so sehr zu fürchten, dass sie die Polizei riefen, so dass der Polizeieinsatz zum Schutz der Fachtagung auf die Kosten noch draufzurechnen ist.

Aus meiner Sicht braucht niemand, der die Stiftung im Staatsauftrag unterstützt, sich über die Spaltung der Gesellschaft zu beklagen, an der die Kahane-Stiftung durch ihr doktrinäres Wirken keinen geringen Anteil hat.

Der „Neubeginn“ scheint nun stattfinden zu können, doch wird er ins Nichts führen. Geschichte lässt sich für eine Weile verheimlichen, doch entzieht sich auf eigene Art dem Zugriff der Mächtigen. Sie ist nämlich keine Kämpferin gegen rechts, auch nicht gegen links, sie ist, was sie ist.

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