Heinz Kuttnik war ein unbequemer Gefängnisinsasse. Selbst auf den Fotos, die der DDR-Staatssicherheitsdienst von ihm in der Haft machte, sieht man ihm den Widerstandsgeist an. Tatsächlich ließ sich der damals Mitte Dreißigjährige auch von der Stasi nicht klein kriegen.
Mit verschmitztem Lächeln erzählte er mir einmal, wie er in seiner Zelle in Berlin-Pankow eine Ratte gefangen und ihr aus einem Stück Stoff eine Art Nachthemd angezogen hatte. Als die Wärter die Tür geöffnet hätten, habe er das Tier freigelassen, so dass diese sich verdattert gefragt hätten, was da an ihnen vorbeigeschlüpft sei. Anschließend habe er hören können, wie die Wärter lange Zeit vergeblich versucht hätten, die Ratte im Zellenflur zu erwischen – die Genugtuung darüber war ihm bis heute anzusehen.
Über Jahre hinweg habe ich Heinz Kuttnik bei Veranstaltungen der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen getroffen. Stets erschien der klein gewachsene Mann, der am 31. Oktober 1932 in Berlin-Lichtenberg geboren worden war, in schwarzer Lederkluft und mit einem Helm unter dem Arm, denn bis ins hohe Alter fuhr er Motorrad. In der anderen Hand hielt er eine Kamera und erklärte mir zur Begrüßung, dass er die Veranstaltung filmen werde – wie Dutzende andere davor und danach. Ein paar Tage später übergab er die fertige DVD. Ihm ist es zu verdanken, dass nahezu alle Veranstaltungen, die in der Gedenkstätte stattfanden, für die Nachwelt überliefert sind.
Dabei stand Heinz Kuttnik nie im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das Internet verzeichnet zu seinem Namen nur einen einzigen Zeitungsartikel – der allerdings eine ebenso typische wie anrührende Begebenheit schildert: Als in Berlin die erste rot-rote Koalition an die Macht gekommen war und am Jahrestag des Mauerbaus der Opfer des DDR-Grenzregimes gedachte, ging Heinz Kuttnik bei der feierlichen Kranzniederlegung unvermittelt nach vorne und entfernte vom Kranz der in PDS umbenannten SED die Schleife.
Am 23. Mai starb Heinz Kuttnik im Alter von 88 Jahren. Die Beisetzung fand am 27. Juli in Berlin-Pankow statt, von der Gedenkstätte Hohenschönhausen war niemand erschienen. Anstelle eines Nachrufes wird an dieser Stelle die unredigierte Trauerrede seines Sohnes Bernd dokumentiert, die dieser freundlicherweise zur Verfügung stellte.