Tichys Einblick
Die Falschen machen das Richtige falsch

Hauptsache dagegen

Ein Angestellter, der ALLE Ideen eines Kollegen torpediert, weil er diesen nicht mag, egal wie viel Schaden solche Kinderei der Firma zufügt, er würde entlassen werden. – So aber handeln Politiker, die ALLES ablehnen, was die verfemte Opposition vorschlägt.

imago images / Christian Spicker

Nach einem alten Witz (im Essay »Razzien, Deiche und der Bau der Chinesischen Mauer« streifen wir eine Variante davon, doch auch dort kosten wir sie zu wenig aus!) ließe sich über Sigmund Freuds Psychoanalyse der Witz machen: »It’s mostly one thing – or your mother.« – »[Das Problem] ist meistens das Eine – oder deine Mutter.«

Das Klischee jener divanzentrierten Zerlegung der Seele (nichts anderes bedeutet »Psycho-Analyse«) ist der Patient, der sich den Schmerz die Galle von Seele und Drüsen redet, während Analytiker oder Analytikerin sich den Bart kraulen und dem Patienten die Erlaubnis geben, alle Schuld bei der Mutter abzuladen. Manchmal beim Vater. Eher nicht zuerst bei sich selbst. Wer zahlt schon gute Österreichische Kronen (ab 1925 Schillinge und ab 1938 Pfund Sterling) um zu erfahren, dass seine Fortune seine eigene Schuld ist und er/sie sich ansonsten nicht so anstellen soll?

»speziell mit Ihnen als Person«

Ein Herr Dr. Luczak von der Regierungspartei CDU eröffnete am 14. Februar 2020 seine Rede im deutschen Bundestag so:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brandner, Sie haben gerade gefragt, weswegen wir Ihrem Antrag, was die abstrakte Normenkontrollklage gegen den Mietendeckel in Berlin anbelangt, nicht zugestimmt haben. Da kann ich Ihnen eine ganz klare Antwort geben: Weil wir mit Ihnen, mit Ihrer Fraktion und speziell mit Ihnen als Person überhaupt nichts zu tun haben wollen. Ganz egal, was Sie in diesem Hause vorschlagen werden, werden Sie nie die Unterstützung der CDU/CSU bekommen. (Dr. Jan-Marco Luczak, CDU/CSU, via bundestag.de (PDF))

Das Protokoll notiert anschließenden »Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP«.

Es ging um den sogenannten »Mietendeckel« und die Wiederaufnahme der entsprechenden Praxis der NSDAP durch die SED und heute durch SPD, Grüne und wieder die nun umfirmierte SED (mehr zu Ideen, welche heutige Sozialisten hundert Jahre später neu für sich »entdecken« siehe auch »Reichsarbeitsdienst und Tee auf der Terrasse«). Angeblich, in ihren Verlautbarungen sind auch CDU und FDP gegen die Wiederbelebung der NS-Idee »Mietenstopp«, doch wie ernst es ihnen damit wirklich ist, können wir anhand der Einleitung des Herrn Dr. Luczak einschätzen.

Ein Angestellter, der alles ablehnt was ein Kollege sagt, selbst wenn es klug ist, selbst wenn er dadurch der Firma schadet, er würde sofort gefeuert werden. Ein derart destruktives, hoch egoistisches Verhalten würde man keinem Angestellten einer privaten Firma durchgehen lassen, genau so aber handeln Politiker, die alles ablehnen, was die AfD vorschlägt.

Makulatur, um nicht »Fake News« zu sagen

Deutlicher könnte es die Mit-Merkel-vor-die-Klippen-Fraktion des Bundestages ja gar nicht ausdrücken: Wenn die AfD irgendetwas verlangt, werden die anderen Parteien nie dafür sein.

Konsequent: Wenn die AfD etwas verlangt, das für Deutschland gut ist, werden die anderen Parteien es ablehnen, selbst wenn sie in der Sache zustimmen könnten.

Deutschland im Namen von Moral und Ideologie einen Schaden zuzufügen – ist es das, wofür die Bürger die CDU gewählt haben?

Die alte Behauptung, man wolle die AfD »in der Sache entzaubern« (CDU, siehe fnp.de, 21.3.2016) beziehungsweise »stellen« (FDP, siehe n-tv.de, 1.2.2018), sind heute Makulatur, um nicht »Fake News« zu sagen.

Neutrale Beobachter erkennen schon länger dieses demokratieschädliche Verhalten von CDU & Co. – dass CDU & Co. es nicht nur so offen und zu großem Applaus der verschiedenen Merkel-Parteien zugeben, das ist ein unrühmlicher Meilenstein beim erneuten Niedergang demokratischer Sitten in Deutschland.

Erst wollten CDU und FDP die AfD »in der Sache stellen«, jetzt erklärt man stolz und laut, dass man sie auch dann ablehnen wird, wenn man ihnen »in der Sache zustimmt« – de facto geben CDU und FDP der AfD auf Sachebene recht und flüchten sich zugleich endgültig in die latent anti-demokratische Trieb-Ebene von Grünen & Antifa.

So sieht die Kindergarten-Demokratie der Etablierten praktisch aus, als Beispiel: Im Juni 2019 stellte die AfD einen Antrag auf ein Verbot der Hisbollah (bundestag.de, Drucksache 19/10624). Nein, er wurde nicht angenommen. Erstaunlich pünktlich nach 6 Monaten aber stellten diverse andere Fraktionen denselben Antrag nochmal (tagesspiegel.de, 19.12.2019). Die Politiker nennen es Moral, Demokraten aber nennen es Kindergarten.

Die Parteien sind nicht nur bereit, dem deutschen Volk und der Demokratie großen Schaden zuzufügen im Abwehrkampf gegen die Neuen am Pfründe-Trog, sie tun es bereits.

Die Polen haben eine Redensart, die sich übersetzen lässt: »Der Mutter zum Trotz lasse ich mir die Ohren abfrieren!« (Polnisch: »Na złość mamie odmrożę sobie uszy.« –Ich habe es auf Tschechisch kennengelernt: »Mámě na zlost si nechám umrznout uši.«) – Das ist es, was Merkels Beste treiben, nur dass es nicht »ihre Ohren« sind, die sie »abfrieren« lassen, sondern dass sie dem Volk echten Schaden zufügen und die Demokratie selbst zur Farce werden lassen.

Der absurde Kern jener Metapher wie auch des Verhaltens von CDU & Co. ist, dass einige der Akteure ernsthaft glauben könnten, sie selbst träfe keine Schuld an den Folgen ihres Handelns. Politiker etablierter Parteien benehmen sich wie Kommunisten und reden wie Faschisten – wir lernen heute die funktionale Schnittmenge kennen – und sie wollen die Verantwortung für ihre Taten auch noch auf die Opfer abladen. Beinahe ähnlich dem Triebtäter, der in seiner verdrehten Denkweise die angebliche »Schuld« für seine Taten beim Opfer sucht, so sind gewiss auch jene, welche in Abwehr der Neuen die Demokratie beschädigen, gewiss der Überzeugung, die Neuen hätten sie dazu »provoziert« und wären deshalb »dran schuld«.

Seit Adam und Eva

Wenn ein Freudianer die Schuld für das post-ethische Verhalten gewisser Politiker etablierter Parteien (und Journalisten!) tatsächlich beim gestörten Mutter-Verhältnis suchen würde, dann könnte man in der »Mutti-Ära« wohl tatsächlich aufhorchen. Doch, nein: Ich halte wenig davon, Schuld und Verantwortung bei anderen zu suchen, auch nicht bei Müttern – oder der großen Zerstörerin.

Der Politiker, der einem guten Antrag nicht zustimmt, weil die AfD ihn stellt, schadet damit und darin bewusst dem Land – und doch fühlt er sich nicht für den Schaden verantwortlich, und in seiner merkwürdigen Denkweise schreibt er die Schuld für seine Tat gewiss der AfD zu. Motto: »Die AfD ist dran schuld, dass ich dem Land schadete, denn sie war es, die etwas Gutes tun wollte.« – Willkommen in der bizarren Gegenteilwelt…

Die Verschiebung der Schuld für seine Handlungen auf andere ist keine neue Eigenschaft – es begann buchstäblich mit Adam und Eva, als Adam die verbotene Frucht von Eva annahm, und sich dann vor G-tt damit herausredete, Eva habe sie ihm doch gegeben, und G-tt habe ihm ja Eva gegeben – und in Implikation sei es doch des Schöpfers eigene Schuld, dass Adam gegen das praktisch einzige Gebot verstieß.

Ich erinnere mich noch gut, dass das Volk das Gefühl hatte, dass als weltfremde wahrgenommene Richter immer wieder brutale Straftäter mit dem Verweis auf deren »schwierige Kindheit« viel zu weich behandelten, das heutige Äquivalent ist der »Kultur-Rabatt«, mit dem sich die Schuld und Verantwortung für eine Handlung auf jemand anderen als den Täter verschieben lässt.

Das also ist der Zustand deutscher Politik: Die Politik handelte zum Schaden des Volkes – es entstand eine Partei, die eine »Alternative« zum »Alternativlosen« sein wollte – und nun wird eben aus Trotz zum Schaden des Volkes gehandelt, und das alles nur, weil die Bürger einen wählten, der frech verlangt, dass man des Volkes Nutzen mehren solle.

Abgründe lauern

Freuds große Botschaft ist die Warnung, dass gleich unter unserer Haut, hinter unserer öffentlichen Höflichkeit, dunkle und gefährliche Abgründe lauern.

In Deutschlands großer Debatte finden wir heute ein Über-Ich von solcher erbarmungsloser Brachialität, dass Hermann Kafka es für zu drakonisch befunden hätte – und dann erleben wir ganz viel Id, linksgrüne Ideologen, rücksichtslose Triebbefriedigung (wir wollen hier nicht die Geschichte der Grünen aufrollen) und brutale Ausgrenzung aller Andersdenkenden und Abweichler im Namen des Kampfes für das Gute, in Wahrheit im Kampf um die Macht der Etablierten und Konzerne.

Über-Ich und Id haben wir in der Politik genug, was uns fehlt ist das vermittelnde Ich, die bewusste Instanz, die aus den Trieben und Normen, unter der Aufsicht von Vernunft und kritisch geprüften Wesen, eine kluge Entscheidung formt.

Erwachsen zu werden bedeutet, Verantwortung für seine Taten zu übernehmen. Nicht nur verhalten sich deutsche Politiker kindisch, nicht nur bringen sie Schaden über Deutschland – sie geben auch feige diversen anderen Instanzen die Schuld am Schaden, den sie verursachen, und seltenst nur sich selbst und selbst das nicht wirklich konsequent.

Politiker handeln nun wissentlich zum Schaden Deutschlands, wenn sie eine gute Maßnahme ablehnen, weil sie von den »falschen« Leuten kommt.

Politiker sind und waren selten ethische Lichtgestalten – erst recht nicht heute in Zeiten hysterischer Dauerbeobachtung – dafür müssen sie einfach zu viele Kompromisse schließen. Und doch sind die heutigen Zeiten besonders! Es ist neu, dass Politiker das Gegenteil dessen sind, was ich meinen Kindern als anständige Menschen vorstellen würde.

Man sollte sich nur einig sein

Gelegentlich versuchen meine Kinder ja, die Verantwortung auf einander zu schieben, indem sie sagen: »Er/sie hat aber angefangen!« – Es ist kindisch, und man erklärt ihnen geduldig, dass es zwar tatsächlich nicht gut ist, einen Streit zu beginnen, doch dass auch wenn der andere den Streit gestiftet haben sollte, man noch immer selbst die Verantwortung für sein Verhalten trägt.

Tatsächlich habe ich aber auch schon so etwas gehört wie: »Ich wollte mein Zimmer aufräumen, aber jetzt wo er es gesagt hat, dass ich es tun soll, habe ich keine Lust mehr«, und wenn ich mich richtig erinnere, habe ich daraufhin gelacht.

CDU & Co. argumentieren wie ein Kind, das angeblich etwas Gutes tun will, es dann aber sein lässt, weil jemand es von ihm forderte, den er doof findet.

Lasst uns nicht ein politisches Verhalten akzeptieren, das man nicht einmal bei Kindern durchgehen ließe. Heute sagt man Kindern: »Lernt und seid anständige Leute, damit ihr nicht wie die Politiker werdet!«

Für Kinder wie für Politiker gilt heute gleichermaßen (wenn man die Nervenstärke dazu besitzt): Lasst uns denen mit gutem Beispiel vorangehen – und wenn sie die Verantwortung für ihre Handlungen verschieben wollen, lasst sie uns darauf hinweisen, dass anständige Leute so etwas nicht tun.

Das Praktische an Politikern ist, dass man sie – anders als Kinder – austauschen kann, wenn sie sich daneben benehmen – man muss sich »nur« (siehe Thüringen!) einig darin sein – sonst kommt Mutti, und macht alles kaputt, und Sigmund Freud tönt aus dem Grab: »Hab’ ich euch doch gesagt!«


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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