Jan Böhmermann hat harte Konkurrenz bekommen, das heißt genau genommen schmiert er im Vergleich zu Habecks kleiner Küchentisch-Comedy ab, die Robert Habeck am Freitag ins Netz stellen ließ. Denn während man weder in der heute show noch bei Böhmermann nicht einmal verlegen grinsen kann, weil es doch lustig sein soll, schafft es Robert Habeck, dass man das ganze Video hindurch schallend durchlachen muss. So viel falsches Pathos, das sich selbst persifliert, hatte man seit dem Untergang des Kommunismus nicht mehr gesehen. Er erinnerte in seiner Rede so hübsch an Shakespeares Zettel oder an Gryphius’ Peter Squenz. Über 8 Minuten kitzelte Robert Habeck die Lachnerven der Zuschauer. Eigentlich wollte er allen nur mitteilen, dass er der Kanzlerkandidat der Grünen wird. Welch witziger Einfall, die Grünen stehen bei 10 Prozent. Aber nicht nur deshalb stellt sich die Frage: Wird er das auch? Was sagt denn am nächsten Wochenende der Parteitag der Grünen dazu? Aber der Parteitag ist unwichtig, schließlich hat es Habeck öffentlich verkündet.
Zum Video: Robert Habeck sitzt am Küchentisch – bei Freunden. So beginnt er jedenfalls: „Ich bin hier bei Freunden in der Küche. An Tischen wie diesen kommen Menschen zusammen.“ Nur leider nicht am Küchentisch von Habecks Freunden, denn er sitzt allein dort, mutterseelenallein, wählerseelenallein, keiner außer ihm, wie verlassen oder wie in einer Küchennische bei IKEA. IKEA kann sogar stimmen, denn da wird man auch ständig geduzt.
Die Familien, die Paare, die zusammen frühstücken, die sich über den Tag unterhalten, was sie vorhaben, die sich absprechen, die Aufgaben verteilen, die sich Glück wünschen für Verhandlungen oder Klassenarbeiten, hat Habeck nicht im Sinn, nicht das normale Leben, sondern eben die armen KerlInnen, die morgens im Handy über den Wahlsieg von Donald Trump lesen, einsam am Küchentisch von Freunden Radio hören oder Nachrichten lesen. Der arme Robert, der noch ärmere Küchentisch, die bemitleidenswerten Freunde, die den Robert nicht loswerden, weil er bei ihnen ständig am Handy Nachrichten liest, über Trumps „dräuenden“ Wahlsieg, den Ukraine-Krieg, über die Krisen der Welt – der arme Robert, steht deshalb nicht von ihrem Küchentisch auf, weil er von der Wirklichkeit umzingelt ist.
Jetzt ist er allerdings vollkommen in seiner Rolle angekommen, erledigt er seine Aufgabe als Kanzlerkandidat der Grünen, so wie sie treffend sein Parteifreund Erik Marquardt, der Migrationspromotor, beschreibt: „Seine Aufgabe – für die er die nötige Beinfreiheit bekommt – wird es sein, unsere Migrationspolitik in Geschichten zu gießen, die berühren und die Wähler dann überzeugen.“ Genauer kann man es nicht sagen: Habecks Aufgabe als Kanzlerkandidat besteht darin, laut Marquardt, die Ideologie der Grünen in Herzblatt- oder in Lach- und Sach- oder Windradgeschichten zu gießen, dem Wähler gefühlige Geschichten zu erzählen, ihn einzulullen.
Man hat beim Zuschauen das Gefühl, dass Robert Habeck in der Art, wie nur er es kann, uns acht Stunden lang Geschichten von der bösen Welt, vor der er uns bewahren will, aufbindet. Keine Frage: Robert Habeck ist ein Magier, ein großer Erzähler, denn tatsächlich sind nicht acht Stunden, sondern stattdessen ganze acht Minuten vergangen. Wer so die Zeit zu dehnen vermag, ist ein wahrer Könner.
Energiewende, Atomausstieg, Verbrenner-Aus, Emissionshandel, Klimaideologie-Subventionswirtschaft, geistig festzusitzen in der Fortschritt-Ideologie von vorvorgestern, die längst Vergangenheit ist, darin bestehen die wahren Gründe für die Habeck-Rezession. Doch in Robert Habecks Phantasmen kommt das alles nicht vor, sondern nur die böse Merkel und der böse Putin und die bösen Populisten. In den Tagesthemen staunte selbst der ihm gewogene Moderator darüber, dass Habeck allen Ernstes behauptete, dass alles noch viel schlimmer gekommen wäre, wenn nicht er mit herkulischem Einsatz das Schlimmste verhindert hätte: „Wir haben hart dafür gearbeitet, dass es nicht noch schlechter gekommen ist.“ Welch Glück, doch größer wäre das Glück, wenn Habeck nicht hart gearbeitet hätte, zwei Drittel, vielleicht sogar drei Viertel der wirtschaftlichen Schwierigkeiten wären uns erspart geblieben.
Angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs räumt der Bundeswirtschaftsminister in seinem Debut als Küchentisch-Comedystar ein, dass er Fehler gemacht habe, aus denen er gelernt hätte. Er unterlässt es nur, dem geneigten Publikum mitzuteilen, welche Fehler es waren und was er daraus gelernt hat. Offensichtlich sind ihm seine Fehler nicht bewusst, denn er wirbt damit, alles, was er falsch gemacht hat, „in Erfahrung gehärtet“ nur noch konsequenter zu betreiben. Habeck hat eben gelernt, nichts gelernt zu haben. So etwas nennt man unbelehrbar.
Der nigelnagelneue grüne Kanzlerkandidatenbewerber prahlt damit, dass er die Energiepreise reduzieren konnte, und vergisst zu erwähnen, dass die aufgrund seiner falschen Politik erst durch die Decke geschossen sind, und vor allem, dass sie deshalb sanken, weil die EEG-Umlage von der Rechnung der Stromkunden genommen und ins allgemeine Steueraufkommen überführt wurde, damit der Stromkunde nicht merkt, dass Habecks EEG-Barone immer mehr Steuergeld scheffeln. Aus diesem Grund musste 2024 sogar ein Nachtragshaushalt beschlossen werden, weil zur Mitte des Jahres die Rücklagen für Habecks EEG-Barone aufgebraucht waren. Doch das alles kommt in Roberts Fairy Tales nicht vor.
Stattdessen warnt er nach Kommunistenart vor den Umtrieben des Klassenfeindes, vor dem „Spaltpilz des Populismus“, der „eingedrungen“ ist und der „sich ausbreitet“. Fachleute mögen sich streiten, ob an dieser Stelle Habecks Geschichten vom Küchentisch in das Genre der Schauergeschichten oder der Verschwörungstheorien hinüberspielen, wenn er raunt: Der „Spaltpilz des Populismus“ „findet seinen Nährboden in allem was schwierig ist. In der Wirtschaftslage, der Klimakrise, dem Krieg in der Ukraine, dem Umgang mit Flucht und Migration, in allem, was sich ändert und er wird gefüttert von Putins autoritärem Regime, von Trollarmeen und von Bots und von den Populisten hier im eigenen Land.“
Der größte und tapferste Robert Habeck, den die Welt je gesehen hatte, hat sich entschieden, noch einmal für uns zu kämpfen. Und so schließt er mit der Drohung: „Ich habe mich entschieden wie ich mich vor 22 Jahren entschieden habe, um viele Erfahrungen reicher und dennoch mit dem gleichen Antrieb des Anfangs für Sie, für Euch, mit Ihnen, mit Euch.“
Robert Habeck will Bundeskanzler werden, und er traut es sich zu, er hält sich für den besten. Errare habeckum est. Sein Video will kumpelhaft und bescheiden daherkommen, und strotzt doch nur vor Hybris und Arroganz und Schnöselhaftigkeit, weil er auf die Wähler aus der Habeck-Höhe herabschaut. Bundeskanzler wird er wohl nicht, aber womöglich Vizekanzler bleiben, wenn die Union über die 30-Prozent-Marke bei den Wahlen kommt, weil sie, wie es bis jetzt aussieht, ihren demokratischen und historischen Auftrag meidet wie der Teufel das Weihwasser.