Heute ist Robert Habeck zu einem Besuch in Kiew eingetroffen: „Überraschend“, raunt die Tagesschau in geradezu investigativem Tonfall, „überraschend“ auch die Welt, „überraschend“ auch viele Medien hierzulande, als habe man gerade die vollkommen überraschende Reise des Wirtschaftsminister in die Ukraine entdeckt, der in den letzten Tagen so schön und so perfekt an seinem Sieg über die FDP und über die SPD im Koalitionsausschuss gelitten hat, wie es niemand außer ihm so perfekt kann. Vielleicht hat er sich ja auch gedacht, dass er einfach mal raus, den Kopf freibekommen muss.
Im Jahr 2022 war die Climate Imperative Foundation der größte Geldgeber der Agora Energiewende, der zweitgrößte war das amerikanische Aspen Global Change Institute (AGCI). Von den 18.985.637,72 Euro Zuwendungen und Spenden entfallen auf die Climate Imperative Foundation 5.929.783,31 Euro, auf das AGCI 4.710.658,19 Euro, zusammen also 10.640.441,50: von den fast 19 Millionen Euro kommen also mehr als die Hälfte von den beiden amerikanischen Organisationen. Unter den Spendern finden sich auch die Breakthrough Energy. Unter dem Namen Breakthroug Energy haben sich eine Reihe Organisationen versammelt.
Gegründet hat den Dachverbund Bill Gates. Zu den Investoren gehören u.a. Jeff Bezos von Amazon, Georges Soros und Mark Zuckerberg. Obwohl oder vielleicht auch weil Patrick Graichen nach der letzten Bundestagswahl den Posten des Direktors der Agora Energiewende aufgegeben hat und als Staatssekretär in Habecks Ministerium gewechselt ist, hat beispielsweise die Climate Imperative Foundation ihre Großzügigkeit gegenüber der Agora Energiewende sogar noch verdoppelt. Im Jahr 2020 spendete die Climate Imperative Foundation noch rund 1,7 Millionen Euro, im Wahljahr 2021 schon rund 2,4 Millionen – und 2022 dann fast 6 Millionen Euro. Habecks Konzepte und Gesetze stammen also letztlich auch aus Thinktanks wie die Agora Energiewende einer ist.
Die großen Schlachten, die in den Koalitionsgesprächen angeblich geschlagen wurden, wurden für das Publikum inszeniert.
Erster Akt: Die FDP, deren einzige Aufgabe darin zu bestehen scheint, für alles, was die Grünen umsetzen, einen liberalen Namen, neudeutsch ein liberales wording, zu finden, statt „Erneuerbare Energien“ beispielsweise „Freiheitsenergien“, womit sich schon das Engagement für die Freiheit seitens der FDP erschöpft, diese FDP also brauchte dringend einen Sieg und Robert Habeck nicht weniger dringend sein familienfeindliches Wärmepumpengesetz. Also kam man überein, dass die FDP den Sieg bekommt und die Grünen das Wärmepumpengesetz, denn das wurde abgesehen von ein paar kosmetischen Retuschen so beschlossen, wie es von Anfang an vorgesehen war.
Zweiter Akt: Erwartungsgemäß gingen die Medien der Inszenierung vollständig auf den Leim, die einen, die sich eher als Propagandaabteilung der Grünen empfanden, brachten viel Mitleid mit den guten, verkannten und leidenden Grünen auf, während die anderen aus lauter Freude, dass die Grünen endlich mal eine Niederlage erlitten haben und nun in der Realpolitik angekommen seien, nicht sahen, was eigentlich geschehen war, sondern auch über die angebliche Niederlage der Grünen schrieben, ohne auch nur einmal näher hinzuschauen. So sehr hatte man sich gewünscht, dass die Grünen endlich mit der Realität konfrontiert werden, dass man in die große Bärenfalle lief. Man hatte vergessen: Die Grünen befinden sich beständig auf der Mission zur Weltrettung und können sich deshalb mit Kleinigkeiten wie der Wirklichkeit nicht abgeben, vor lauter Weltrettung und Klimaschutz bleibt ihnen auch keine Zeit für die Not, in die ihre Politik deutsche Familien stürzt.
Doch eines ist seltsam – und zeigt das enorme Unterhaltungspotenzial der Grünen, die nie um eine zusätzliche Drehung verlegen sind.
Dritter Akt: Weil sie nicht als strahlende Sieger vom Platz gingen, litten die Grünen tatsächlich. Sie mussten ja diesen Medienplatz an die FDP abtreten, sonst hätten ja auch die vielen, vielen Stunden, in denen man wie bei einem nicht enden wollenden Kindergeburtstag beieinander hockte, keinen Sinn ergeben. Und wenn auch nur in der Medieninszenierung als Verlierer vom Platz zu gehen, empfanden die Grünen geradezu als narzistische Kränkung. Irgendwie, ein bisschen Glanz und Glamour mussten sie noch aus der Sache herausschlagen. Hinzu kam, dass Lang, Nouripour und vor allem Habeck im grauen Verliererlicht mit übernächtigten Gesichtern dastanden, da aber von der frisch fidelen Außenministerin jede Spur fehlte, hatte Habeck auch innerparteilich ein Problem. Der Satz: Noch so eine Niederlage und wir haben endgültig gewonnen, tröstet wenig, denn noch einmal darf es Habeck eigentlich nicht passieren, nicht Kanzlerkandidat seiner Partei zu werden. Zumal in der Politik das Momentum zählt – und sein Momentum war eigentlich 2021. 2025 könnten die Dinge ganz anders stehen.
Vierter Akt: Nun aber – nach der Woche der Schmach – taucht Habeck als Wirtschaftsminister in Kiew auf, im Gefolge einige interessierte oder willige Wirtschaftsleute, beispielsweise der BDI-Funktionär Siegfried Russwurm. Habeck will jetzt „ein Zeichen“ setzen und sich womöglich im Licht des Zeichens sonnen. Zumindest kann er sich nun endlich wieder als Macher präsentieren, der brüderlich der Ukraine zur Seite springt, und das Verlierer-Image, bevor es auf ewig an ihm haftet, loswerden.
Der Macher Robert Habeck wird die Energiepartnerschaft beleben, in der – wahrscheinlich von Deutschland finanziert – viele erneuerbare Energieanlagen in der Ukraine entstehen, denn es geht natürlich um die Dekarbonisierung, die Steigerung der Energieeffizienz, die Modernisierung des Stromsektors, den Ausbau erneuerbarer Energien und das Einsparen von Treibhausgasen. Vor allem will er sich für die Reparatur und den Erhalt des Stromnetzes in der Ukraine einsetzen. Dass seine Wärmepumpenbefehle in Deutschland, seine E-Mobilitätspläne und schließlich die totale Einspargelung Deutschlands mit Windkrafträdern, vor der Arten-, Naturschutz und die Bürgerrechte zu verstummen haben, auch sehr ernsthafte Fragen an das deutsche Stromnetz stellen, dürfte der wendige Minister vergessen haben, der von einem Ort zum anderen eilt, um nicht die Ruinen wahrnehmen zu müssen, die seine Politik hinterlässt.
Apotheose: Und dann gerät der deutsche Wirtschaftsminister ins Visionäre – die Ukraine kann zum Energieexporteur nach Europa werden. Habecks Studie zur Versorgungssicherheit mit Strom für Deutschland sagt aus, dass die Versorgungssicherheit mit Strom gewährleistet ist, wenn wir akzeptieren, dass Deutschland zum Nettostromimporteur wird.
Kann der deutsche Wirtschaftsminister erklären, welch tieferer Sinn aus deutscher Sicht darin besteht, andere Länder mit deutschen Steuergeldern zu Stromexporteuren und gleichzeitig durch einen rigiden Wirtschaftsdirigismus Deutschland abhängig von diesen Stromimporten zu machen?
Kann der deutsche Wirtschaftsminister erklären, von welchem Geld die Deutschen die Importe bezahlen, wenn sie selbst immer weniger produzieren und verkaufen? Glaubt er wirklich, dass die Akkordarbeit der Gelddruckpressen den Bau von Autos oder Düngemittel ersetzt und dass ein Wärmepumpengesetz, das praktisch zum Enteignungsprogramm wird, die Wohnungsnot in Deutschland lindern wird?